Mit der Diskussion um die Vereinigung von DVU und NPD wurde der Startschuss für die Neustrukturierung auf der Rechten abgefeuert
So manche Antwort in der Politik scheint allzu einfach zu sein, und so ist man auch im Angesicht der aktuellen Geschehnisse auf der Rechten versucht, einfach zu urteilen: Wer sich vereint wird stärker. Der treibende Gedanke des Zusammenschlusses von NPD und DVU ist das Streben nach Einheit und Kraft. Doch einfache Arithmetik ist in der Politik nicht immer eine erschöpfende Erklärung.
von Steve Kühne
Nach dem weitgehenden Scheitern des Deutschlandpakts, der konkurrierende Antritte von NPD und DVU verhindern sollte, und der innerhalb der Rechten wenig erfreulich aufgenommenen Dominanz der NPD in lokalen Wahlbündnissen kommt die Idee der Vereinigung der beiden größten rechten Parteien scheinbar überraschend.
DVU – die rechten Biedermänner
Sucht man rechten Klimbim, dann ist man bei der DVU an der richtigen Stelle. Zwar versucht die Deutsche Volksunion seit dem Ende der Ära Frey 2009 den Ruf des nationalistischen Souvenirstandes loszuwerden, doch wenn man in das DVU-Presseorgan, die „National-Zeitung“, sieht, fällt es schwer die Partei für etwas mehr als einen braunen Tante-Emma-Laden zu halten. Unter dem Link „Buchdienst“ gibt es da von Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich selbst ab“ über den unverzichtbaren Bestseller der Jugendrichterin Kirsten Heisig (Selbstmord 2010) „Das Ende der Geduld“ bis hin zu Johannes Rogalla von Biebersteins „Jüdischer Bolschewismus – Mythos und Realität“ einfach jeden rechtskonservativen, nationalistischen und offen neofaschistischen Dreck, den man irgendwie auf Papier pressen konnte. Wer des Lesens nicht mächtig sein sollte, dem bleiben DVDs, CDs, Fahnen, Wimpel und einfach jeder nur erdenkliche Mist für den braunen Haushalt.
Der windige, 250 Millionen schwere Geschäftsmann Frey machte seine „Partei“ systematisch zu Geld. Dafür waren weder er noch die DVU in der Rechten gern gesehen, riefen nicht selten Spott und Wut hervor.
Klar auch, dass der Vorzeige-Unternehmer Frey mit einer auch nur dem Wort nach kapitalfreundlichen Partei nichts anzufangen wusste und die DVU daher auf das freie Unternehmertum und das selbiges schützende Grundgesetz verpflichtete. Bis heute fordert die DVU in ihrem Programm den freien Wettbewerb und die Intervention des Staates zu Gunsten von Großunternehmen.
Die DVU sprach sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die Schaffung eines „nationalen Sozialismus“ aus, um sich von der NPD abzugrenzen. Dabei hat die DVU selbstredend weniger Angst vor dem Adjektiv als mehr vor dem ach so bösen Substantiv, welches bei ihr einen ähnlichen Reflex hervorruft wie das Weihwasser beim Teufel.
NPD – die rechte Kaderpartei
Nicht anders geht es bei diesem Substantiv den Nazis von der NPD, sie tarnen das nur besser und stellen sich gern als die „Antikapitalisten“ von rechts dar. Der NPD geht es vorrangig darum eine festgefügte Kaderorganisation aufzubauen. Sie steht erklärtermaßen in der Tradition der NSDAP, will die Gewerkschaften und die Arbeiterbewegung zerschlagen und nutzt pseudo-sozialistische Phrasen, um ArbeiterInnen und frustrierte Kleinbürger an sich zu binden. Vom freien Unternehmertum will sie die Menschheit keineswegs befreien – was sie aber in ihrer Propaganda nicht davon abhält, vom „Großkapital“ zu sprechen und sich als „sozialistisch“ zu bezeichnen. Das Konzept der pseudo-sozialistischen Propaganda und dennoch klar pro-kapitalistischen Politik sollte man einigen Funktionären der NPD allerdings noch mal genau erklären: Denen in Wurzen zum Beispiel, die 2004 den Sparplänen der CDU zur Mehrheit verhalfen, und denen im sächsischen Landtag, die es bis heute an „sozialen“ Anträgen mangeln lassen.
Die NPD hält Kontakt mit rechten Schlägern der freien Kameradschaften und autonomen Nationalisten und wird nicht zuletzt von denen immer wieder als „reformistisch“ bezeichnet. Sie erwarten sich von der NPD ein härteres, ein radikaleres Vorgehen. Dies spielt auch in der Debatte um die Vereinigung von NPD und DVU eine gewichtige Rolle.
Die NPD und die Vereinigung
Gründe, eine Vereinigung von NPD und DVU anzustreben, gibt es viele. Allerdings widersprechen sie einander und widerspiegeln in ihrem Wirrwarr den programmatischen Bankrott der NPD. Die NPD konnte sich nie entscheiden, was sie sein will: politischer Arm der Nazi-Schläger oder die netten Nazis von nebenan. Wie so oft steckten hinter der Debatte nicht ach so „edle“ nationalistische Prinzipien, sondern handfeste materialistische Erwägungen. Der NPD – ihren Kadern und der Gesamtpartei – geht es vorrangig ums Geld! Zahlreiche NPD-Kader sind bereits an den bürgerlichen Staat gefesselt – was bei bürgerlichen PolitikerInnen ja auch nicht überrascht. Die WählerInnen durch allzu rabiate Anhänger zu verschrecken, käme da sehr ungelegen. Hilft doch das vom Staat gezahlte Salär, die ganz persönliche soziale Frage zu lösen. Was für den Kader gilt, gilt auch für die Partei: Den Verlust der staatlichen Geldquellen (Wahlkampfkostenerstattung, Diäten, Fraktionsgelder) will sich die NPD nicht leisten, ergo darf man die WählerInnen nicht durch zu forsches Vorgehen verunsichern, also muss man dem prügelfreudigen Anhang die Grenzen zeigen.
Der rechte Rand der NPD will mehr: Er will das System revolutionär „überwinden“. Dass diese kapitalfreundlichen Prügelfreunde keineswegs eine Revolution im Sinn haben, weil sie erklärtermaßen das Privateigentum an Produktionsmitteln nicht abzuschaffen gedenken und somit auch das kapitalistische System nicht überwinden werden, ist ihnen unter Umständen noch nicht einmal selbst klar. Dass somit auch Not, Elend und Kriege bestehen bleiben – nur dann unter einer nationalistisch-kapitalistischen Regierung – ist die logische Folge.
Dennoch schlagen sich die NPD-„Reformisten“ und NPD-„Revolutionäre“ gerade verbal die Köpfe ein. Es ist indes mehr als bloße Spiegelfechterei, die sich da abspielt; es geht um die Fragen: Wie deutlich sagen wir schon heute, dass wir keineswegs nationale „Sozialisten“, sondern einfach nationale Helfershelfer der Banken und Konzerne sind? Wie gewalttätig greifen wir die Arbeiterbewegung schon jetzt an? Und es ist eine Debatte, die vorrangig das Ziel hat die Frage zu beantworten, welche Art der Rechtspartei das deutsche Kapital in Zeiten der weltweiten Wirtschaftsflaute und der zu erwartenden Kollisionen zwischen den Klassen benötigt: Eine Partei, die den direkten, gewaltsamen Angriff auf die Arbeiterbewegung organisiert und durchführt bzw. sich wenigstens dafür bereit hält, oder eine Partei, die die ArbeiterInnen und vom Kapitalismus ins Elend Gestürzten durch falsche Versprechungen an sich bindet, um ihnen den Weg zu sozialistischen Ideen zu verstellen.
Da bislang noch nicht abzusehen ist, für welches Instrument sich die Unternehmer entscheiden werden, ist die NPD innerlich zerstritten und geht so auch in den Vereinigungsprozess. Udo Pastörs, Vorsitzender der NPD-Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern, erklärte gegenüber den Tagesthemen ganz offen, dass die NPD die Rahmenbedingungen der Vereinigung und den Namen der neuen Partei bestimmen werde. Nicht zuletzt die freien Kameradschaften sollen durch derlei Äußerungen bei der Stange gehalten werden. Diese sind über die Aussicht auf einen Zusammenschluss mit dem rechten Fan-Shop DVU wenig erfreut, ebenso wenig über die Aussagen zahlreicher DVU-Funktionäre, die erklärten, „nationaler Sozialismus“ sei mit ihrer Partei nicht zu machen. Solche Statements gefährden die Strategie der Nazis, sich als soziale Kraft darzustellen.
Indes fordern radikale Kräfte in der NPD den Eintritt von DVU-Mitgliedern in die NPD, worin sie eine Alternative zur Vereinigung erblicken.
Der Parteivorsitzende Udo Voigt und Holger Apfel, der Vorsitzende der sächsischen Landtagsfraktion der NPD, wollen die Verschmelzung. Voigt vergleicht diese gar mit der Vereinigung von WASG und Linkspartei.PDS zur Partei DIE LINKE.
Insgesamt scheint es zurzeit vier Strömungen innerhalb der NPD zu geben: Erstens die militanten Kräfte, die eine Vereinigung mit einer „im System angekommenen DVU“ kategorisch ablehnen; zweitens diejenigen NPD"ler, die – nach Geld und Abgeordnetenmandaten schielend – die Vereinigung zu einer großen Partei wollen und so auch hoffen, finanzielle Schwierigkeiten zu überwinden; drittens eine Fraktion, die den Plänen mit Gleichgültigkeit gegenübersteht. Schließlich ist da viertens der Teil der NPD, der die Vereinigung taktisch angeht, sie eventuell sogar platzen lassen wird, um die Schuld daran der DVU in die Schuhe zu schieben, nach dem Motto: „Seht, die verraten die Vereinigung der Rechten, das sind die Verräter, also liebes DVU-Mitglied, reih" Dich besser in die NPD ein.“
Mitgliederbefragung in der NPD
Ein deutliches Bild malt auch die Mitgliederbefragung der NPD. Es war die erste, die diese Partei je durchführte, und sie hatte wie in allen anderen bürgerlichen Parteien vor allem die Aufgabe, den Mitgliedern vorzuspielen sie seien an den Entscheidungen der Führung beteiligt. Andererseits sollte diese Aktion scheinbar auch wirklich dazu beitragen, die Basis der NPD für den Vereinigungsprozess zu gewinnen. Ein Vorhaben, das nicht glückte – nur 2000 von 7000 Mitgliedern beteiligten sich.
Allein die gestellten Fragen zeigen den Zustand der rechten Parteibonzokratie. Im Grunde hält diese sich alles offen: „Halten Sie eine Vereinigung von NPD und DVU für sinnvoll, sofern der NPD daraus keine neuen Schulden entstehen?“ Nach Angaben der NPD beantworteten 92,47 % dies mit Ja. Bemerkenswert ist vor allem der Verweis auf das Risiko weiterer Schulden. Denn trotz der staatlichen Finanzierung ist es der NPD gelungen, in ungeahnte Geldprobleme zu geraten. Die Vereinigung in dieser Weise de facto vom Geld abhängig zu machen ermöglicht den jederzeitigen Rückzug aus dem Projekt.
Dass auch die Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligten, in der Vereinigung weniger einen Zusammenschluss als eine Blutspende durch die DVU sehen, zeigt die Frage nach dem zukünftigen Parteinamen. Nur etwa ein Viertel der Abstimmenden hielten einen neuen Namen nach der Union für nötig; mehr als 60 Prozent wollten einfach die drei Buchstaben NPD beibehalten.
Die DVU und die Vereinigung
Noch mehr als die NPD bietet zurzeit die DVU ein Bild des Chaos. Der Vorsitzende Matthias Faust, der gemeinsam mit Udo Voigt auf dem NPD-Parteitag im Juni die Verschmelzung beider Parteien verkündete, wurde kurzerhand für abgesetzt und aus der Partei ausgeschlossen erklärt. Bevor er sich Anfang August mit Voigt traf, um Einzelheiten der Vereinigung abzustimmen, klagte er sich wieder ins Amt.
Zahlreiche seiner Gefolgsmänner und –frauen lehnen offen die Schaffung einer Organisation im Stile der NSDAP ab. Zwar gaben auch in der DVU mehr als 90 Prozent der an der Abstimmung Teilnehmenden ihre Stimme für die Vereinigung ab – aber nicht mal ein Viertel der Mitglieder beteiligte sich überhaupt. Zeitgleich zerfallen ganze DVU-Landesverbände wie beispielsweise der Bremer. Die Strukturen der NPD sind stark, die der DVU schwach. Viele DVU-Funktionäre und –Mitglieder sind daher besorgt. Der Schock über das Verhalten der NPD in einer ganzen Reihe von Wahlbündnissen wie dem Nationalen Bündnis Dresden steckt ihnen noch in den Knochen: Dort hatte die NPD alles versucht, um zur rechten Führungsmacht zu werden, und dabei ganze Stadtverbände von Republikanern und der DVU aufgesogen. Gerade die schlechten Strukturen der DVU drohen unter dem Vereinigungsdruck gänzlich zu zerbröseln.
Auf dem Weg zu einer populistischen Rechtspartei?
Die Befragung der Mitglieder beider Parteien zeigt auch, dass viele Mitglieder der Verschmelzung wenigstens skeptisch gegenüberstehen. In beiden Parteien hat der überwiegende Anteil der Mitglieder den Fragebogen nicht ausgefüllt und nicht zurückgesandt. Gerade in der NPD attackieren zahlreiche „Kameraden“ die Vereinigung von rechts, was eine tiefgreifende Umstrukturierung der Rechten wahrscheinlich macht.
An einer Vereinigung von NPD und DVU würden wahrscheinlich nur bestimmte Teile der Parteien teilnehmen. Gerade innerhalb der NPD scheint im Moment genug Potential vorhanden, um eine größere militante Kraft zu formen, die nicht mit in die neue Partei eintreten wird.
Bislang wird viel über den neuen Namen der Partei gesprochen und kaum über das Programm. Logisch – denn die Außenwirkung einer verschmolzenen Partei hinge nicht zuletzt von diesem ab. Entscheidend wird dann die Frage sein, ob es der neuen NPDVU gelingt, rechtskonservative CDU/CSU-Mitglieder anzuziehen. Dies ist aufgrund der Vergangenheit sowohl der NPD als auch der DVU eher unwahrscheinlich. Doch die Sarrazin-Debatte macht deutlich, dass es ein Potential für eine solche rechtspopulistische Kraft gibt.
Bis eine solche entsteht, kann es aber der neuen Partei aus NPD und DVU gelingen, vor allem in Wahlkampagnen das vorhandene Potential zu nutzen. Dies wäre umso gefährlicher, als an ihren Rändern klar nationalsozialistische Kräfte gestärkt würden.
Ob sich dieses wahrscheinliche Szenario wirklich realisiert, hängt aber nur teilweise von der Rechten ab. Wenn die Partei DIE LINKE es nicht versteht, sich als konsequent sozialistische Kraft zu etablieren und Kämpfe im Betrieb und auf der Straße zu initiieren, dann hinterlässt sie ein Vakuum, das eine rechteKraft propagandistisch schließen könnte. Das zu verhindern liegt in der Verantwortung der Partei DIE LINKE.