1.500 MetallerInnen demonstrierten auf dem KBA-Firmengelände und vor der Behr-Zentrale gegen Entlassungen – Solikomitee gegründet
Im Mittleren Neckarraum stehen die Zeichen auf Sturm. Belegschaften von Autozulieferern, des Maschinenbaus und anderer Metallbetriebe kämpfen um ihre Arbeitsplätze. Nach Kurzarbeit drohen ihnen Entlassungen und Werksschließungen. Beispiel Stuttgart Feuerbach: hier hat Bosch sein Stammwerk. Drum herum gibt es viele andere wichtige Betriebe. Dazu gehört der Traditionsbetrieb Kühler-Behr. Von den einst 3.000 Produktionsarbeitern sind nur noch 200 übriggeblieben. Und ihnen will Behr Ende Juni kündigen. Die Produktion soll in Stuttgart eingestellt und auf andere Werke verlagert werden. In Verwaltung und Entwicklung droht 180 Beschäftigten die Kündigung.
von Ursel Beck, Stuttgart
Fünfhundert Meter Luftlinie entfernt liegt ein weiterer Stuttgarter Traditionsbetrieb. Hier werden Anlagen für Blechdruck und Lackierung hergestellt. Der Betrieb wurde vom Druckmaschinenkonzern König&Bauer; (KBA) aufgekauft. Seither heißt er KBA MetalPrint.
Die Konzernleitung in Würzburg will den Standort in Stuttgart zerschlagen. 39 Kündigungen wurden bereits ausgesprochen. 31 weitere sollen folgen. Damit soll das Ende des Werks mit mehr als 300 Beschäftigten vorbereitet werden.
Kampfbereite Belegschaften
Die Belegschaften von Behr und KBA Metalprint sind nicht bereit, die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze zu akzeptieren. Beide Belegschaften sind kampferprobt. Die Behrler waren im Streik für die 35-Stunden-Woche und in anderen Tarifauseinandersetzungen Streikbetrieb der IG Metall. In der aktuellen Auseinandersetzung um die Schließung des Produktionsbetriebs Werk 8 haben sie im Dezember zweimal kurzfristig die B10/B27 blockiert.
Die Kollegen bei KBA Metalprint haben 2001 und 2005 Massenentlassungen verhindert und sich jahrelang erfolgreich gegen Erpressungsversuche aus den Chefetagen zur Wehr gesetzt. Seit Oktober 2009 sind sie mehrmals gegen die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze auf die Straße gegangen. Weil die gekündigten Kollegen von der Arbeit freigestellt wurden, kommen sie jeden Tag ans Werkstor, bieten erfolglos ihre Arbeit an und halten dann den ganzen Tag eine Mahnwache ab. Drinnen wissen die Kolleginnen und Kollegen nicht, wie sie ihre Arbeit ohne die Entlassenen erledigen sollen. Aus Unmut über diesen Zustand gehen im organisierten Wechsel Kollegen aus allen Abteilungen zu den Kolleginnen und Kollegen vors Tor und unterstützen sie. Zur Symbolik haben die KBAler ein Kreuz aufgestellt, an das alle Namen der Gekündigten gepinnt sind.
Alle gemeinsam
In den Belegschaften wird immer mehr eingefordert, dass die IGM den Kampf gegen Arbeitsplatzvernichtung konsequent und mit allen betroffenen Belegschaften gemeinsam führt. Einen Schritt in diese Richtung gab es mit dem IGM-Aufruf für den 5. Mai. Die Belegschaften von KBA Metalprint und Behr kämpften einen Tag gemeinsam für ihre Arbeitsplätze und wurden dabei von Delegationen von Bosch, Mahle, Coperion, Porsche, Daimler, Alcatel, Werner&Pfleiderer; und Schaudt unterstützt. Auftakt für die Protestaktion war das Werkstor von KBA. Als der Demozug von ca. 800 Kolleginnen und Kollegen sich in Bewegung setzte, ging es erst mal wie selbstverständlich durch das KBA-Firmengelände. Vorne weg das Transpartent der KBA-KollegInnen mit der Aufschrift: „Wer mit uns nicht rechnet, hat sich verrechnet“. Dann zog der Demozug durch die Straßen des Industriegebiets zum Verwaltungsgebäude von Behr, wo bereits mehrere hundert Beschäftigte aus anderen Betrieben zur Abschlusskundgebung eingetroffen waren.
„Wir bleiben alle hier“
In der Eröffnungsrede erklärte Behr-Betriebsrat Thomas Wörner dass die Firmenleitung Listen für eine Sozialauswahl erstelle und ein Abfindungsprogramm veröffentlicht habe. Das sei aber nicht Verhandlungsstand. Ziel sei immer noch für alle drei Standorte die von Arbeitsplatzabbau und Verlagerung bedroht sind „weiterhin Beschäftigung, Arbeit und Lohn zu sichern“. Er bekräftigte, dass weder Betriebsräte noch IGM in irgendeinem Betrieb der Region betriebsbedingte Kündigungen akzeptieren würden. Wenn es nötig sei, dann müssten noch weitere Aktionen folgen und zwar aus Produktion, Verwaltung und Entwicklung gemeinsam. Thomas Wörner griff den Sprechchor „Wir bleiben hier“ aus Werk 8 auf und rief unter dem Jubel der Kundgebungsteilnehmer: „Wir bleiben alle hier, Kolleginnen und Kollegen“.
Behr-VKL-Leiter Wolfgang Zeleny erklärte, dass die Schließung von Werk 8 eine rein politische Entscheidung der Geschäftsleitung sei. Kolleginnen und Kollegen, die Behr zu dem gemacht hätten, was es heute ist, sollen bis Ende Juni die Kündigung bekommen. Das sei eine Riesensauerei. Aber, so Wolfgang Zeleny: „So wie die Geschäftsleitung politische Entscheidungen fällt, können wir politischen Widerstand leisten.“ Er kündigte die Gründung eines Solidaritätskomitees an und forderte die Anwesenden auf, sich dafür in eine Liste einzutragen.
Aus dem bayrischen Behr-Standort Neustadt war ein voller Bus Kolleginnen und Kollegen zur Kundgebung gekommen, um Solidarität zu demonstrieren. Ein Betriebsratsmitglied von dort erklärte, dass weitere Gespräche keinen Sinn machen würden, wenn es morgen keinen klaren und guten Vorschlag gäbe. Dann müsse man andere Maßnahmen ergreifen. Welche Maßnahmen das sein könnten, ließ er allerdings offen.
Immer wieder kamen Rufe „Flick muss weg“. Eine Kollegin aus Kornwestheim, die in der Verhandlungskommission sitzt, setzte noch einen drauf, und sagte, nicht nur der Werksleiter, sondern alle im siebten Stock müssten weg. Sie drohte damit, dass man den „Laden an die Wand fahren werde“, wenn es keinen „vernünftigen Abschluss“ gäbe.
Mahnwache bei KBA
Ronny Schwarz, Betriebsratsvorsitzender von KBA MetalPrint, erklärte in seiner kämpferischen Rede, dass die Belegschaft seit einem Jahr den Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze führe. Als vor Kurzem die 39 Gekündigten durch eine kurze Infoveranstaltung über ihre sofortige Freistellung informiert wurden, seien nicht nur die eingeladenen Gekündigten, sondern alle gekommen und hätten gemeinsam ihren Unmut kund getan. Solche Szenen hätte er in seinen 20 Jahren Betriebszugehörigkeit noch nicht erlebt. Wenn der Betriebsrat, die Geschäfte führen würde, gäbe es einen solchen Irrsinn nicht, dass die einen in Arbeit ersticken und die anderen rausgeschmissen würden. Wenn die Geschäftsleitung behaupte, der Betrieb würde nur Verluste machen, dann solle sie den Betrieb an die Belegschaft übergeben. Sie würde ihn mit Sicherheit besser führen. Zum Schluss gab Ronny Schwarz die KBA-Geschäftsleitung dem spöttischen Gelächter der Kundgebungsteilnehmer preis. Er berichtete, dass das Kreuz, das sie bei ihrer Mahnwache aufgestellt hätten zwei Stunden später auf Anweisung eines Möchtegerngeschäftsführers weggeräumt werden sollte und dass dieser dafür eine Firma mit LKW und Kran beauftragt hätte, obwohl das Kreuz locker von einer Person weggetragen werden könnte. Soviel „Sachverstand“ hätten ihre Chefs. Aber zum Abtransport des Kreuzes sei es auch gar nicht gekommen, so Ronny Schwarz. Die Belegschaft war schneller, nahm das Kreuz wieder vom Haken und der LKW-Fahrer musste ohne Ladung abfahren. Gestern sei es wieder aufgestellt worden und werde von den gekündigten und freigestellten Kollegen den ganzen Tag bewacht. Er berichtete, dass die Solidarität aus den umliegenden Betrieb enorm sei und dass es immer wieder Besuchsgruppen gäbe. Es täte gut zu wissen, dass man in einer solchen Situation nicht alleine sei. Er versprach, dass der Kampf mit allen Mitteln fortgeführt werde und er sicher sei, das man ihn gewinne.
Betriebsschließung bei Schaudt – eine Warnung
Von der IGM-Verwaltungsstelle Stuttgart erklärte Hansjörg Schmierer, dass für den heutigen Tag viele Solidaritätsadressen eingegangen seien und viele VK-Sprecher Grußworte entrichten wollten, man sich aber darauf geeinigt habe, dass er das stellvertretend übernehme. Die IGM hätte letztes Jahr die Losung ausgegeben, „ohne Entlassungen durch die Krise“. Damit sei die IGM erfolgreiche gewesen, wobei Kollege Schmierer es als Erfolg verkaufte, dass die Beschäftigten mit Kurzarbeit und dem Tarifvertrag Beschäftigungssicherung für die Krise bezahlen. Dass damit aber keine Entlassungen verhindert werden, zeigt sich nicht nur bei Behr. Kollegen des Schleifmaschinenherstellers Schaudt in Stuttgart-Hedelfingen, die bei der Kundgebung in Feuerbach anzutreffen waren, berichteten, dass die Hälfte der Belegschaft seit einem Jahr in Kurzarbeit sei. Ab 1. Juni soll die Belegschaft mit 180 Beschäftigten in eine Transfergesellschaft überführt werden, mit dem Ziel den Betrieb in Hedelfingen ganz dicht zu machen. Inzwischen, so berichteten die Kollegen, hätte sich eine Bürgerinitiative gegründet, die gegen die Betriebsschließung kämpfe. Die Betriebsschließung wird damit wohl leider nicht verhindert werden können. Das Aus für Schaudt ist eine Warnung an andere Belegschaften. Wer zu spät kommt mit entschlossenen Kampfmaßnahmen, den bestraft das Leben. Bei Behr und KBA, bei Betrieben wie Mann+Hummel, Getrag, Index/Traub, Läpple, AEG, Heller, Siemens…..ist der Kampf gegen Arbeitsplatzvernichtung noch nicht verloren. Wenn er erfolgreich sein soll, muss er jedoch mit allen möglichen Mitteln geführt werden und dazu gehört auch das Mittel Betriebsbesetzung. Diese Erkenntnis bekommt zunehmend Unterstützung in den Betrieben. Gestern wurde auf dem Betriebsgelände von KBA demonstriert und dann das Gelände wieder verlassen. Wer sagt, dass es das nächste mal wieder verlassen wird? Und warum sollen Behr-KollegInnen auf Weihnachts-, Urlaubsgeld und künftige Tariferhöhungen verzichten, wenn die Familie Behr mit einem Vermögen von über eine Milliarde Euro zu den 100 Reichsten in Deutschland gehört. Die Profiteure des Systems sollen für ihre Krise bezahlen, nicht die Beschäftigten. „Wir sind alle Griechen“ titelte neulich die Tageszeitung „Junge Welt“. Zeit, dass wir mit Bossen und Regierung griechisch reden.
Erstes Treffen des Solidaritätskomitees
Das von Vertrauensleuten von Mahle und Behr initiierte Solidaritätskomitee trifft sich zum ersten mal am Mittwoch, den 12. Mai um 17.00 Uhr in der Kellerschenke des DGB-Haus Stuttgart, Bleicherstr.