Neuauflage des „Großen Spiels“ in Afghanistan

Pipeline-Poker, Gerangel um Bodenschätze, Wettrennen um geostrategische Positionen – und ihre höllischen Folgen


 

Vor 100 Jahren bezeichnete man das Kräftemessen der Großmächte in Zentralasien als das „Große Spiel“. Hauptakteure waren damals Großbritannien und Russland. „Afghanistan, Transkapien, Persien, für mich sind das Figuren auf einem Schachbrett im Kampf um die Weltherrschaft“, erklärte seinerzeit Lord Curzon, der spätere Vizekönig Indiens. „Jetzt sind wir mitten drin im ‚Großen Spiel, Teil zwei‘“, so Erich Follath im SPIEGEL 20/2010. „Beteiligt sind alle Spieler, die in der Weltpolitik derzeit zählen: die USA und Russland, Europa und Iran, China und Indien.“ Ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Nachdem die USA ihre Truppen gewaltig aufgestockt haben, planen sie eine neue Offensive. Auch die Bundeswehr wird immer stärker in Gefechte hineingezogen.

von Marius Hessler, Aachen

Als der Krieg gegen Afghanistan Ende 2001 begann, schien für den Imperialismus alles ganz schnell zu gehen. Das bei der Mehrheit der knapp 30 Millionen Afghanen völlig verhasste Taliban-Regime, das seit 1996 geherrscht hatte, fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Aber als die Besatzungstruppen sich festsetzen wollten, um ihre Machtinteressen abzusichern, und eine ihnen genehme Marionettenregierung installiert wurde, zogen sie sich damit den Zorn der unterdrückten Massen in der gesamten Region zu.

Seit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama wurde die Zahl der US-Besatzungstruppen auf nunmehr 94.000 aufgestockt (und soll noch auf 98.000 erhöht werden). Andere Länder stellen dort weitere 47.000 Soldaten, darunter 4.300 aus Deutschland. Das Bundeswehr-Mandat sieht vor, dass das Kontingent auf bis zu 5.350 Soldaten ausgeweitet werden kann.

Längst haben sich die Kampfhandlungen auch auf das Nachbarland Pakistan, immerhin eine Atommacht mit über 170 Millionen Menschen, ausgedehnt. Der Krieg in Afghanistan ist zu einem Flächenbrand geworden.

Unter Obama wurde ein neuer Kurs eingeschlagen. Statt auf Luftschläge soll vermehrt auf Bodentruppen gesetzt werden, um weitere Gebiete einzunehmen. „Jetzt planen die USA und die NATO die größte Offensive dieses Sommers. Dann sollen Zehntausende Soldaten zusammengezogen werden, um Kandahar und die umliegenden Bezirke den Taliban zu entreißen“, schreibt der pakistanische Journalist Ahmed Rashid im SPIEGEL 21/2010.

Sherard Cowper-Coles, 2008 britischer Botschafter in Kabul, bringt in einem geheimen Bericht, der später der Presse zugespielt wurde, die Krisensituation auf den Punkt: „Die Sicherheitslage wird schlimmer. Ebenso die Korruption. Die Regierung hat jegliches Vertrauen verspielt. (…) Die Präsenz, besonders die militärische Präsenz der Koalition sichert das Überleben eines Regimes ab, das ohne uns kollabieren würde.“

Der Krieg der Bundeswehr

Die Besatzungstruppen sind Teil zweier Missionen, die unter verschiedenen Kommandos stehen und offiziell verschiedene Aufgaben haben, aber faktisch zusammenlaufen: Die von den USA geführte „Operation Enduring Freedom“, die Teil des von George W. Bush ausgerufenen „Krieges gegen den Terror“ war, und die NATO-Mission ISAF, die angeblich den zivilen Wiederaufbau gewährleisten soll. Die Bundeswehr war von Beginn an Teil beider Missionen.

An „Enduring Freedom“ beteiligten sich bereits 2001 3.900 deutsche Soldaten, darunter auch das berüchtigte „Kommando Spezialkräfte“ (KSK). Die deutsche ISAF-Beteiligung erfolgte im Stil einer Salami-Taktik. 2007 schickte die Regierung von Angela Merkel Tornados nach Afghanistan, mit denen die Luftaufklärung zur Vorbereitung von Bombenangriffen im Süden des Landes übernommen werden sollte. Seit Mitte 2008 ist die Bundeswehr aktiv in die Aufstandsbekämpfung involviert, unter dem Dach der „Schnellen Eingreiftruppe“. Ab Sommer 2009 dann ging die Bundeswehr zur offensiven Kriegsführung mit schwerem Gerät (Schützenpanzer, Mörser) über.

Mehr als 40 deutsche Soldaten haben am Hindukusch inzwischen ihr Leben verloren, allein im April kamen sieben Soldaten um. Mittlerweile muss auch die Bundesregierung von Krieg sprechen. Wir erinnern uns: Lange – sogar noch nach dem Massaker von Kundus im September 2009 – hatte sie das geleugnet! „Bald werden rund 5.000 US-Soldaten in den Norden verpflanzt, um die Deutschen in einer größeren Offensive gegen die Taliban zu unterstützen“, so Ahmed Rashid. Damit werden deutsche Truppen immer stärker an Kampfhandlungen beteiligt.

Die Lüge vom „humanitären Einsatz“

Die ISAF wurde dafür benutzt, in der Öffentlichkeit den Eindruck von einem „sauberen“ Einsatz zu verbreiten. Die berühmten Bilder vom Brunnenbau oder der Errichtung von Schulen wurden gern als Verdienste der Bundeswehr dargestellt. Fakt ist aber, dass die meisten Hilfsorganisationen es mittlerweile ablehnen, mit den Militärs noch zu kooperieren. Überhaupt stehen die Gelder für Entwicklungshilfe in keiner Relation zu den Ausgaben für die Kriegsführung: So spendeten sämtliche Geberländer zwischen 2002 und 2006 für Nahrungs- und Gesundheitsprogramme 433 Millionen US-Dollar. Im Vergleich dazu verpulverte allein Deutschland laut Informationsstelle Militarisierung e.V. in nur einem Jahr (2008) 536 Millionen Euro für den militärischen Einsatz.

Und auch ein Großteil der Entwicklungshilfe versackt in den Taschen korrupter Beamter unter dem afghanischen Präsidenten Hamid Karzai. Oder dieses Geld wandert in die Taschen westlicher Konzerne (Hilfsorganisationen wie Oxfam schätzen, dass dieser Anteil zwischen 40 und 90 Prozent beträgt).

Dass die humanitäre Lage weiterhin katastrophal ist, muss auch das Auswärtige Amt zugeben. Nach seinen Zahlen leben heute zwei Drittel unter oder am Rande der Armutsgrenze. Vier Millionen Afghanen hat der Krieg zu Flüchtlingen gemacht.

Obwohl in Deutschland und in den meisten anderen am Krieg beteiligten Ländern eine Mehrheit für den Truppenabzug plädiert, hat sich die Zahl der ISAF-Soldaten von 2003 bis 2009 verfünfzehnfacht! Seit Jahren liegt der Schwerpunkt der deutschen Intervention beim Aufbau von örtlichen Polizei- und Armeekräften (insgesamt flossen dafür international 25 Milliarden Dollar). Kein Wunder, denn der Widerstand gegen die korrupte Karzai-Regierung wächst. Das Pentagon kommt zum Schluss, dass er nur noch in 20 der 121 Schlüsselbezirke Rückhalt hat.

Imperialistischer Raubzug

Angesichts dieser Lage stellt sich die Frage, warum den NATO-Staaten dennoch daran gelegen ist, im Land zu bleiben. Ganz offensichtlich ist das eine Prestigefrage. Aber das ist nicht alles. Die Besatzungsmächte USA und Großbritannien einerseits und die EU unter der Führung Frankreichs und Deutschlands andererseits wollen das Feld nicht dem jeweils anderen überlassen und vor allem nicht Mächten wie Russland oder China, die sich dort ebenfalls breit machen möchten.

Afghanistan selbst verfügt über riesige ungehobene Bodenschätze wie Kupfer, Gold und Kohle. Die chinesische Metallurgical Group Cooperation plant, 3,5 Millarden US-Dollar in die Erschließung von Kupfervorkommen rund 40 Kilometer südlich von Kabul zu investieren. Aber nicht nur China drängt nach vorn. „Russland ist zurück“, triumphierte der Regierungsbeauftragte Wiktor Iwanow im März. So will der Rosneft-Konzern die Gasfelder von Djarkuduk und Shibarghan erschließen, die Eisenerzmine Hajigak wird wohl an Moskau gehen, 142 zu Sowjetzeiten gebaute und zum Teil stillgelegte Projekte sollen wieder in Betrieb genommen werden.

Da möchten die westlichen Imperialisten natürlich nicht außen vor bleiben. Unternehmen wie Siemens, Alcatel, BP und Coca Cola stehen in den Startlöchern. Ein „Investitionsschutzabkommen“ garantiert Steuerfreiheit, hundert Prozent der Gewinne dürfen ins Ausland transferiert werden. Bürgerliche Ökonomen loben Afghanistan als einen der „freiesten Märkte der Welt“. Entsprechend ist der „Schutz privater Kapitalinvestitionen und Unternehmen“ ebenso in der afghanischen Verfassung verankert wie die „freie Marktwirtschaft“. Ähnlich wie zum Beispiel das Protektorat Kosova wird Afghanistan zum neoliberalen Musterland umgebaut.

Die Rohstoffe Afghanistans stehen aber in keinem Verhältnis zur geostrategischen Bedeutung der Region. Ein Grund für das Engagement des Westens ist die Sorge, dass der Iran hier an Bedeutung gewinnt und seine Öl- und Gasleitungen ungestört durch Afghanistan führt. Dazu kommen die Spannungen zwischen Indien und Pakistan. Außerdem stellt die Region einen Brückenkopf zu den ölreichen Gebieten der ehemaligen Sowjetrepubliken Usbekistan, Kasachstan und Turkmenistan dar.

Korruptes Karzai-Regime

In der Islamischen Repubik Afghanistan besteht die Todesstrafe. Auf homosexuelle Liebe stehen bis zu 15 Jahre Gefängnis. Die Prostitution ist seit 2001 sprunghaft angestiegen. Gut geht es aber einer kleinen Minderheit von Kollaborateuren des Westens, die mit der Regierung von Hamid Karzai verbunden ist. Karzais Bruder und andere innerhalb dieser Clique sind aufs Engste in den Opiumanbau verstrickt (90 Prozent des global verkauften Heroins stammt aus Afghanistan).

Offiziellen Angaben zur Folge betrug die jüngste Wahlbeteiligung lediglich 38 Prozent. Nachdem der Gegenkandidat Karzais bei der Präsidentschaftswahl, Abdullah Abdullah, nach dem ersten Wahlgang kapitulierte, schluckte der Westen Karzais Wahlfälschung („mehr als eine halbe Million der für Karzai ausgezählten Stimmen wurden wegen offensichtlicher Fälschungen annuliert“, so die FAZ) und versucht weiter, auf ihn zu bauen. Schließlich haben sie keine andere einheimische Stütze. Aber auch Karzai müsste ohne seine Protegees aus Washington, London und Berlin binnen Kurzem, wie einst die Regierenden von Südvietnam mit dem Helikopter, ins Ausland türmen. Karzai, ein paschtunischer Stammesführer (die Paschtunen machen über 40 Prozent der Bevölkerung aus, neben den Tadschiken, Hazara, Usbeken und anderen ethnischen Gruppen), arbeitet nicht nur mit Warlords wie Gulbuddin Hekmatjar zusammen, sondern verhandelt seit einem Jahr auch wieder mit den Taliban!

Afghanistans blutige Geschichte

Neben Russland versuchte vor allem Großbritannien, das in Indien und dem heutigen Pakistan über eine der ertragreichsten Kolonien verfügte, im 19. Jahrhundert mehrmals, das Land militärisch zu unterwerfen. Es scheiterte aber immer am erbitterten Widerstand der afghanischen Bevölkerung. Auch Deutschland bemühte sich vor dem Zweiten Weltkrieg, in Afghanistan Fuß zu fassen. In den dreißiger Jahren stammten 70 Prozent der dortigen Industrieausrüstung aus dem Hause Siemens. Das damalige afghanische Herrscherhaus pflegte seit den Zwanzigern freundschaftliche Beziehungen zum Deutschen Reich. Für die „Orientstrategie“ der Nazis stellte das Land offiziell einen Brückenkopf dar.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Bundesrepublik (nach den USA und der UdSSR) der drittgrößte Geldgeber und Investor im Königreich Afghanistan. Das völlig rückständige und halbfeudale Afghanistan war also immer schon ein Paradies für ausländische Investoren, die dort über billige und rechtlose Arbeitskräfte verfügen konnten.

Dies änderte sich erst 1978. Nachdem sich die sozialen Gegensätze im krisengeschüttelten Land extrem zuspitzten und es wiederholt zu Kämpfen gegen das Regime kam, konnte die moskautreue Demokratische Volkspartei die Macht erobern. Aufgrund des Drucks von unten wurden Großgrundbesitzer enteignet, die Schulden verarmter Bauern gestrichen und eine Alphabetisierungskampagne durchgeführt. Diese sozialen Reformen stießen bei den reaktionären Stammesführern auf enormen Unmut. Als die Sowjetunion 1979 in das Land einmarschierte – weil sie den weniger radikalen, der Moskauer Führung genehmeren Parteiflügel gegen die nach mehr Eigenständigkeit drängenden Kräfte stützen wollte – kam es zum Bürgerkrieg.

Der Sowjetarmee gelang es in neun Kriegsjahren nicht, die Opposition zu besiegen, 1988 zog sie aus Afghanistan ab. Während des Krieges wurden die enteigneten Feudalherren, die Mudschaheddin – in deren Reihen damals auch der junge Osama bin Laden kämpfte – vom US-Imperialismus massiv unterstützt, Zehntausende Söldner waren auf ihrer Seite aktiv.

In den Folgejahren kämpften verschiedene rivalisierende Warlords um die Macht, die ihre Kriegsführung weitgehend über den Opiumhandel finanzierten. Das Land verarmte immer mehr, die Wirtschaft war größtenteils zerstört. Die Taliban wurden 1996 noch von den USA als „Ordnungsfaktor“ betrachtet und fielen erst, nachdem sie sich einem Pipelinebau durch Afghanistan widersetzten, bei ihren ehemaligen Mentoren in Ungnade.

Ein Krieg, der nicht gewinnbar ist

Nach über acht Jahren Krieg und Besatzung ist kein Ende in Sicht. Der neue Kurs Washingtons, mit mehr Truppen und mehr Bodenkämpfen Fortschritte zu erzielen, wird die Zahl der Opfer noch erhöhen. Die jetzt geplante Schlacht um die zweitgrößte Stadt Kandahar droht zu eskalieren.

Parallel dazu weiten sich die Kämpfe auf den Nachbarn Pakistan aus. Seit 2007 fordern die erstarkten pakistanischen Taliban „die Regierung in Islamabad heraus und lösen Chaos mit ihren Selbstmordattentaten im ganzen Land aus“, berichtet Ahmed Rashid. „Erst seit etwas mehr als einem halben Jahr geht die Armee gegen die Taliban in sechs der sieben Stammesgebiete vor.“ Ins siebte Stammesgebiet, nach Nordwaziristan und weiter südlich in die Grenzregion Belutschistan, trauen sie sich hingegen nicht rein.

Gleichzeitig wächst die Abscheu gegen den Krieg von Monat zu Monat nicht nur in Afghanistan, sondern auch in den USA, Deutschland und den meisten weiteren involvierten Staaten. Zudem sinkt die Moral der Besatzungstruppen. Allein 2008 begingen 128 GIs Selbstmord.

Truppenabzug jetzt!

Solange die Besatzer in der Region bleiben, kann es dort keinen Frieden geben. DIE LINKE ist die einzige Partei im Bundestag, die den Abzug der Bundeswehr fordert und Teil der Anti-Kriegs-Proteste ist. Allerdings kommt in der Partei hin und wieder die Idee auf, dass ein Blauhelmeinsatz, also Truppen unter UN-Mandat, eine Alternative wäre. Doch das würde real keinen Unterschied machen. Denn hinter den Vereinten Nationen stecken die selben Mächte, die Appetit auf Rohstoffe und geostrategische Bastionen am Hindukusch haben: die fünf faktisch die UN beherrschenden Veto-Mächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich. Ein Einsatz unter UN-Mandat würde letztlich nur einen Austausch der Farbe der Helme bedeuten. Auch früher schon gab es imperialistische Kriege unter UN-Mandat – ob der Korea-Krieg 1950-1953 oder der zweite Golfkrieg 1991.

Unter den GegnerInnen der Kriegseinsätze, darunter auch AnhängerInnen der LINKEN, wird häufig argumentiert: „Ein sofortiger Abzug der ausländischen Streitkräfte führt doch nur zu Chaos und einer Wiederkehr der Taliban-Herrschaft.“ Es gibt gar keine Frage, dass ein Truppenabzug allein nicht ausreicht. Solange halbfeudale Strukturen und kapitalistische Verhältnisse fortbestehen, ist weder ein dauerhafter Frieden noch eine grundlegende Verbesserung der Lebenssituation zu erwarten. Nötig ist es, dass die Arbeiterklasse und die in Armut gehaltene Landbevölkerung ihr Schicksal in die eigenen Hände nimmt, dass sie den Kampf für eine sozialistische Veränderung aufnimmt. Das setzt den Aufbau unabhängiger Organisationen voraus: Selbstverteidigungskomitees gegen Besatzer und Warlords, die darüber hinaus die Organisation des öffentlichen Lebens angehen könnten. Zudem ist die Schaffung einer eigenen Partei, aber auch die Förderung von Gewerkschaften nötig. Der politischen Linken und der Arbeiterbewegung in Deutschland und weltweit kommt die Aufgabe zu, solche Schritte tatkräftig zu unterstützen.

Der Abzug der Besatzungsmächte würde diesen Prozess erheblich begünstigen. Schließlich stellen sich die ausländischen Armeen gegen jegliche Initiativen von unten – weil sie auf die anhaltende Ausplünderung und Unterjochung Afghanistans aus sind. Zudem greifen sie immer wieder den Gangstern vor Ort unter die Arme. Erinnert sei auch daran, dass das Comeback der 2001 völlig diskreditierten Taliban gerade eine Folge der Präsenz der imperialistischen Truppen und der Umgestaltung des Landes zum Selbstbedienungsladen für ausländische Konzerne war.

Es gibt eine Alternative zu Krieg und Ausbeutung

Die Stadtbevölkerung macht nur 20 Prozent der Gesamtbevölkerung Afghanistans aus (wobei Kabul drei Millionen Menschen zählt). Trotzdem ist auch in diesem Land die Arbeiterklasse die potenziell stärkste Kraft in der Gesellschaft. Immerhin ist sie es, die den Transport organisiert, die Bodenschätze erschließt und den Reichtum erwirtschaftet. Im Übrigen hatten sozialistische Ideen einst starken Einfluss. In der Vergangenheit zählten die beiden Kommunistischen Parteien, aus denen die Demokratische Volkspartei hervorging, viele AnhängerInnen (tragischerweise orientierten sie auf die stalinistische Kreml-Bürokratie).

Politiker und Medien tun so, als seien alle, die die Besatzungstruppen bekämpfen, Taliban-Fanatiker. Tatsächlich ist es aber so, dass sich auch andere Kräfte in Afghanistan gegen das Regime und die Besatzer zur Wehr setzen. So kam es wiederholt zu Streiks gegen Privatisierungen und Arbeitslosigkeit. Im letzten Jahr lieferten sich Hunderte von Jugendlichen in Kabul zwei Tage lang Straßenschlachten mit der afghanischen Polizei und verbrannten dabei die US-Flagge.

Pakistan ist auf Grund seiner Größe und der Zahl von industriellen Zentren ein Schlüsselland in der Region. Die dort aktive Schwesterorganisation der SAV, Socialist Movement Pakistan (SMP), spielte eine maßgebliche Rolle bei der kürzlich erfolgten Gründung des eine halbe Million Mitglieder umfassenden kämpferischen Gewerkschaftsdachverbands Progressive Workers Federation of Pakistan (PWFP), der im ganzen Land aktiv ist und 23 Einzelgewerkschaften umfasst. Er organisiert Widerstand gegen Entlassungen und tritt für Arbeiterrechte ein. Dieses Beispiel kann – auch in Afghanistan – Schule machen und eine Ermutigung sein beim Wiederaufbau der Arbeiterbewegung in der gesamten Region. N

Das Ergebnis von acht Jahren „humanitärer Hilfe“

– 36 % der afghanischen Bevölkerung leben in absoluter Armut

– 61 % sind chronisch unterernährt

– 76 % sind Analphabeten

– 77 % haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser

– Mehr als die Hälfte hat kein geregeltes Einkommen

Forderungen der SAV:

– Besatzungstruppen raus aus Afghanistan

– Nein zu allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr

– Schluss mit Aufrüstung und Waffenexporten

– Enteignung der Rüstungsindustrie und Überführung in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung. Umstellung der Produktion auf gesellschaftlich sinnvolle Produkte

– Die Anti-Kriegs-Bewegung in Deutschland und international stärken: Geld für Bildung, Arbeit und Soziales statt für Militarisierung! Widerstand gegen Krise und Kapitalismus!

– Keine Unterstützung für die korrupte Karzai-Regierung. Für eine Massenmobilisierung gegen die reaktionären Regimes in Zentralasien

– Kampf für demokratische Rechte, Frauenunterdrückung stoppen, Selbstbestimmungsrecht für alle ethnischen Gruppen

– Für demokratisch organisierte, multiethnische Selbstverteidigungskomitees gegen Besatzungsmächte und Warlords

– Für ein umfassendes Wiederaufbauprogramm in Afghanistan – unter der demokratischen Kontrolle von ArbeiterInnen und Bauern. Energiesektor und andere Schlüsselindustrien in öffentliches Eigentum überführen

– Für den Aufbau von unabhängigen, kämpferischen und demokratischen Arbeiterorganisationen in Afghanistan

– Kampf für eine Arbeiter- und Bauernregierung

– Für eine sozialistische Föderation von Afghanistan, Pakistan und ganz Zentralasien sowie dem Nahen Osten