Widerstand gegen Sparpakete in Europa

Ein Sturm zieht auf über Europa.


 

Nach Rezession und Rettungspaketen droht nun eine gigantische Kürzungswelle über die Bevölkerung hereinzubrechen. Die Entwicklung in Griechenland, wo es in diesem Jahr schon zu sechs Generalstreiks kam, ist in den Augen der Herrschenden ein „Stresstest“ dafür, wie die Arbeiterklasse auf den Kahlschlag reagiert. Auch in anderen Ländern bahnen sich soziale Explosionen an.

„Wir sind nicht Griechenland!” beteuerten die Regierungsvertreter verschiedener Länder Europas, während sie zusehen mussten, wie auch Portugal und Spanien abrutschten.

Am 26. August titelte nun die FAZ: „Die Schuldenkrise in Irland spitzt sich zu.“ Die Ratingagentur Standard & Poor‘s schätzt inzwischen, dass der irische Staat 90 Milliarden Euro – rund die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung – aufbringen muss, um die angeschlagenen Banken rauszuboxen. Dabei beträgt das Haushaltsdefizit bereits elf Prozent des Sozialprodukts.

Staatsschuldenkrise

Mit enormen Defiziten belastet, droht auch anderen Regierungen in Europa das dünne Eis unter den Füßen einzubrechen. Zusätzlichen Druck üben die Europäische Union (EU) und der Internationale Währungsfonds (IWF) aus. Hinzu kommen Ratingagenturen und Spekulanten, die bereits den griechischen Staat tiefer in den Ruin getrieben haben.

Jahrelange neoliberale Politik, Weltwirtschaftskrise und Bankenrettungspakete führten in der Euro-Zone zu einer durchschnittlichen Staatsverschuldung von fast 90 Prozent (der Maastricht-Vertrag hatte 60 Prozent als Obergrenze festgelegt). Der G-20-Gipfel in Toronto im Frühsommer markierte für die meisten kapitalistischen Staaten, nicht zuletzt der EU, eine Kehrtwende – weg von Konjunkturprogrammen hin zu einer Kürzungsorgie.

Damit werden jedoch Infrastrukturprogramme beendet, die Kaufkraft der Masse der Bevölkerung noch weiter eingeschränkt und somit die Krise international vertieft. Griechenland steckt weiter in der Rezession (im ersten Halbjahr 2010 schrumpfte die Industrieproduktion um sechs Prozent), die Ökonomien Spaniens, Portugals oder Italiens stagnieren. Irlands Arbeitslosenquote liegt offiziell bei 14 Prozent! Der schwache Aufschwung, den es in Deutschland und einigen anderen EU-Ländern gibt, läuft Gefahr, dadurch zerdrückt zu werden (zumal die Hälfte aller deutschen Exporte in EU-Länder gehen). Da parallel zu diesem Prozess auch die US-Ökonomie mit ihren nunmehr 30 Millionen Erwerbslosen taumelt und Chinas Wirtschaft wegen enormer Überkapazitäten und Spekulationsblasen zu „überhitzen“ droht, wird ein zweiter tiefer Abschwung, ein „Double Dip“, immer wahrscheinlicher.

Wut und Gegenwehr

Die sogenannten „Sparpakete”, neoliberale Angriffe auf allen Ebenen, wecken in vielen europäischen Ländern eine massive Wut. Die Bildung soll weiter geschleift, das Rentensystem demontiert und die Plünderung des Gesundheitswesens fortgesetzt werden. In den meisten EU-Ländern in einem nie dagewesenen Ausmaß.

Der Stand der Entwicklungen in den einzelnen europäischen Ländern ist – bei vielen Gemeinsamkeiten – noch recht unterschiedlich. Die unterschiedlichen Protestbewegungen können sich jedoch gegenseitig beeinflussen. So könnten die Kämpfe, die vor allem in Südeuropa (vereinzelt auch in Osteuropa) toben, auch ArbeiterInnen in Deutschland und anderswo ermutigen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich das Tempo der Ereignisse insgesamt erhöht und sich die Proteste gegenseitig hochschaukeln.

Das wissen auch die Herrschenden – und setzen vermehrt auf Spaltung. Es ist kein Zufall, dass Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ausgerechnet am 7. September, am Tag der nächsten gewerkschaftlichen Proteste, eine neue gegen MigrantInnen gerichtete Gesetzesvorlage im Parlament behandeln will. In Ländern wie Griechenland oder Spanien wird von bürgerlichen Politikern und Medien über die „ausländischen Spekulanten“ geschimpft, um von der Verantwortung der Konzernchefs abzulenken. Im hoch verschuldeten Ungarn punktet die rechtsgerichtete Regierung Viktor Orbans gerade in der Bevölkerung, weil sie sich mit EU und IWF anlegt. Eine Bankensteuer, die vor allem ausländische Finanzhäuser trifft, soll 700 Millionen Euro pro Jahr einbringen. Gleichzeitig bringt Orban eine „flat tax“ (eine Einheitssteuer, eine einstufige Einkommenssteuer von 16 Prozent für alle – egal, ob Hilfsarbeiter oder Vorstandschef) auf den Weg und baut auf Chauvinismus und Nationalismus.

Wenn in der Arbeiterbewegung keine grundlegende Alternative zu Krise und Kahlschlag aufgezeigt wird, dann kann nationalistische Hetze auch verfangen. Um so mehr stehen Gewerkschaften und linke Parteien in der Pflicht, gemeinsamen grenzübergreifenden Widerstand zu organisieren. Der europaweite Aktionstag des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) am 29. September bietet die Chance, Kämpfe international zusammenzubringen. Zumal in Spanien und Griechenland Generalstreiks anstehen. Anderswo sind dezentrale Aktionen und landesweite Kundgebungen angekündigt. Außerdem findet in Brüssel eine internationale Demonstration statt. Einen solchen Aktionstag hätte es ohne den Druck von unten so sicher nicht gegeben. Dieser Tag darf nun nicht zum einmaligen „Dampf ablassen“ missbraucht werden. Das Committee for a Workers‘ International (CWI), dem auch die SAV angehört, tritt dafür ein, den Widerstand in jedem Land weiter aufzubauen. In Großbritannien und Deutschland wären zum Beispiel zentrale Massendemonstrationen ein wichtiger Schritt für Beschäftigte, die eigene Stärke zu spüren – das würde auch die Voraussetzungen für eine breitere Streikbewegung verbessern. Durch die Stärkung innergewerkschaftlicher Opposition und kämpferische Gruppen in den Betrieben könnte der Druck auf die Gewerkschaftsoberen verstärkt werden. Das CWI tritt dafür ein, dass es auch über den 29. September hinaus international koordinierte Aktionen gibt und über die Vorbereitung von Arbeitsniederlegungen in weiteren Ländern auf einen europaweiten 24-stündigen Generalstreik, organisiert durch die Gewerkschaften, hingearbeitet wird.

Italien

Schenkt man dem Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, dem reichstem Mann des Landes, und seinen Medien Glauben, so läuft in der italienischen Wirtschaft alles wunderbar. Das Land steht angeblich „besser da als die anderen”, wie es der Schatzmeister seiner Regierung ausdrückte. Entgegen dem verordneten Optimismus sitzt Italien allerdings auf einem riesengroßen Schuldenberg (beinahe 120 Prozent des Sozialprodukts).

Dazu kommt die enorme Instabilität der Regierung. Die herrschende Partei „Volk der Freiheit” (PdL) steht vor einer Spaltung, da PdL-Mitglied und Parlamentspräsident Gianfranco Fini (von der früheren Mussolini-Partei) und seine Anhänger systematisch gegen Berlusconi Opposition machen. Die Popularität des Ministerpräsidenten ist rapide eingebrochen, erst recht nachdem er im Juli ein 25 Milliarden Euro schweres Kürzungsprogramm durch das Parlament geboxt hat. Allein die Regionen und Kommunen sind angewiesen, 8,5 Milliarden Euro zu kürzen (was zum Beispiel in einem Ort bei Venedig dazu geführt hat, dass am Strand Gebühren für Ballspielen oder das Bauen von Sandburgen erhoben wurden).

Aber auch in Italien regt sich Widerstand. Bereits am 25. Juni gab es einen vierstündigen italienweiten Streik von einer Million Beschäftigten, zu dem die CGIL als größte Gewerkschaft des Landes aufrief. Die beiden anderen großen Gewerkschaften, CISL und UIL, beteiligten sich nicht daran. Eine klare Haltung gegenüber den Sozialkürzungen hat die Führung der CGIL allerdings auch nicht. So erklärte die stellvertretende CGIL-Vorsitzende Susanna Camusso am Streiktag gegenüber der Presse: „Niemand bestreitet, dass wir sparen müssen. Aber die Kürzungen müssen fair und auf die Zukunft gerichtet sein.” Aus diesem Grund war die CGIL-Spitze auch nicht bereit, ihr großes Mobilisierungspotenzial auszuschöpfen (insgesamt hat die CGIL fünf Millionen Mitglieder). Trotzdem kam es im Juli zu einem nationalen Streiktag.

In diesem Sommer hatte auch der Kampf der FIAT-Beschäftigten in Pomigliano d’Arco bei Neapel zentrale Bedeutung. Die FIOM (in der sich auch die MarxistInnen von Controcorrente stark engagieren), eine linkere oppositionellere Metallergewerkschaft in der CGIL, führt dort einen erbitterten Kampf gegen die Geschäftsleitung – nachdem diese beispiellose Angriffe auf das Streikrecht, das Krankengeld und die Arbeitszeit angekündigt hatte. Während die Führer der Gewerkschaften CISL und UIL schließlich ein mieses Abkommen unterzeichneten, verstärkt die kämpferische Haltung der FIOM bei einem Teil der Arbeiterklasse den Wunsch nach einer neue politischen Kraft, die anders als die angepasste Rifondazione Comunista eine konsequente Interessenvertretung der Beschäftigten darstellt. Der Vorsitzende der FIOM ist dafür bereits öffentlich eingetreten.

Für den 29. September, dem EGB-Aktionstag, ruft CGIL zu einer landesweiten Demonstration auf. Zudem soll im September die verhasste neoliberale Gelmini-Agenda umgesetzt werden, wodurch die bestehende Schul- und Hochschullandschaft komplett umgekrempelt werden soll. Dies wird wahrscheinlich eine erneute Protestwelle von SchülerInnen, Studierenden und LehrerInnen provozieren. Für den 16. Oktober bereitet die FIOM einen italienweiten Aktionstag vor.

Großbritannien

Die neue konservativ-liberale Regierung unter David Cameron – deren Kabinett hauptsächlich aus Millionären besteht – hat alle Minister angewiesen, in ihren Ressorts 25 bis 40 Prozent des Budgets einzusparen! Es wird geschätzt, dass diesem Vorhaben 750.000 Stellen im öffentlichen sowie 600.000 im privaten Bereich zum Opfer fallen würden.

Der Öffentliche Dienst soll sturmreif geschossen werden. Seit 1922 gab es in Großbritannien keine Kürzungen, die ein solches Ausmaß hatten. Der Sozialkahlschlag unter Sir Eric Campbell-Geddes führte 1926 zu dem ersten (und leider bisher einzigen) Generalstreik in der britischen Geschichte, der damals immerhin neun Tage dauerte.

Bisher weigert sich die Führung des Gewerkschaftsdachverbands TUC, landesweite Demos gegen die Regierung zu organisieren. Notwendig ist auch hier Druck von unten. In vielen Orten haben sich auf Initiative der Schwesterorganisation der SAV, der Socialist Party, örtliche Bündnisse gegen die Kürzungen gebildet. Gewerkschaften mit einer linken Führung wie die PCS drängen bereits auf eine landesweite Demonstration am 23. Oktober – dem Samstag nach Ankündigung weiterer Kürzungspläne der Downing Street – als ersten Schritt hin zu einem Generalstreik im Öffentlichen Dienst. Das britische Vertrauensleute-Netzwerk – das 2007 initiiert wurde und kämpferische AktivistInnen verschiedener Gewerkschaften zusammenbringt – unterstützt bereits die Idee dieser Demonstration. Am 20. Oktober, dem Tag, an dem Cameron weitere Pläne für Sparmaßnahmen im Bildungsbereich verkünden will, soll es zusätzlich Proteste von jungen Beschäftigten, SchülerInnen und Studierenden geben.

Frankreich

In diesem Jahr erlebte das neben der Bundesrepublik dominante Land der EU zwei große Streiks gegen die Rentenreform von Präsident Nicolas Sarkozy. So gingen am 24. Juni über zwei Millionen ArbeiterInnen in 200 Orten auf die Straße. Das Renteneintrittsalter soll von 60 auf 62 Jahre heraufgesetzt werden. Außerdem sollen die Beschäftigten zukünftig mindestens 41 Beitragsjahre ableisten, um Anspruch auf die volle staatliche Rente zu erhalten. Laut Umfragen sind 68 Prozent der Bevölkerung dagegen. Schon vor 15 Jahren wagten sich die Herrschenden mit ähnlichen Rentenplänen aus der Deckung – mussten aber nach drei Streikwochen im Öffentlichen Dienst einknicken.

Die Kampfbereitschaft ist so offensichtlich, dass den Regierenden das Wort „Sparen“ nicht über die Lippen kommen will. Noch im Mai sagte Premier Francois Fillon, dass es „niemals Sparpläne geben wird“. Doch der Regierung schwebt vor, bis 2013 ein Kürzungspaket von 100 Milliarden Euro zu schnüren.

Sarkozy und sein Kabinett stehen derzeit im Kreuzfeuer der Kritik, weil sie große Summen illegaler Spenden von Frankreichs reichster Frau, der L‘Oreal-Erbin Liliane Bettincourt, entgegengenommen haben sollen. Um von diesem Dilemma abzulenken und die Protestbewegung zu spalten, hat Staatschef Sarkozy einen „Krieg gegen kriminelle MigrantInnen“ ausgerufen und hetzt gegen Roma-Angehörige (die Hälfte der 300 Roma-Siedlungen soll in den nächsten drei Monaten abgerissen werden) und migrantische Jugendliche in den Vorstädten.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts BVA findet die Mehrheit der Bevölkerung, dass der Widerstand gegen die Regierung auf eine höhere Ebene gehoben werden muss. 67 Prozent der Befragten meinen, dass ein Generalstreik gegen die Rentenreform notwendig ist. Auch linke Gewerkschaftsgliederungen, wie die CGT Goodyear, fordern einen Generalstreik.

Bereits am 7. September soll eine landesweiter Aktionstag mit Streiks und Demonstrationen stattfinden. Wichtig ist auch, dass die französische Arbeiterklasse an ihre hervorragenden Traditionen der Selbstorganisation anknüpft, demokratisch legitimierte Protestkomitees bildet und gemeinsame Streiks von Beschäftigten des öffentlichen und privaten Sektors sowie der Jugend stattfinden. Um so dringender, in diesem „traditionell antikapitalistischen Land“ (The Guardian) eine unter den Lohnabhängigen gut verankerte Partei aufzubauen, die mit einem klaren sozialistischen Programm in die Bewegung interveniert! Leider hat die Neue Antikapitalistische Partei (NPA), in der Gauche Révolutionnaire (CWI) für eine kämpferische Ausrichtung eintritt, bisher keine besonders führende Rolle in der Bewegung gespielt.

Spanien

Die Arbeitslosigkeit in Spanien ist doppelt so hoch wie der europäische Durchschnitt, bei Jugendlichen bis 25 Jahren liegt die Arbeitslosenquote bei 44 Prozent. Durch die Krise ist die Zahl der Erwerbslosen rasant angestiegen – auf über vier Millionen. Gleichzeitig hat die „sozialistische“ Regierung Zapateros massiven Sozialabbau angekündigt. So soll die Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld auf 33 Tage pro Beschäftigungsjahr herunter zu setzen. Geht es nach dem Willen der PSOE-Regierung, sollen außerdem die Löhne im Öffentlichen Dienst um fünf Prozent gesenkt werden.

Bereits Anfang des Jahres hatte Zapatero versucht, die Erhöhung des Renteneintrittsalters durch das Parlament zu peitschen. Die Gewerkschaften sahen sich gezwungen, landesweite Großdemonstrationen dagegen zu organisieren. Die spanische Regierung musste schließlich einlenken!

Um es der zu erwartenden Mobilisierung gegen das „Sparpaket“ schwerer zu machen, wurde seine Ankündigung auf den Juli gelegt, den Beginn der Ferienzeit. Bereits im Vorfeld gab es am 8. Juni einen Streik im Öffentlichen Dienst mit zwei Millionen Beteiligten. Am 29. Juni fand im Baskenland ein Generalstreik statt. Für den 29. September ist nun ein landesweiter Generalstreik angekündigt. Die spanischen CWI-Mitglieder von La Chispa plädieren für einen „aktiven“ Streik, der durch Versammlungen – wie es sie vor dem Streiktag im Baskenland gegeben hat – am Arbeitsplatz, in Stadtteilen, Schulen und Universitäten vorbereitet wird.

Eine wichtige Rolle beim Aufbau der Bewegung könnte die Vereinigte Linke (VL) spielen, ein Parteienbündnis linker Organisationen (in der die Kommunistische Partei viel Gewicht hat). Bereits bei den Protesten im Frühjahr ist die Vereinigte Linke richtigerweise für einen spanienweiten Generalstreik gegen die Rentenpläne eingetreten. Die Partei ist – nach einer politischen Anpassung an die PSOE und Rückschlägen auf der Wahlebene – dabei, sich neu auszurichten, bringt sich momentan stärker in die Bewegung ein und führt Veranstaltungen zum kommenden Generalstreik durch. Dadurch erfährt sie gerade eine Wiederbelebung. CWI-Mitglieder machen sich in der VL für einen kämpferischen, sozialistischen Kurs stark.

Griechenland

Griechenland ist zweifelsohne das Epizentrum von Krise und Klassenkämpfen in Europa. Nicht genug damit, dass die griechische PASOK-Regierung in diesem Jahr bereits durch sechs Generalstreiks erschüttert wurde. In den letzten Monaten waren fast jeden Tag vereinzelte Streiks und Proteste in Athen und andere Städten zu beobachten.

Die Kürzungen, die der sozialdemokratische Regierungschef Giorgios Papandreou durchdrücken will, beinhalten unter anderem eine Senkung der staatlichen Renten um 30 bis 50 Prozent und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19 auf 23 Prozent. Allein die Anhebungen der Massenverbrauchssteuern bedeutet für eine Familie im Schnitt einen Verlust von 60 bis 100 Euro im Monat. Bereits jetzt hat die Mehrzahl der GriechInnen große Mühe, über die Runden zu kommen. Jeder Dritte lebt unterhalb der Armutsgrenze von 470 Euro, die Durchschnittsrente beträgt lediglich 500 Euro – und das bei ähnlichen Preisen wie in Deutschland.

Der Schlachtruf vor den Sommerferien lautete: „Im Herbst kommen wir wieder!“ Angesichts einer unbändigen Wut, die auch die Gewerkschaftsführung unter Zugzwang setzt, ist massenhafter Aufruhr zu erwarten. Bisher sind Jugendliche nur in begrenzter Zahl an der Streikbewegung beteiligt gewesen. Papandreou hat davor zurückgeschreckt, den Bildungsbereich anzugreifen, um dort keinen Flächenbrand zu entfachen. Möglich ist aber, dass es schon bald auch dort zur Konfrontation kommt.

Die griechische SAV-Schwesterorganisation Xekinima warnt vor einer Verzettelung der Aktivitäten und argumentiert für die Entwicklung einer Kampfstrategie für eine organisierte und ausdauernde Bewegung. In ihren Augen ist die Zeit noch nicht reif für einen unbefristeten Generalstreik, da in den Köpfen vieler noch die Vorstellung eines alternativen Programms fehlt. Darum ist eine Fortsetzung und Verstärkung der Streikbewegung nötig – durch weitere ein- oder auch zweitägige Generalstreiks, Betriebsbesetzungen und die Bildung von Aktionskomitees.

Xekinima hat in der Bewegung und im linken Parteienbündnis SYRIZA die Forderung nach Schuldenstreichung aufgeworfen. Warum sollen Bankchefs und Spekulanten weiter Gelder hinterher geworfen werden? Ein Drittel der Bevölkerung unterstützt bereits diese Forderung. Diese Losung stellt Xekinima aber nicht isoliert auf, sondern fordert auch die Verstaatlichung der Banken unter der demokratischen Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung, eine Zurückweisung des Diktats von IWF und EU sowie die Verbindung der Gegenwehr mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft.

Forderungen des CWI zum europaweiten Aktionstag des Europäischen Gewerkschaftsbundes:

– Schluss mit Kürzungen und Sparpolitik! Öffentlichen Dienst und Renten verteidigen! Die Bosse sollen für die Krise zahlen!

– Für massive Streiks und Proteste um den 29. September! Für die Ausarbeitung einer Strategie und eines Plans hin zu einem 24-stündigen europaweiten Generalstreik!

– Für eine kämpferische Arbeiterbewegung! Für kampfbereite und demokratische Gewerkschaften und Arbeiterparteien!

– Nein zur Diktatur des Marktes! Weg mit den Ratingagenturen und dem IWF! Nein zur Zahlung der kapitalistischen Auslandsschulden! Ran an die Vermögen der superreichen Spekulanten! Verstaatlichung der Banken und des Finanzsektors unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung!

– Statt Massenarbeitslosigkeit für eine drastische Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich! Für ein massives Investitionsprogramm im Öffentlichen Dienst, um gesellschaftlich sinnvolle Arbeit für Millionen zu schaffen!

– Nein zur EU der Bosse und Märkte! Für ein demokratisches sozialistisches Europa!