Von Baustopps und Blockaden

Proteste gegen Stuttgart 21 gehen weiter


 

Auch nach der Landtagswahl geht der Widerstand gegen Stuttgart 21. Jeden Montag demonstrieren um die 5.000 S21-GegnerInnen durch die Stuttgarter Innenstadt. Auf unzähligen Veranstaltungen in Stuttgart und Umgebung nehmen nehmen hunderte von Interessierten teil. Seit die Landtagswahlen vorbei sind, drängt die Bahn aufs Weiterbauen. Einen vollständigen Baustop hat es nie gegeben und deshalb blockieren Stuttgart-21-GengnerInnen weiter Baumaßnahmen.

Michael Koschitzki berichtet aus Stuttgart

Obwohl nach der Landtagswahl am 27. März ein Baustopp verkündet wurde, fanden Bauarbeiten beim Grundwassermanagement, dem Gleisvorfeld und den Bahnsteigen statt. Ausgeblieben sind neue Baustellen. Die Verlegung von 17 km aufgeständerter Rohrleitungen durch die Stuttgarter Innenstadt ist im Verzug.

Das kann auch mit den Problemen der Bahn bei den Bauarbeiten zu tun haben. Die Parkschützer schreiben in einer Pressemitteilung: „Die Bahn baut, wo sie kann. An vielen Stellen kann die Bahn jedoch nicht weiterbauen, weil Genehmigungen fehlen, Auftragnehmer das Risiko scheuen und wichtige technische Probleme ungelöst sind. Dies soll nun mit einem großzügig zugestanden „Baustopp“ vertuscht werden. “

Blockaden

Doch auch der zu erwartende Widerstand spielt bei der vorübergehenden Zurückhaltung der Bahn eine Rolle. Der Kommentator der Stuttgarter Zeitung Thomas Faltin schreibt: „Man mag sich nicht vorstellen, was hätte geschehen können, wenn die Deutsche Bahn tatsächlich in dieser Woche die Bauarbeiten an Stuttgart 21 wieder aufgenommen hätte. Womöglich wären Demonstranten und Polizei erneut aufeinander geprallt, und das kann nun wirklich niemand wollen.“

Seit dem 23. Mai gab es Blockaden der Bauarbeiten des Grundwassermanagements. Seit dem 29. Mai gibt es eine dauerhafte Blockade eines harten Kerns von Aktivisten, die sogar vor der Baustelleneinfahrt übernachten. Verstärkung erhalten die Dauerblockierer morgens ab 6.00 Uhr von 30 bis 150 Aktivisten. Am 6. Juni blockierten z.B. 150 Widerständler die Baustelleneinfahert und hielten dadurch acht Fahrzeuge von Baufirmen bis zur polizeilichen Räumung vier Stunden land. Die Stimmung auf der Blockade war sehr gut. Die Räumungsaufforderungen der Polizei ernteten den Spott der AktivistInnen: „Es herrscht doch Baustopp!“ wurde ihnen entgegengehalten. Unter den Demonstranten war auch Dietrich Wagner, der am 30. September durch einen Wasserwerfer sein Augenlicht verlor. Er wurde wie alle anderen Blockierer von der Polizei weg getragen, fotografiert und hat einen Platzverweis und eine Anzeige erteilt bekommen. Auch unter der Grün-Roten Landesregierung gehen die Polizeimaßnahmen weiter. Ein Demonstrant erlitt beim Wegtragen eine Kopfverletzung und musste vom Notarzt behandelt werden.

Montagsdemonstration

Zur Montagsdemonstration am 6. Juni kamen erneut 5000 Menschen, um gegen Stuttgart 21 und die Provokationen der Bahn zu demonstrieren. Bahnchef Grube hatte den verlängerten Baustopp an die Bedingung geknüpft, dass die Stadt Stuttgart auf 33 Millionen Euro verzichten muss. Die Bewegung gegen Stuttgart 21 lehnt das ab. Für Freitag den 10. Juni ist ein erneutes Gespräch geplant. Ab dann kann Grube die Warnung wahr machen, die Bauarbeiten gegen Stuttgart 21 hoch zu fahren.

Die TeilnehmerInnen der Montagsdemonstration akzeptierten das nicht und zogen im Anschluss an die Kundgebung in Solidarität mit den Blockierenden zur Baustelle des Grundwassermanagements. Am Tag darauf versammelten sich erneut 70 Menschen vor der Baustelleneinfahrt. Stundenlang wurden neun Baufahrzeuge und ca. 20 Beschäftigte von S-21-Baufirmen blockiert. Wieder räumte die Polizei und erstattete den Sitzblockieren Anzeigen wegen Nötigung. Für das Wegtragen müssen die Blockierer 45 bis 80 Euro bezahlen. Der gut gefüllte Rechtshilfefonds übernimmt die Härtefälle.

Organisieren

Das kommende Anfahren der Bauarbeiten markiert nach den konfliktärmeren Wochen seit der Landtagswahl den Beginn einer neuen Phase der Bewegung. Wie wird die Landesregierung mit den Provokationen der Bahn umgehen? Ist sie nach ersten Zugeständnissen beim Stresstest bereit sich mit Bahn und Baufirmen konsequent anzulegen oder lässt sie weiterhin Blockaden durch baden-württembergische Polizei räumen? Wie kann die Bewegung effektiven Widerstand organisieren?

Eines ist jedenfalls sicher: der Widerstand geht weiter. Die Bereitschaft zu Zivilem Ungehorsam und Blockaden wird weiter zunehmen, wenn die Bahn neue Bauabschnitte verwirklicht und für jeden sichtbar ist, dass die Bahn weiter Fakten schafft. Für effektive Blockaden ist eine weitere Vernetzung und effektive und demokratische Organisierung des Widerstands entscheidend.