aus dem Buch: Der Spanische Bürgerkrieg 1936-1939
Das folgende, hier nur auszugsweise abgedruckte Interview führte Karin Buselmeier im August 1976 mit Clara Thalmann. Sie wuchs als Kind einer zehnköpfigen ArbeiterInnenfamilie in Basel auf. Schon frühzeitig wurde sie Mitglied der Kommunistischen Jugend, wo sie auch ihren späteren Lebensgefährten Pavel, alias Paul Thalmann (Franz Heller) kennen lernte. 1929 wurden beide wegen ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Stalins Politik aus der Partei ausgeschlossen. Im Sommer 1936 reiste sie als Delegierte des Schweizer Arbeiter-Schwimmclubs zur „Spartakiade“, der proletarischen Gegenolympiade nach Barcelona und wurde, dort kaum angekommen, in den Sog der revolutionären Ereignisse gerissen. Sie und ihr Lebensgefährte kämpften im Bürgerkrieg auf Seiten der POUM und später in der von den deutschen Anarcho-Syndikalisten aufgestellten Hundertschaft, die zur Kolonne Durruti an der Aragon-Front gehörte. Im Zuge der Verfolgung der POUM wurden sie von der stalinistischen Geheimpolizei verhaftet und wochenlang gefangen gehalten. Im Spätsommer 1937 erhielten sie schließlich, weil die spanischen Behörden sich in ihrem Fall durchsetzen konnten, die Ausreisegenehmigung. In Frankreich schlossen sie sich der Resistance an und organisierten für politische Flüchtlinge von Paris aus Schiffspassagen. Nach dem Krieg ließen sich Clara und Pavel Thalmann in Nizza nieder, wo sie sich mit dem Verkauf von Blumen und journalistischen Arbeiten über Wasser hielten. Ihre politischen Erinnerungen haben Clara und Pavel Thalmann in dem Buch „Wo die Freiheit stirbt. Stationen eines politischen Kampfes (Ölten und Freiburg i.Br. 1974)“ niedergeschrieben.
Karin Buselmeier: Es gibt mittlerweile auch in der Bundesrepublik viele Publikationen zum Spanischen Bürgerkrieg und speziell zum spanischen Anarcho-Syndikalismus. Aufgefallen ist mir, dass in all diesen Büchern wenig oder nichts über die Rolle der Frauen in der Sozialen Revolution von 1936 zu finden ist. Könntest Du über Deine Erfahrungen berichten, gerade auch in dieser Hinsicht. (…)
Clara Thalmann: (…) Als wir am 18. Juli 1936 an der Grenze ankamen, da war eine große Aufregung: es ist etwas passiert in Spanien, man wusste noch nicht genau was. An der französischen Grenze waren natürlich die französischen Polizisten und Grenzposten, aber bei den Spaniern Arbeiter und Bauern mit schwarz-rotem Band: CNT. „Ja, bei uns ist die Revolution. Jetzt geht"s los!“ Die Eisenbahnen fuhren nicht, es war Generalstreik. Aber ich wollte nun ja erst recht nach Spanien hinein: „Ich will doch zur Spartakiade“, sagte ich. „Spartakiade, Spartakiade. Jetzt spielt sich die Spartakiade in den Straßen ab.“ Wir wurden durchgelassen. Wir haben natürlich nicht gesagt, dass wir Marxisten sind. Dass die bei der CNT nicht angesehen sind, das wusste ich schon. Pavel und ich waren ja 1932 lange in Spanien gewesen (…) Dann sind wir empfangen worden im ayuntamiento, im Bürgermeisteramt. Aber da gab es keinen Bürgermeister mehr, den hatten sie zum Teufel gejagt, die Großgrundbesitzer ebenso, oder andere waren geflohen. Es gab nur Arbeiter und Bauern, nur noch companeros (Genossen). Jeder mit einem Jagdgewehr, alle waren sehr aufgeregt; sie haben diskutiert: was wird jetzt geschehen, wie organisieren wir uns. Jetzt wird das richtige Leben anfangen, wir werden eine Kollektivität aufbauen, wir wollen eine neue, eine freie Gesellschaft. Im ersten Dorf nach der Grenze! Eine völlig veränderte Situation. Und einfache Bauern!
Karin: (..) Wenn Du sagst: im Bürgermeisteramt waren nur Männer, dann bedeutet das doch: diese Separierung blieb unangetastet. Man diskutierte, wie das Gemeinwesen neu gestaltet, wie alles anders werden sollte – und die Hälfte der Bevölkerung blieb ausgeschlossen. Ich finde es doch merkwürdig, dass nicht wenigstens versucht wurde, die Frauen in die Diskussion der zentralen Fragen, wie sie auf dem Bürgermeisteramt geführt wurden, einzubeziehen.
Clara: Das ist gar nicht so merkwürdig. Was hatte die Frau denn bis jetzt zu sagen in Spanien? Sie hatte zu gehorchen. Ihr Gebiet war eben das Haus, waren die Kinder. Zu Hause, da ist die Mutter die Regierung. Sie entscheidet über alles. Sie ist die angebetete Mutter, la madre, das ist das Höchste, da gibt es keinen Widerspruch. Wenn die madre sagt: das und das muss gemacht werden, so sagt auch der Mann nichts dagegen. Höchstens z.B. wenn ein Mädchen heiratet, da spricht der Mann natürlich auch sein Wort. Die Frauen mussten mitarbeiten auf dem Feld, und selbstverständlich waren sie gegen die Grundbesitzer. Die hatten ja riesige Latifundien, und die Bauern mussten immer abliefern. Da waren die Frauen schon einverstanden, dass gestohlen wurde oder sonst sabotiert, auch schon lange vorher. Aber jetzt waren die Frauen insgesamt doch eher verängstigt. Sie sind ja erst allmählich aufgewacht. Und diese Diskussionen im ayuntamento, das war ja noch keine festgesetzte Sache, alles war noch in der Entwicklung. Die Hauptsache war: der Priester ist weg, der Bürgermeister ist weg, der Großgrundbesitzer ist weg. Darum ging es doch. Jetzt konnte man alles neu organisieren, die Leute hatten einen ungeheuren Enthusiasmus.
(…) Auf dem Dorf – auch wenn die Männer sehr revolutionär waren – ist doch eine sehr strenge Tradition gewesen, von der Kirche aus vor allem. Die Priester haben doch die Frauen beherrscht. Da konnten die Männer mit ihren anarchistischen revolutionären Ideen sehr wenig ausrichten. Die Frauen hätten doch nicht gewagt, gegen den Mann oder gegen die Kirche irgendetwas zu machen. Die Männer rannten doch gegen eine Mauer. Du musst Dir das vorstellen, was das ist: ein Dorf. Das ist nicht nur so in Spanien, sondern genauso im katholischen Italien, in Süditalien, in allen katholischen Ländern. Da kannst Du von der Bauersfrau nicht erwarten, dass sie nun auch mit auf die Straße geht oder auf politischen Versammlungen mitdiskutiert. Mit der Zeit hat sich das dann geändert, mit der praktischen Arbeit, mit dem praktischen Kollektivieren, und auf dem Lande doch sehr langsam (…)
In Barcelona
Clara: Wir sind dann noch einmal zur Grenze gegangen – inzwischen waren ja auch die anderen Teilnehmer der Spartakiade angekommen. Die meisten wollten zurück nach Hause, aber einige von den Sportlern wollten nun in Spanien bleiben wie wir. Es war nun klar, dass etwas ganz Außergewöhnliches im Gang war. Wir hörten Radio-Nachrichten über Kämpfe in Barcelona. Aber wie dahin kommen? Die Eisenbahnen fuhren nicht; die Autos der reicheren Leute waren beschlagnahmt, aber es gab nicht sehr viele. Schließlich wurden wir mitgenommen. An jeder Dorfgrenze eine Kontrolle. Wir hatten den Passierschein von der CNT, und so kamen wir immer durch, ohne Schwierigkeiten. Je weiter man ins Land kam, desto mehr hat man gespürt, dass eine neue Welt angebrochen ist (…)
In Barcelona, da war ein ganz anderes Bild gegen früher – ich kannte die Stadt ja schon. Früher war es ausgeschlossen, dass eine Frau allein auf die Straße ging. Sie musste immer begleitet sein von der halben Familie: die behütete Frau, das behütete Mädchen. Das war sicher noch der maurische Einfluss, zusätzlich zu der katholischen Tradition. Jetzt sah man die Frauen – was nie passiert wäre früher – im Cafehaus sitzen, diskutieren, mit dem Gewehr zwischen den Knien.
(…) Das waren Arbeitermädchen, zum Teil auch Dirnen. Frag" einen Spanier, der würde verstehen. Die Frauen diskutierten: was machen wir, gehen wir an die Front? Was können wir tun? Und hier hat jeder mit jedem gesprochen, kein Unterschied ob Mann oder Frau. Man hat immer gedacht, die Probleme würden in Spanien vor allem von den Männern diskutiert. Aber hier war für jeden die Frage: wie werden wir das weiterführen? Wo sind wir am nützlichsten für die Revolution? (…) Die Frauen waren so urplötzlich frei. Auf einmal hast Du gemerkt: die interessiert sich ja auch für alle Fragen. Die Fenster, die ganzen Straßen entlang, waren mit schwarz-roten Fahnen behängt. Einzelne Frauen standen am Fenster und winkten den Männern zu und riefen herunter: von da ist geschossen worden. – Es gab ja noch Scharmützel, aber das Wichtigste war erledigt, und es war klar, dass die Putschisten geschlagen waren, in Barcelona.
Räte und ArbeiterInnenkontrolle
Clara: Und was mich so beeindruckt hat, das waren diese consejos, die Räte, die Komitees, die sich überall gebildet haben, die sofort die Arbeit organisiert haben. Das tägliche Leben, z.B. das Essen, das klappte phantastisch. Die großen Hotels, Ritz usw., waren sofort beschlagnahmt worden. Jeder, der nicht in der Familie gegessen hat, konnte umsonst essen gehen und wurde bedient, als wären wir die Herren. Die Kellner waren companeros. Wir haben gefragt, wieso kriegt jeder zu essen. Ihr wisst doch gar nicht, wer ich bin. Da bekamen wir zur Antwort: „Hör mal, einer, der genug gegessen hat, kommt nicht ein zweites Mal. Und jeder muss doch essen.“
Die Nahrungsmittelbetriebe und die Geschäfte, die Bäckereien z.B. auch, das wurde sofort kontrolliert. Und da haben die Frauen eine große Rolle gespielt. Frauen, die vorher sich nur um die eigene Familie gekümmert haben, haben jetzt bestimmt: Das Mehl, das die Bäckerei bekam, da musste soundsoviel Brot dabei rauskommen. Sie haben Straßen- und Preiskontrollen gemacht, mit den Kontrollkommissionen zusammen, die eingriffen, wenn es sich um schwierige Fälle handelte. Sonst haben das die Frauen allein gemacht.
(…) Natürlich waren in diesen consejos auch Männer. Aber die Frauen fingen an, sich zu beteiligen, im öffentlichen Leben mitzuarbeiten. Das war ganz spontan und so selbstverständlich. Man muss sehen: die Männer dieser Frauen waren meist milicianos, und denen ging es ja nie zuvor so gut: jeder miliciano bekam 10 Peseten, und an der Front brauchte man nichts, da war für alles gesorgt. Die Männer konnten Geld nach Hause schicken, und so sympathisierten die Frauen natürlich mit dieser Revolution. Und sie mussten sich ja beteiligen, fast automatisch, weil der Mann nicht da war. Sobald es an praktische Probleme ging, haben die Frauen sich ungeheuer eingesetzt. – Es ist überhaupt so. meine ich, dass Frauen mehr einen praktischen Sinn haben.
Solange die Kontrolle der Frauen und der Arbeiter existierte, gab es jeden Tag Brot. Sonst, bei jeder Revolution, bei jedem Krieg: das Problem der Lebensmittelverteilung, der schlechten Organisation. Und die Preise waren stabil. Erst im Januar 1937 – da hatte sich der Spieß ja schon gewendet – da hat die katalanische Regierung bestimmt: man kann nicht die kleinen Betriebe kollektivieren, man muss sie den Eigentümern zurückgeben, sie diesen „Wilden“ abnehmen – und schon wurden die Lebensmittel teurer, es gab Schlangen, es gab den Schwarzmarkt.
In der Miliz
Clara: Für uns stand nun die Frage: was machen wir? Die Miliz hatte sich schon gebildet, in den verschiedenen Organisationen. Wir haben also Kontakt aufgenommen zur POUM – wir wussten, dass das die kommunistische Opposition zur KP war. Und wir haben Kontakt aufgenommen zu CNT und FAI, also zur anarchosyndikalistischen Gewerkschaft mit ihrer langen Tradition in Spanien, und zur Iberischen Anarchistischen Föderation, die man aber – das muss ich doch noch einmal betonen – nicht als „Partei“ im sozialdemokratischen oder kommunistischen Sinn interpretieren darf, an deren „Linie“ die entsprechende Gewerkschaft sich zu halten hatte. Zu den Kommunisten gingen wir nicht – ich war ja auch schon Jahre zuvor ausgeschlossen worden aus der Schweizer KP -, zu den Republikanern auch nicht.
Du konntest zu jeder Organisation gehen und Dich informieren. Das war alles ganz offen. Alle Organisationen hatten gleich in den ersten Tagen die größten Häuser besetzt, die POUM z.B. das Hotel Falcon an den Ramblas, die CNT das Haus des früheren Unternehmer-Verbandes von Katalonien an der Via Layetana. Das war ein riesiges Gebäude; die verschiedenen Gewerkschaften hatten ihre Räume, da war die Bauarbeitergewerkschaft, die Holzarbeitergewerkschaft, die haben da alle getagt. Es war noch Generalstreik und es wurde beraten: wir müssen sozialisieren, die Betriebe übernehmen. Es kamen Delegationen: wir haben unseren Betrieb besetzt, was sollen wir nun weiter tun? Auch Frauen kamen, aus der Textilindustrie vor allem.
Man hat uns gesagt, es wäre sehr interessant für uns, die Entwicklung auf dem Lande zu sehen. Auch kulturell brauchte man Leute. Die Freunde, die mit mir waren, waren geschulte Soldaten, konnten mit Gewehren und Maschinengewehren umgehen und kannten die technischen Details, wie man ein Gewehr auseinander nimmt, repariert und so. Und ich überlegte: Krankenschwester – Quatsch, Büro – auch Quatsch. Ich wollte an die Front. Ich war ja etwas ausgebildet im Umgang mit dem Gewehr. Ich hatte ja auch zuvor, bei der POUM, schon Schießkurse gegeben. Da kamen ja immer wieder Leute, die noch nie eine Waffe in der Hand gehabt hatten, aber die jetzt gegen die Faschisten kämpfen wollten.
(…) Wir haben uns also eingeschrieben, bekamen unsere Papiere als milicianos, und dann wurde gruppiert, was sehr rasch ging. In zwei bis drei Tagen war die Hundertschaft zusammen. Wir waren eingeschrieben in der Columna Durruti. Wir mussten noch etwas warten, bis genügend Gewehre da waren. Es gab von Anfang an zu wenig Waffen, obwohl aus den Kasernen schon rausgeholt worden war, was drin war. Auch die Metallfabriken, die dann auf Kriegsproduktion umgestellt wurden, waren sofort sozialisiert worden. Trotzdem: die Waffen, das war immer ein Problem. Oft hatten wir uralte Gewehre, und die Munition passte auch nicht immer.
Karin: Nach welchen Kriterien wurden die Hundertschaften zusammengestellt?
Clara: Nach politischer Zusammengehörigkeit natürlich, obwohl bei uns nicht alle Anarchisten waren; viele hatten einfach etwas gegen die reguläre Armee, gegen die militärische Disziplin. Auch in den POUM-Milizen waren nicht nur POUM-Anhänger; da hat sich schon einiges an anarchistischen Vorstellungen durchgesetzt. Das brauchte natürlich eine gewisse Erziehung, einen bestimmten Protest. Und sonst wurde gruppiert der Reihe nach, wer sich angemeldet hatte. D.h. es wurde doch nach Fähigkeiten eingeteilt, nach Berufen. Da war z.B. ein deutscher Schullehrer dabei, der ausgezeichnet Spanisch konnte – das war wichtig für die Bildungsarbeit – oder Ärzte, z.B. ein deutsches Ehepaar: sie war Krankenschwester, er Arzt. Die kamen dann im Sanitätswagen.
Karin: Abgesehen von der Krankenschwester, wie viele Frauen waren außer Dir noch in Deiner Hundertschaft? Das hat mich überhaupt gewundert, als ich die ersten Bilder von milicianas sah: mit der Waffe kämpfende Frauen, ausgerechnet in Spanien. In der russischen Oktoberrevolution gab es das ja auch, in Vietnam natürlich, aber z.B. von der deutschen Novemberrevolution weiß ich nichts Entsprechendes. – Wie viele Frauen kämpften insgesamt an der Front, ungefähr?
Clara: Zwei bis drei Prozent. In Spanien war das ein Volkskrieg, das darfst Du nicht vergessen – in der Novemberrevolution wurde doch alles sehr schnell kanalisiert, nach den ersten Aufständen. Bei uns, in unserer Hundertschaft, waren außer mir noch zwei spanische Arbeiterinnen, etwas über 20 Jahre alt: die Montserrat in meiner Zehnergruppe, von der anderen weiß ich den Namen nicht mehr. Die Montserrat war verheiratet, ihr Mann war dabei, ist dann aber gleich bei der ersten Attacke gefallen.
Karin: Ehepaare konnten also in der gleichen Hundertschaft sein? Man hätte doch befürchten können, dass das als Bevorzugung empfunden wird.
Clara: Nein, aber wir waren sehr puritanisch, also bei uns jedenfalls. Die andere Spanierin hatte dann einen Freund, in der gleichen Hundertschaft. Aber sie schliefen nie zusammen – im Urlaub natürlich, aber das war etwas anderes. Wir schliefen ja immer zu zehnt, im Bauernhof meistens. Und sogar wenn wir Wache standen, war ich nie mit meinem Mann zusammen – also später, als Pavel auch an der Front war. Einige haben sogar gesagt: da gibt"s ein Zimmer, da könnt Ihr doch zusammen schlafen. Aber das wollten wir nicht. Keine Privilegien. Für uns war das eine Sache der Selbstdisziplin: wir sind hier nicht zur sexuellen Befriedigung, sondern wir sind hier, um zu kämpfen. – In einigen Hundertschaften gab es Prostituierte, aber das ist ein besonderes Kapitel.
Wir fuhren dann nach Barbastro, an die Aragon-Front. Barbastro, das war so eine Art Hauptquartier; da wurde an die verschiedenen Frontabschnitte zugeteilt, wo"s am nötigsten war oder wenn Gruppen abgelöst werden sollten, um in Urlaub zu gehen. Natürlich kamen anarchistische Hundertschaften an anarchistische Frontabschnitte, kommunistische an kommunistische Abschnitte usw. Diese Trennung war von Anfang an da, die Leute wollten das ja auch selber. Es kam aber schon mal vor, dass eine Gruppe in den anderen Sektor musste.
(…) Wir hatten guten Kontakt zu den Bauern, wir haben ja zum Großteil bei ihnen geschlafen. Eine Zeitlang haben wir selbst gekocht in den Zehnergruppen. Dann später haben wir mit den Bauern zusammengearbeitet in den Gefechtspausen, auf den Feldern, haben an den Versammlungen teilgenommen usw. Und dann haben wir gesagt: ist doch Blödsinn, dass wir alle alleine kochen – man muss das zusammen machen, dann kommen wir viel besser in Verbindung mit den Bauern. (…) Wir haben alles gemeinsam gemacht, wir Frauen waren in jeder Hinsicht genauso geachtet wie die Männer. Und – das war interessant: die Bauersfrauen haben zuerst gestaunt, als sie Männer beim Kochen sahen. Aber dann haben sie gesagt: jawohl, ist richtig, Männer können auch Essen machen und Geschirr abwaschen.
Das Dorfkomitee
Clara: Bei den Versammlungen wurde beraten, was angebaut werden sollte - und: in dieser Gegend hatte man beschlossen: es gibt kein Geld mehr. Wir arbeiten für eine neue Welt, Geld spielt keine Rolle mehr, wenn wir bloß zu essen haben. Die Verteilung ging folgendermaßen: Damals war Ernte, es wurde vor allem Weizen angebaut und Gemüse, und das Komitee hat dann den Austausch organisiert. – Die Kollektive haben ja dreimal so viel Ertrag gehabt wie früher. Ich erinnere mich z.B. an einen Austausch mit einer Schuhfabrik. Da kam ein ganzer Lastwagen voll Schuhe, es waren Stiefel. Und die spanischen Bauern haben ja meist nur so zugeschnittene Autopneus an den Füßen und sonntags alpargatos, also aus Stroh. Und jetzt kamen richtige Schuhe zur Verteilung! Es kam dann vor, dass Frauen sich zwei oder drei Paar ausgewählt haben – nein, hat man gesagt, nimm erst mal nur ein Paar. Das ging alles so friedlich, obwohl doch alle so heiß interessiert waren. Und es wurde natürlich auch gegen Geld gekauft und verkauft. Das Komitee hat dann beraten: soundsoviel haben wir ausgegeben, soundsoviel ist uns geblieben, was kaufen wir damit?
Karin: Wie wurde so ein Komitee gewählt, meinetwegen in einem Dorf mit 3000 Einwohnern wie in La Zaida?
Clara: Die Bauern haben sich versammelt und haben ihre Leute gewählt, meistens die, die lesen und schreiben konnten. Und da waren auch Frauen, weniger natürlich.
Karin: Das ganze Dorf hat sich versammelt? Von einer gewissen Größe an geht das ja nicht mehr – und allgemeines Interesse vorausgesetzt. Dann muss man Delegierte wählen für die nächst größeren Versammlungen – das Rätemodell.
Clara: Es waren nicht alle da, man hat natürlich Abteilungen gemacht, nach Feldern, wer das und jenes gearbeitet hat. Ich kann mich z.B. an eine Versammlung erinnern, so 700 Leute. Sie sollte zuerst im Bürgermeisteramt sein, aber dann waren so viele Menschen da, dann sind sie einfach auf den Dorfplatz gegangen. Da wurde dann diskutiert und auch gewählt: den wollen wir, den auch.
Karin: Wurden Frauen gewählt?
Clara: Wenige, weil viele Analphabeten waren und auch nicht so aktiv. Die Frauen waren ja viel genierter, die Männer waren viel freier im Reden, weil"s die Frauen nicht gewohnt waren. Aber es gab auch ganz einfache Bauersfrauen, die redeten – oft ganz plötzlich. Wenn sie mit etwas nicht einverstanden waren, haben sie dazwischen gerufen: nein, nein, das ist nicht richtig. So ganz spontan und waren dann selbst erschrocken. Dann haben die andern gesagt: Jetzt red" weiter, natürlich! Gerade bei praktischen Fragen, die Frauen mussten sich ja um das tägliche Leben kümmern.
„Natürlich sind die milicianos ins Bordell gegangen.“
Karin: Du hast vorhin gesagt, es gab auch Prostituierte bei der Miliz. Das wird ja auch des Öfteren anzüglich-anekdotisch berichtet, z.B. in einer Artikelserie des „Stern“ vom letzten Jahr. Wurde nicht versucht zu verhindern, dass Prostituierte mit an die Front kamen?
Clara: Nein, am Anfang nicht; das sind auch Menschen, die wollen auch kämpfen gegen die Faschisten. Und man wusste ja nicht von vornherein, dass das Huren sind. Die Prostituierten waren ja ungeheuer rabiat, revolutionär. Im barrio chino, dem Hafenviertel von Barcelona, gab es heftige Kämpfe, und da standen die Prostituierten fast alle auf der Seite der milicianos: der und der ist ein Faschist, der hat noch Waffen. Und Anarchisten und Frauen haben Zuhälter umgebracht, erschossen. Überhaupt: die Bordellmutter und die Zuhälter wurden zum Teufel gejagt, und dann gab es eine Freinacht für jeden miliciano.
Karin: Ja, das ist aber doch der Widerspruch: das Metier als solches bestand fort. Vordergründig mag es revolutionär erscheinen, wenn man sich nicht mehr die Hälfte des Verdienstes abzwacken lässt durch die Bordellmutter oder durch den Zuhälter. Aber eigentlich ist das doch eine perverse Übernahme der allgemeinen Forderung: jetzt nehmen wir alles in die eigene Hand. Hat sich nicht wenigstes bei einigen auch im Kopf etwas bewegt: dass die Frauen also Schluss machen sollten mit dieser Art, ihren Lebensunterhalt zu verdienen?
Clara: Da wurde doch einiges zur Veränderung getan. Das musst Du doch anerkennen. (…) Ich habe Dir ja schon gesagt: die Frauenfrage als spezielles Problem, das habe ich nicht beachtet. Für mich war das Entscheidende: die revolutionäre Bewegung.
Karin: Das verstehe ich auch (…) denn in solch einer revolutionären Situation ist das erste: der Sieg über den gemeinsamen Gegner. (…) Und doch irritiert es mich, wenn ich feststelle, dass offensichtlich nur Frauen die tagtägliche Gewalt, die Frauen von Männern angetan wurde, herausstellen, die psychischen Dimensionen der Unterdrückung der Frau, wo doch allseits von einer völligen Veränderung des gesamten Lebens Zusammenhangs die Rede war (…)
Clara: Wenn unsere milicianos zum Urlaub gingen nach Barcelona, dann wurde diskutiert: gehen wir ins barrio chino – gehen wir nicht? und natürlich sind sie gegangen. Nein, da wurde unten getanzt, etwas zusammen getrunken, und dabei wurden die Beziehungen geknüpft: wer geht mit wem schlafen? Es war schon etwas geändert, muss ich sagen, gegen früher. Und: Ein Bekannter von uns hatte ein festes Verhältnis mit einer Prostituierten, und er wollte nicht, dass sie „ihren Beruf“ weiter ausübt; er hat ihr ein Zimmer gemietet, ihr Geld geschickt. Aber sie sagte: ich glaub" Dir doch nicht, dass Du mich heiraten willst – ich bin doch eine Hure, eines Tages wirst Du mich doch fallen lassen. Und so hat sie weitergemacht. Aber er, er hat sie geliebt, und er wollte sie heiraten. Das war doch ein Schritt – bei der spanischen Tradition. Und das war kein Einzelfall, ich kannte mehrere milicianos, die ganz ehrlich ein festes Verhältnis mit einer Dirne hatten und mit ihr zusammen bleiben wollten.
Karin: Aber nochmals: warum sind die Anarchisten überhaupt ins Bordell gegangen? In den Schriften ist immer viel von Freier Liebe die Rede – warum sind sie denn nicht zu ihren Freundinnen gegangen?
Clara: Die hatten sie ja nicht! Die Deutschen, die wir in Spanien getroffen haben und die schon lange im Land gelebt hatten, die haben uns gesagt: Sehen Sie, das ist der Unterschied: In Deutschland braucht man ein Motorrad; das Mädchen sitzt hinten auf, und man fährt los. In Frankreich braucht man ein Auto, weil da vielleicht der Bruder oder die Schwester oder die Freundin mitkommt. In Spanien braucht man einen Lastwagen: wenn Du eine Freundin hast, kommt die Mutter mit, der Vater, der Bruder – die ganze Familie musst Du aufladen.
Karin: Diesem einen Artikel in „Ruta“ zufolge scheinen doch sehr viele Dirnen mit an die Front gegangen zu sein.
Clara: Ja, ich weiß es nur vom Hörensagen, doch recht viele. Obwohl: die haben mitgekämpft, die waren sehr rabiat, sehr mutig. Aber dann – in den Gefechtspausen – gab es doch sehr viele Geschichten: Eifersuchtsszenen. Aber das war natürlich: Frauen, die provoziert haben. Das war einfach ihre langjährige Gewohnheit. Und Geschlechtskrankheiten – Mika hatte da auch immer wieder ihre Schwierigkeiten damit als Verantwortliche ihrer Milizgruppe. Aber – was haben die Anarchisten gemacht? Sie haben eine Versammlung einberufen mit allen milicianos und milicianas – wenn man so will – und haben diskutiert: wir sind hier, um zu kämpfen, wir haben nicht genug Ärzte, es ist doch nicht gut für die Front, wenn es sehr viele ansteckende Krankheiten gibt. Nach langen Diskussionen wurde den Dirnen dann doch empfohlen, wieder zurück zu gehen, einen Beruf zu ergreifen, sich im Hinterland für die Revolution einzusetzen. Viele wurden dann auch angelernt, und viele gingen natürlich auch zurück in ihr barrio chino. Aber dass Dirnen eine Evolution mitgemacht haben, das ist sicher.
Karin: Mit Prostituierten, hast Du gesagt, gab"s „Geschichten“, und in Bezug auf milicianas wie Du oder die Montserrat, da hast Du vorhin hervorgehoben, dass Ihr Euch sehr puritanisch verhalten habt. – Das war von Eurer Seite aus. Von der Seite mancher milicianos aus, gab"s da nicht doch so etwas, das hübsche milicianas etwas bevorzugt, hofiert wurden, wäre ja verständlich.
Clara: Sicherlich gab es das da und dort, dass ihnen der Hof gemacht wurde, und natürlich, dass sich ein Mädchen in einen miliciano verliebt hat und umgekehrt. Aber dass da im Ganzen eine sehr strenge puritanische Moral war bei den Anarchisten, das würde ich sagen. Bei uns gab es eigentlich nie so eine sexuelle Bevorzugung. Gilberte (sie war zur gleichen Zeit in Nizza) hat mich ja gefragt, ob wir Frauen an der Front so eine Art Neutrum waren. – Vielleicht. Ja, doch. Und dass Mika sich so verhalten hat, das machte auch ihre Autorität gegenüber den Männern aus, neben ihrer Mütterlichkeit und ihren organisatorischen Fähigkeiten.
Es war ein kameradschaftliches Verhältnis, und die Spanier achteten uns. Die Montserrat war eine sehr ernste Frau, wie Mika hatte sie ihren Mann gleich zu Anfang verloren. Keiner hätte es gewagt, ihr zu nahe zu kommen. Es kam auf unser Verhalten an – die K., wie die hier (in Nizza) immer ihre Brüste frei herumträgt, die wäre natürlich glatt vergewaltigt worden. Dann muss man bedenken: die ganze Tagesordnung war ja organisiert. In den Gefechtspausen, neben der Arbeit, hat man z.B. Theaterstücke vorgeführt, man hat gesungen, wir haben Chöre organisiert, sehr viel kulturelle Arbeit. Überhaupt – das vergisst man immer zu sagen, man redet viel zu tierisch ernst – das war eine sehr fröhliche Revolution, alle waren viel freier, und wir haben viel Lustiges zusammen erlebt.
„Dass die Frauen Riesenschritte gemacht haben in der Gesellschaft, das wir auch eine der großen Lehren der spanischen Revolution.“
Clara: Es gab Bildungsabende, auch über sexuelle Aufklärung, bei der Miliz, über sexuelle Freiheit, Freie Liebe, vor allem über die Achtung des Mannes gegenüber der Frau und umgekehrt. Erziehungsfragen. (…) Und dass überhaupt über Sexualität gesprochen wurde, das war schon eine Revolution in Spanien. Aber eben vor allem Erziehung zu gegenseitiger Achtung, zu Menschlichkeit – die anarchistische Ethik.
Karin: Also doch eher auf einer sehr allgemeinen Ebene. – Weißt Du, ich habe zunehmend den Verdacht, dass das Prinzip der Freien Liebe vor allem gegen die Eingriffe staatlicher- oder kirchlicherseits gerichtet ist und auch – gerade in Spanien – gegen die Bevormundung durch die Familie, während zu wenig reflektiert wurde, wie viel bei jedem einzelnen getan werden muss, um eine wirkliche Gleichberechtigung, gleiche Achtung beider Geschlechter zu erreichen, wie viel dabei gerade die Männer umdenken müssen.
Clara: Für mich war immer klar, dass die Frau sich ihre Freiheit selbst erkämpfen muss. Und in der Arbeiterbewegung ist immer gesagt worden, dass das eine lange Erziehung braucht, auch der Männer. Das war bei den Anarchisten, so wie ich sie gekannt habe, auch immer selbstverständlich, und sie haben sich – nicht alle – auch bemüht, das durchzusetzen. Aber wieder darfst Du nicht vergessen: das ging ja durch die ganze bürgerliche Gesellschaft durch: die Frau ist das Tierwesen, die Mutter der Kinder usw. Das kennen wir ja zur Genüge. Aber dass die Anarchisten sich mehr um die Frage der Befreiung der Frau gekümmert haben als die anderen, die anderen Richtungen im Kampf gegen die Faschisten, das würde ich doch sagen. Und dass der Versuch da war, nicht nur der Versuch, sondern der Wille, dass die Frauen über ihr eigenes Bild springen. Und sehr viele haben das fertig gebracht, die Frauen sind viel bewusster geworden durch die Revolution, sie haben sehr viel Verantwortung übernommen – was vorher undenkbar gewesen wäre.
Karin: Besteht nicht die Gefahr, dass Du im Rückblick etwas idealisierst, in Bezug auf die spanische Revolution insgesamt?
Pavel: (Claras Lebensgefährte, der gegen Schluss des Gesprächs dazukam): Man darf die Anarchisten auch nicht idealisieren. Zwischen Theorie und Praxis bestanden auch bei ihnen sehr oft große Unterschiede.
Clara: Gemessen an der Tradition in Spanien war der Fortschritt viel gewaltiger als in anderen europäischen Ländern, industrialisierten Ländern, wo die Frau schon sozial besser gestellt war. Dass die Frauen Riesenschritte gemacht haben, das war auch eine der großen Lehren der spanischen Revolution.
Und ich würde sagen, dass ich heute eher etwas kritischer bin als damals. Gerade die großen Fehler: dass die katalanische Regierung unter Companys, die ja gar keine Macht hatte, keine Basis, entgegen dem ganz alten anarchistischen Prinzip nicht abgesetzt wurde – man brauchte keine Regierung; oder dass die Anarchisten dann selbst in die Regierung gegangen sind, in der Hoffnung, sie kämen dann auch an die russischen Waffen ran. Und vor allem, dass Federica Montseny und Garcia Oliver im Mai 1937 zu der Bevölkerung von Barcelona gesagt haben: „Legt die Waffen weg, erst müssen wir die Faschisten besiegen, mit den Stalinisten werden wir dann schon fertig.“
Das Dekret, wonach Frauen nicht mehr an der Front kämpfen sollten
Karin: Wie kam es eigentlich zu dem Verbot, dass Frauen nicht mehr in der Miliz kämpfen durften?
Clara: Das war der prinzipielle Kampf der republikanischen Seite: die Miliz sollte aufgelöst werden; man wollte wieder eine normale bürgerliche Armee – wieder Offiziere, Salutieren, der Sold wurde gestaffelt. Die Faschisten hatten eine moderne Armee, und so wurde argumentiert: um die Faschisten zu schlagen, brauchen wir eine ebenso moderne Armee. Und auch das war natürlich gegen die Anarchisten gerichtet – keine Soziale Revolution, sondern eine bürgerliche Republik. Aber eine moderne Armee den Faschisten entgegenzusetzen, mit ihrer riesigen Unterstützung durch die Italiener und die Deutschen, das war ja gar nicht möglich. Man musste den Krieg auf revolutionäre Weise gewinnen. Und da haben wir das Beispiel Guadalajara.
Die Miliz wurde umgestellt, und wer nicht in die Armee wollte, also POUM und die Anarchisten, der bekam einfach keine Waffen mehr. Darum haben die Anarchisten dann nachgegeben. Trotz „moderner Armee“ gab es aber keinen einzigen Sieg. Der einzige Sieg, das war Guadalajara. Die milicianos – oder nein, das war ja jetzt die Armee – sind auf die Bäume gestiegen und haben revolutionäre Lieder gesungen: ,,Bandiera Rossa“, weil die Italiener vis-a-vis waren. Und sie haben hinübergerufen: Warum kommt Ihr, um gegen Eure eigenen Interessen zu kämpfen? Wir kämpfen für eine neue Gesellschaft. Das hat die italienischen Soldaten demoralisiert, und sie sind in großen Massen übergelaufen. – Das wurde immer wieder gesagt: Unsere Mittel sind die Propaganda, die Aufklärung, dann wird es auch im Hinterland Sabotage geben und Demoralisierung bei den gegnerischen Truppen.
Pavel: Ich glaube, ein Grund war auch, dass der Krieg einfach zu hart wurde. Das war die Einstellung der Regierung, und zum Teil haben die Anarchisten das akzeptiert. Sie waren ja in der Regierung.
Clara: Mit großem Widerstand.
Pavel: An der Basis, ja.
Clara: Natürlich war es auch ungeheuer wichtig, im Hinterland zu arbeiten, in Spitälern z.B. Da haben die Frauen sich wirklich aufgeopfert, viele Ausländerinnen auch. Aber wenn Frauen schon mit der Waffe kämpfen wollten, und dies auch verstanden, dann sollte man sie lassen. Das war ein Bruch mit den anarchistischen Traditionen, ein Einbruch dieser bürgerlichen Vorstellungen, der Einfluss des Auslandes auch: Frauen kämpfen mit – das ist ja furchtbar. Frauen gehören doch ins Hinterland. Aber: das Verbot konnte bei den anarchistischen Milizen nie ganz durchgesetzt werden. Und auch Mika – sie war so verwachsen mit ihrer Einheit, dass die Leute das einfach nicht akzeptiert haben: Wenn die weg muss, dann gehen wir auch. Sie war bis 1939 an der Front, ist zum capitaine ernannt worden. Aber dass sie bleiben konnte – das war dieser „resistance“ (Widerstand) der milicianos.
Karin: (…) Du hast mehrfach gesagt, dass für Dich die Frauenfrage von sekundärer Bedeutung ist, das Wichtigste sei die ökonomische Umwälzung, alles andere komme dann im Lauf der Zeit, auch das Verhalten der Menschen zueinander.
Clara: Natürlich finde ich es wichtig, dass die Frauen jetzt schon für ihre Rechte kämpfen. In unserer Gesellschaft ist die Frau doch in untergeordneter Stellung, muss sich verteidigen auch gegen den Mann. Und da ist die heutige Frauenbewegung doch sehr wichtig. Dass sie manchmal übertreibt – z.B. habe ich gehört: die Frauenbewegung lehnt jeden Mann ab…
Karin: Teile der Frauenbewegung.
Clara: Das sind Übertreibungen, die zu verstehen sind. Und manchmal sind überspitzte Forderungen sehr nützlich, weil sie das Bewusstsein vorantreiben. In der Umgestaltung unserer Gesellschaft wird sich, auch durch die praktischen Arbeiten, durch die praktische Beteiligung und Verantwortung der Frauen, eine Gleichberechtigung (…) einarbeiten, würde ich sagen. Und natürlich geht das viel weiter: Mitverantwortung in allen Fragen des Lebens.
Das Interview erscheint mit freundlicher Genehmigung des Verlages und stammt aus:
Cornelia Krasser u. Jochen Schmück (Hrsg.): Frauen in der Spanischen Revolution 1936-1939. Libertad Verlag 1984, anarchistische texte 32/33, S. XY-XY [Neuauflage als eBook unter: www.libertadverlag.de]