Ist das der Weg zu einer echten linken Alternative?
Bei der Conference of the Democratic Left, CDL (dt.: Konferenz der demokratischen Linken), handelt es sich um eine Initiative, die linke Organisationen, soziale Bewegungen und AktivistInnen zusammen bringen will, um der desaströsen sozialen, ökonomischen und politischen Krise in Südafrika zu begegnen.
Überarbeitete Version eines Artikels von Liv Shange und Weizmann Hamilton, Democratic Socialist Movement (Schwesterorganisation der SAV in Südafrika)
Eine seit dem Ende 2008 vorbereitete Konferenz soll in den nächsten Monaten stattfinden. Das Democratic Socialist Movement begrüßt die CDL als Versuch, eine der schwersten Herausforderungen aufzugreifen, der sich die Arbeiterklasse in Südafrika und weltweit gegenüber sieht: der Errichtung einer unabhängigen politischen Stimme der Arbeiterklasse. Dabei haben wir auch einige Kritikpunkte, die wir hiermit solidarisch vorstellen möchten.
Von Brasilien bis Großbritannien und von Island bis Indien: Die Arbeiterklasse beginnt damit, die Notwendigkeit für eine eigene, authentische, politische Stimme zu erkennen. Das ist die politische Bedeutung, die die Zunahme an Klassenkämpfen in der jüngsten Vergangenheit auch in Südafrika, im Betrieb, in den Bildungseinrichtungen und in den Townships der schwarzen Arbeiterklasse gezeitigt hat.
Die kämpferischen, teilweise militant geführten Proteste, die sich im ganzen Land um das Thema der „Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen“ drehen, Zugang zu Strom, Wasser und Abwassersystemen, angemessenem Wohnraum, die Beendigung der Korruption und Mitspracherecht bei der Gemeindeverwaltung einfordern, bringen dies auf eindringliche Weise zum Ausdruck. Für die betriebliche Ebene gilt, dass 2009 dreimal so viele Streiktage zu verzeichnen waren als noch im Jahr 2008. Nach 16 Jahren [ANC-Regierung, d.Ü.] herrschen weiterhin ungezügelte Armut und Massenarbeitslosigkeit. Bei Südafrika handelt es sich heute um die am meisten von Ungleichheit gekennzeichnete Gesellschaft der Erde. Das ist der fundamentale Grund für das Aufbegehren der Massen.
Vakuum auf der Linken
Die politische Krise manifestiert sich in den offen zu Tage tretenden Spaltungen innerhalb des regierenden ANC und seinen Verbündeten, der SACP und dem COSATU, einerseits und andererseits den inneren Spannungen in den Oppositionsparteien wie auch in den gleichzeitig unternommenen Versuchen, eine gemeinsame Supra-Opposition zu bilden. Trotz der Tatsache, dass sie sich im Parlament gegenüber sitzen, haben ANC und die Oppositionsparteien in der grundlegenden Frage der Wirtschaftspolitik eine Gemeinsamkeit: Sie alle sind pro-kapitalistisch und befinden sich daher in puncto Klassenunterschied in Südafrika auf derselben Seite. Das Getümmel, das rechts im politischen Spektrum zu verzeichnen ist, bringt unmissverständlich das auf der Linken bestehende ideologische und organisatorische Vakuum zum Ausdruck.
Vereinzelte Kämpfe müssen zusammengeführt werden
Für die drei wichtigsten Ebenen des gesellschaftlichen Kampfes gilt, dass im Bildungsbereich (gegen finanzielle und akademische Ausgrenzung), in den Townships (gegen Korruption und das nur fragmenthafte Vorhandensein eines öffentlichen Dienstes) sowie in den Betrieben die Kämpfe bislang unabhängig voneinander geführt wurden. Es liegt ganz klar auf der Hand, dass die Koordinierung dieser Kämpfe dringend erforderlich ist. Aus diesem Grund führt das DSM Kampagnen für eine Arbeiterpartei der Massen.
Die Entstehung der CDL ist letztendlich Ausdruck davon, dass die Arbeiterklasse ihre eigene Stimme finden will. Vorausgesetzt, dass sie eine klare Position hinsichtlich der schwierigen ideologischen, programmatischen und organisatorischen Aufgaben beziehen kann, gehen wir davon aus, dass die CDL das Potential hat, eine unabhängige, auf der Arbeiterklasse aufbauende politische Kraft werden zu können, die die Kämpfe zu koordinieren im Stande ist und die den Kapitalismus an allen Fronten – auch bei Wahlen – herausfordern kann.
Der Aufruf der CDL mit dem Titel „Gemeinsam für ein anderes Südafrika und eine andere Welt“ (engl.: „Unite to make another South Africa and World Possible“) verpflichtet sich dem Grundsatz „auf die Ausarbeitung eines basisdemokratischen, öko-sozialistischen, feministischen, politischen Programms“ hinzuarbeiten. Dieser Aufruf beinhaltet wichtige Punkte mit Bezug auf die Krise des Kapitalismus und drückt die Notwendigkeit für eine unabhängige Organisation der Arbeiterklasse aus. Die CDL „strebt danach, auf Grundlage eines Aktionsprogramms eine Einheitsfront zu bilden, wobei die Autonomie der an ihrer Gründung beteiligten Organisationen gewahrt bleiben soll“. Dieser offene und demokratische Ansatz markiert – zusammen mit ihrer generell antikapitalistischen Grundhaltung – einen guten Start und wird für die Fortentwicklung der CDL entscheidend sein. Außerdem wird dieser Ausgangspunkt wesentlich bei der Ausarbeitung eines Aktionsprogramms, welches die grundlegenden Herausforderungen anzupacken hat, vor denen die Arbeiterklasse steht.
Das DSM beteiligt sich an der CDL und unterstützt sie. Wir haben aber auch verschiedene Kritikpunkte, die wir solidarisch vorbringen möchten, um damit einen Beitrag zur theoretischen, ideologischen und organisatorischen Klärung zu leisten.
Kampforientiertes Programm ist nötig
Die InitiatorInnen der CDL weisen richtiger Weise darauf hin, dass es nötig ist konkret vorzugehen. Das DSM geht jedoch davon aus, dass die Grundlinien für ein Aktionsprogramm bereits entwickelt wurde, als die Arbeiterklasse selbst in Aktion getreten ist – in der Frage der öffentlichen Dienstleistungen, bei der Bildung und während der betrieblichen Kämpfe. Natürlich ist es möglich, die schon laufenden Kämpfe mit einigen Ansätzen der CDL zu ergänzen. Wir meinen aber, dass dies unter den ArbeiterInnen, Studierenden und Jugendlichen selbst diskutiert werden muss, die die Kämpfe schließlich auch selbst geführt haben.
Als neu entstandene Formation muss sich die CDL zuerst einmal das Recht erarbeiten, von den im Kampf befindlichen ArbeiterInnen als ernstzunehmende Kraft betrachtet zu werden. Aus diesem Grund sollte die CDL daher Abstand davon nehmen, dort ein Kampfprogramm aufsetzen zu wollen, wo ein solches schon besteht. Das DSM ist der Ansicht, dass die CDL sich besser darauf konzentrieren sollte, in der Richtung unterstützend zu wirken, die Massenkämpfe miteinander zu verbinden.
Wir meinen, dass die CDL den Vorschlag zu einer landesweiten Konferenz zum Thema „öffentliche Dienstleistungen im ganzen Land“ machen sollte, um darin übereinzukommen, wie man die Kämpfe miteinander und in Vorbereitung eines landesweiten Generalstreiks für die Bereitstellung angemessener öffentlicher Dienstleistungen verbinden kann. Die Gemeinden und Communities sollten darin bestärkt werden, ebenso auch Appelle an Studierende und organisierte ArbeiterInnen zu richten, dass diese Delegierte für eine solche Konferenz bestimmen mögen und an einfache Gewerkschaftsmitglieder, dass diese die Unterstützung ihrer Gewerkschaften diesbezüglich einholen.
Das DSM ist der Meinung, dass die CDL gleichfalls auch dabei helfen muss, die Debatte zu politischen Grundfragen auszuweiten, welche von den bereits laufenden Kämpfen schon aufgeworfen worden sind. Dazu gehört u.a. auch die Frage der politischen Repräsentanz der Arbeiterklasse und des breit angelegten Kampfes gegen den Kapitalismus. Die Tatsache, dass die Proteste für angemessene öffentliche Dienstleistungen gegen Behördenvertreter, Stadträte und Bürgermeister gerichtet sind, zeigt, dass ArbeiterInnen aus ihren Kämpfen ihre politischen Schlussfolgerungen schon gezogen haben.
Forderungen nach der Auflösung von Stadträten und dem Rücktritt von Bürgermeistern bedeuten nicht, dass man repräsentative Demokratie als solche bereits ablehnt. Diejenigen, die das behaupten, ignorieren das bestehende politische Bewusstseinsebene und übertreiben das Ausmaß politischer Klarheit. Derlei Forderungen sind ultralinks, wollen den zweiten Schritt vor dem ersten tun und ersetzen den bestehenden Bewusstseinsgrad der Arbeiterklasse durch nihilistische und anarchistische Vorurteile. In der Tat kämpfen ArbeiterInnen für eine Form der Repräsentation, mittels der sie Kontrolle ausüben können – das ist der erste Schritt, wenn es darum geht, die Grenzen der kapitalistischen Demokratie und die Notwendigkeit der Arbeiterdemokratie zu erkennen, was wiederum Grundlage für eine sozialistische Gesellschaft ist.
Deshalb rufen wir die CDL dazu auf, in den Gemeinden und Communities eine Kampagne zu führen, um bei den 2011 anstehenden Regionalwahlen unabhängige KandidatInnen der Arbeiterklasse aufzustellen. Das DSM geht davon aus, dass dies in der Praxis auch die Notwendigkeit für eine unabhängige Vertretung der Arbeiterklasse verdeutlichen würde.
Ein mutiges sozialistisches Programm ist nötig
Es ist leider so, dass einige der führenden Köpfe der CDL nicht Willens sind, auch das Thema Sozialismus mutig mit einzubeziehen. Das widerspiegelt die fortbestehenden Zweifel über die Glaubwürdigkeit des Sozialismus als einer realen Alternative. Von diesen Zweifeln ist die Linke seit dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion befallen. So war vor allem die offizielle Linke durch die Wiedereinführung des Kapitalismus, den Triumphialismus der kapitalistischen Klasse und die Intensivierung der neoliberalen Offensive gegen die Arbeiterklasse, die daraufhin weltweit folgte, ideologisch demoralisiert. Der Prozess der kapitalistischen Restauration in China hat das nur weiter verstärkt.
Dabei ist jedoch nicht der Sozialismus kollabiert, sondern die bürokratische Perversion dessen, der Stalinismus nämlich. Dieser war das Ergebnis einer politischen Konterrevolution, welche die Zerstörung von Arbeiterdemokratie zur Folge hatte, während gleichzeitig der Staat das Eigentum über die Volkswirtschaft hatte. Deshalb lehnt das DSM auch energisch die Beschreibung in der CDL-Erklärung von der Gesellschaft in der Sowjetunion (und Kuba und China) als „real existierender Sozialismus“ ab, wie es ganz die Art der SACP ist. Sowohl der Stalinismus als auch der Imperialismus hatten – trotz ihrer Gegensätze – ein starkes Eigeninteresse an dieser Falschdarstellung. Der Stalinismus rechtfertigte damit die politische Konterrevolution im Name Lenins und der Führung der Oktoberrevolution. Der Imperialismus diskreditierte so den Sozialismus, indem man mit dem Finger auf die monströs-autoritäre Diktatur Stalins zeigte. Die Übernahme überkommener Ansätze der SACP in die Debatten und Papiere der CDL wird es unmöglich machen, die wirklichen und echten Ansätze des Sozialismus zu verteidigen. Dies gilt vor allem gegenüber ArbeiterInnen und Jugendlichen, die Antworten auf Fragen wollen wie etwa eine sozialistische Gesellschaft aussehen würde oder wie man einer möglichen Degeneration entgegenwirken kann.
Auf Grund der Zweifel der InitiatorInnen der CDL am Sozialismus, imitieren diese reformistische Ideen wie z.B. die der „Parallel- oder Alternativwirtschaft“. Jedes Programm, das nicht auf dem Verständnis darüber beruht, dass der Kapitalismus unfähig ist, die gesellschaftlichen Bedürfnisse zu befriedigen und somit abgeschafft werden muss, beflügelt die Illusion, wonach Sozialismus durch gradlinige Eingriffe in den Kapitalismus, durch Kooperativen, Gemeinschaftsgärten in den Townships und schließlich durch „eine parallel stattfindende Wirtschaftsweise“ erreicht werden kann. Wenn die CDL nicht mit derlei Ideen bricht, wird sie über kurz oder lang nur als „SACP Light“ enden, die Vorschläge macht, wie man den Kapitalismus richtig managen muss statt mutig für ein Ende des profitgetriebenen kapitalistischen Systems und für die grundlegende, sozialistische Transformation der Gesellschaft einzutreten.
Neue linke Strukturen wie die „Partei für Sozialismus und Freiheit“ (PSOL) in Brasilien, SYRIZA in Griechenland, DIE LINKE in Deutschland, Rifondazione Communista in Italien sind entstanden. Dennoch zeigt sich bei der Entwicklung dieser Formationen erneut die Notwendigkeit dafür, dass diese sich eben auf die Kämpfe der ArbeiterInnen und Jugendlichen gründen und die Verbindung zu einem sozialistischen Programm zur Umgestaltung der Gesellschaft herstellen müssen. Gehen sie in die Falle, an prokapitalistischen Regierungen teilzunehmen dann werden sie – wie die RC in Italien – in eine existentielle Krise oder auseinander fallen.
Die Masse der Arbeiterklasse hat noch keine klaren sozialistischen Schlussfolgerungen gezogen. Die Krise aber hat den Bankrott des Kapitalismus vergegenwärtigt, was seit der Oktoberrevolution die besten Möglichkeiten dafür bietet, für Sozialismus einzutreten. Das DSM schlägt die Methode des Übergangsprogramms vor, mit dem die täglichen Kämpfe um Reformen mit dem Kampf zur Überwindung des Kapitalismus und für den sozialistischen Wiederaufbau der Gesellschaft verbunden werden.
Für einen Generalstreik für öffentliche Dienstleistungen
Das DSM hat bei der Programmkonferenz des CDL in der Region Gauteng (Johannesburg) am 20. März einen Resolutionsvorschlag unter dem Titel „Für einen Generalstreik für öffentliche Dienstleistungen und eine Kampagne zur Gründung einer neuen sozialistischen Massenpartei!“ eingebracht (vgl. Website des DSM unter www.socialistsouthafrica.co.za). Wir schlagen vor, dass die CDL nun eine Kampagne für eine Konferenz aller im Kampf befindlichen Gemeinden und Communities führt, einen Aufruf an die einfachen Gewerkschaftsmitglieder richtet, für einen landesweiten Aktionstag, einen Generalstreik für öffentliche Dienstleistungen mobilisiert. Wir schlagen vor, dass die CDL in den Gemeinden und Communities eine Kampagne beginnt, um bei den Regionalwahlen 2011 unabhängig anzutreten. Außerdem rufen wir die CDL dazu auf, sich in den Dienst des Aufbaus einer neuen Massenpartei der ArbeiterInnen mit sozialistischem Programm zu stellen. Diese Vorschläge sind bei jenem Treffen auf Unterstützung von vielen AktivistInnen gestoßen.