100.000 Menschen umzingeln das Regierungsviertel

Proteste gegen Laufzeitverlängerung


 

In Berlin protestierten 100.000 TeilnehmerInnen aus dem gesamten Bundesgebiet gegen Atomenergie und die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, die die Regierungskoalition am 5. September beschloss.

von René Kiesel, Berlin

Die Saat der Herrschenden trägt langsam Früchte. Doch diese dürften den Regierungs- und Sparpaketparteien FDP und CDU/CSU schwer bekömmlich sein.

Ob Stuttgart 21, gegen das am Samstag ebenfalls in der badenwürttembergischen Landeshauptstadt 55.000 Menschen demonstrierten oder die Laufzeitverlängerung der AKWs bis 2030, die den Energiekonzerne Zusatzgewinne von 50 Milliarden Euro garantiert. Eine Politik der Regierung, die so offensichtlich gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung gerichtet ist und auf ihrem Rücken ausgetragen wird, ruft Reaktionen hervor.

Rund 100.000 Menschen versammelten sich um 13 Uhr auf dem Washingtonplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof zu einer eindrucksvollen Massenkundgebung. Im Anschluss formierten sich zwei Demonstationszüge, die das nahe gelegene Regierungsviertel von Süden und Norden umschlossen.

Im Anschluss strömten die Menschen wieder auf den Platz, um von 16 bis 19 Uhr an der Abschlusskundgebung mit Kulturprogramm und Live-Bands teilzunehmen.

Es war geplant, den Auftakt auf der Reichstagswiese zu veranstalten, doch dieser Veranstaltungsort wurde nicht genehmigt, was zu einigen logistischen Schwierigkeiten führte, da die Demonstrationszüge über eine schmale Brücke zum Regierungsviertel laufen mussten.

Aus verschiedenen Großstädten Deutschlands wurden 3 Sonderzüge eingesetzt, um die DemonstrantInnen nach Berlin zu bringen. Von diesen fuhr jedoch einer dank der Deutschen Bahn um eine Stunde verfrüht ab, sodass vielen Leuten die Gelegenheit genommen wurde, nach Berlin zu kommen.

Gemeinsam gegen Atomkraft mit SPD und Grünen?

Die Protestveranstaltung wurde vom Bündnis .ausgestrahlt – gemeinsam gegen Atomenergie, BUND und Gewerkschaften organisiert. Auf der Kundgebung war ein buntes Fahnenmeer der verschiedensten Organisationen und Parteien zu sehen.

Auch SPD und Grüne versuchen, sich über das Thema Atomenergie zu profilieren und nahmen zahlreich mit ihren Mitgliedern teil, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel waren ebenfalls anwesend.

In den letzten Jahren haben wir ein erneutes Aufleben der Anti-Atom-Bewegung gesehen mit immer größeren Teilnahmen an Protesten und Demonstrationen. Niemand darf sich davon täuschen lassen, dass dies auch eine Reaktion auf die atomlobbyfreundliche Politik der letzten Regierungen, ob schwarz/rot oder rot/grün gewesen ist. Wenn Parteien wie SPD und Grüne sich verbal auf die Seite der GegnerInnen von Atomkraft stellen, gleichzeitig aber den „Ausstieg aus dem Ausstieg“ vorangetrieben haben und die uns durch die Agenda 2010 und Hartz I-IV noch lebhaft im Gedächtnis sind, ist die Doppelmoral dieser politischen Parteien offensichtlich.

Eine atomkritische Bewegung sollte es nicht dabei belassen, bürgerlichen PolitikerInnen eine Plattform für Stimmfang zu geben. Die Politik in Sinne der Atomkonzerne ist nicht allein darauf beschränkt, es ist auch eine Politik der Banken, der Pharmaindustrie, der Autoindustrie und nicht eine der Mehrheit der Bevölkerung.

Gerade die Gewerkschaften und DIE LINKE sollten eine weitergehende Kritik am Kapitalismus als Ursache für Profitgier und Umweltzerstörung offen darstellen, um eine Alternative zu Sozialabbauparteien SPD,Grüne,CDU/CSU und FDP darzustellen und ihr Mobilisierungspotential zu nutzen.