Proteste in Irakisch-Kurdistan und in den sunnitischen und schiitischen Gebieten
Der revolutionäre Vulkan in Nahen Osten hat in dieser Woche den Irak erreicht. Die größten Proteste gab es in Irakisch-Kurdistan. Etwa 2.000 Leute marschierten zur Zentrale der herrschenden Partei, der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) in Sulaimaniyya. Zwei Demonstranten wurden getötet, als Steine werfende Jugendliche von der Polizei erschossen wurden.
von Abbas Sdiq, CWI Schweden, vom 19. Februar 2011
Die weit verbreitete Unzufriedenheit gegen Armut und Arbeitslosigkeit in der ‘friedlichen‘ kurdischen Region im Nordirak verschärfte sich nach umfangreichen Fälschungen während der Wahlen vom 25. Juli 2009. Eine neue Bewegung Goran (Bewegung für den Wandel) wurde vom ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der Patriotischen Front Kurdistans (PUK) gegründet. Die Partei gewann 25 Sitze – 24 Prozent der Stimmen*). Erstmals gibt es eine Oppositionspartei im Regionalparlament.
Die KDP und PUK haben sich im irakischen Kurdistan seit dem Bürgerkrieg gegeneinander Mitte der neunziger Jahre die Macht geteilt. Die KDP wird vom Präsidenten der Region Masoud Barzani und die PUK vom Präsidenten des Irak, Tschalal Talabani, geführt. Beide sind Verbündete des US-Imperialismus.
Jetzt haben die Revolutionen in Tunesien und Ägypten den Irak und Kurdistan erreicht. Die Demonstranten in Sulaimaniyya trugen Fotos von Mubarak und riefen: “Nieder mit Barsani – Game over – Zwanzig Jahre sind genug!“ Einige Demonstranten reckten Brote in die Höhe und drückten so ihren Ärger über die Preiserhöhungen aus. Die meisten Teilnehmer waren jung.
Die regionalen Herrscher antworteten mit brutaler Repression. Zwei Demonstranten wurden getötet, 43 mussten im Krankenhaus behandelt werden. In zwei Städten wurden die Büros von Goran von Anhängern der KDP nieder gebrannt. Angesichts einer neuen Demonstration in Sulaimaniyya am Freitag, den 18.Februar mobilisierte die KDP 3.000 bewaffnete Kämpfer, um die Bevölkerung von der Demonstration abzuschrecken, der Verkehr wurde lahm gelegt. Barzani griff die Freitags-Demonstranten als ‘Kriminelle‘ an. Am Donnerstag gab es weitere Demonstrationen im Norden, in der Hauptstadt der Autonomen Region Arbil und in Kirkuk.
Wachsende Proteste im ganzen Irak
Im übrigen Teil des Irak gibt es sowohl in den sunnitischen, wie auch in den schiitisch dominierten Gebieten wachsende Proteste. Etwa 6.000 Menschen traten der Facebook-Gruppe mit dem Namen ‘Irakische Revolution‘ bei. In Falludscha im Westen von Bagdad marschierten tausend Demonstranten unter Parolen gegen die Korruption. In der südöstlichen Stadt Kut wurden am Mittwoch drei Demonstranten während eines Protests gegen den Gouverneur getötet. Am Donnerstag gingen die Demonstrationen in Kut weiter, eintausend Menschen verlangten die Freilassung der am Vortag von der Polizei Verhafteten. Kleinere Demonstrationen gab es in Basra und Nasiriya.
Das Beispiel der ägyptischen Revolution hat den Massen einen Weg vorwärts gezeigt. Im Irak zeigt es eine Möglichkeit, die durch Religionen, Ethnien und Clans verursachten Spaltungen und Konflikte zu überwinden. Die irakische Regierung fürchtet Massenproteste. Sie versucht die Bevölkerungen durch die Drohung einzuschüchtern, Straßendemonstrationen könnten durch terroristische Bombenattentate angegriffen werden.
Die Proteste zeigen, dass die Kurden weit davon entfernt sind, treue Unterstützer von Barsani und Talabani zu sein, so wie sunnitische und schiitische Politiker nicht die Klasseninteressen der irakischen Massen vertreten. In Kurdistan und im Irak muss sich eine vereinigte Arbeiter- und Jugendbewegung bilden, die in Opposition zu den nationalistischen, religiös-sektiererischen und prokapitalistischen Politikern und den imperialistischen Besatzern steht. Das ist der einzige Weg, den Prozess der Veränderung der Gesellschaft zu beginnen und die sektiererischen Konflikte, Armut und Arbeitslosigkeit zu beenden. Diese Massenproteste sind erste Schritte auf dem Weg zur Bildung der Einheit und der Schaffung von Massenorganisationen der Arbeiter und der Armen.