10.000 protestierten am 24. April gegen Stuttgart 21
Am 24. April protestierten bei strahlendem Sonnenschein laut Veranstaltern über 10.000 Menschen im Schlossgarten gegen das Prestige-Bahnhofs-Projekt Stuttgart 21.
Nach den Demonstrationen beim Besuch von Bahnchef-Grube und dem Pseudo-Baubeginn (Anheben eines Prellbocks) Ende Januar bzw. Anfang Februar war das ein neuer Höhepunkt der Bewegung.
von Wolfram Klein und Ursel Beck, Stuttgart
Zugleich war es der Abschluss einer Woche, die zeigte, dass in Stuttgart gerade der Widerstand gegen Stuttgart 21 Dauerzustand ist. Dieser Protestgipfel war Teil eines Protestgebirges: Am 19. April hatten über 4.000 Menschen an der wöchentlichen Montagsdemo gegen Stuttgart 21 teilgenommen. Nach der Kundgebung gingen sie in einem imposanten Protestzug über den Schlossplatz zum Marktplatz, wo die SPD ihren Frühjahrsempfang abhielt (Nachdem ihr Neujahrsempfang wegen der Verhinderung von Ehrengast Parteichef Gabriel verschoben und in einen Frühjahrsempfang umgewandelt werden musste, fiel Gabriel auch diesmal aus, wegen dem vulkanbedingten Ausfall der Flüge.). Auf dem Marktplatz bildeten die DemonstrantInnen durch riesige Buchstaben aus Menschen den Schriftzug „Keine S21PD“. Da die auf dem Boden vorgezeichneten Riesen-Buchstaben für die Zahl der Protestierenden immer noch zu klein waren, blieben Hunderte, quasi als Bilderrahmen, außen rum stehen. Im Anschluss klebten Jugendliche noch den Eingang des Rathauses symbolisch mit Anti-Stuttgart-21-Aufklebern zu.
Beschäftigte aktiv
Am Freitag war eine „kleine“ Aktion, für die wenig Werbung gemacht worden war, auf dem Marktplatz: einige Beschäftigte des Garten- und Friedhofsamts stellten sich mit einem Transparent „Wir fällen keine Bäume im Schlossgarten – Landschaftsgärtner gegen Stuttgart 21“ und Motorsägen mit Anti-S21-Aufklebern auf. Sie standen mit dem Transpi einige Minuten da und ließen die Motorsägen ein paar Minuten aufheulen – es war also „nicht viel los“. Aber diese Aktion hat endlich einmal die Bedeutung der Arbeiterklasse deutlich gemacht und den Beitrag, den sie durch Streiks und andere Aktionen im Kampf gegen Stuttgart 21 leisten kann. Auch zu einer solchen kleinen Aktion kamen gut hundert Menschen, neben zufälligen PassantInnen, bei denen die Aktion meist auch gut ankam, vor allem Anti-Stuttgart-21-AktivistInnen.
S21 ist ein Klima-Killer
Bei der Kundgebung am Samstag schließlich gab es eine bunte Mischung von Reden und Kulturbeiträgen. Im Mittelpunkt stand die Bedrohung des Schlossgartens durch das Projekt – deshalb fand sie ja dort statt. An einigen der vom Abholzen bedrohten alten Platanen waren Schilder angebracht worden, die deutlich machten, wie alt diese Bäume waren (z.B. dass der Baum schon stand, als der bekannte Dichter Eduard Mörike (1804-1875) in Stuttgart unterrichtete). Martin Nebel, der Naturschutzbeauftragte der Stadt, rechnete vor, wie viel Sauerstoff ein einzelner der 289 vom Abholzen bedrohten Bäume erzeugt (10.000 Liter am Tag), wie viel Feinstaub er aufnimmt und um wie viel er in heißen Sommern im dann stickigen Stuttgarter Talkessel die Temperatur senkt. Die Stuttgart-21-Macher versprechen zwar, neue Bäume zu pflanzen, aber um die Leistung dieser 289 zum Fällen verurteilten alten Bäume zu ersetzen, bräuchte man 30.000 neugepflanzte Bäume. Hinzu kommt die Bedrohung auch der übrigen Bäume durch eine Absenkung des Grundwasser während des Baus.
Die Grünen-Kreisvorsitzende Neipp-Gereke hatte leichtes Spiel, die Heuchelei der SPD auseinander zu nehmen, die einen Bürgerentscheid über das Projekt ablehnt, aber Bürgerbeteiligung bei der Detailplanung des neuen Stadtteils fordert, der durch das Projekt entstehen soll.
Gerhard Pfeifer vom BUND erklärte, S 21 sei nicht, wie die S-21-Macher behaupteten, ein grünes, sondern ein graues Projekt. „Grau steht für Gestein, für Beton, für Stahl, für Feinstaub – letztendlich für mehr klimaschädliche Gase. Stuttgart 21 ist somit ein Klimaschutz-Killer“, so Pfeifer.
Gewerkschafter bewegen sich
Erstmals trat am Samstag ein IGM-Bevollmächtigter bei einer Kundgebung gegen S-21 auf. Allerdings nicht aus dem Mittleren Neckarraum, sondern aus dem 60 km entfernten Ostalbkreis. Der Erste Bevollmächtigte der IGM Aalen /Schwäbisch Gmünd, Roland Hamm, gehört zu den Initiatoren des landesweiten Netzwerks „GewerschafterInnen für Gute Bahn statt Stuttgart 21“. Dieses Netzwerk wurde im Anschluss an die Kundgebung bei einem ersten landesweiten Treffen gegründet. Der Auftritt von Roland Hamm war zweifellos der politische Höhepunkt der Protestkundgebung. In seiner kämpferischen Rede machte er deutlich, dass innerhalb der Gewerkschaften der Widerstand gegen S 21 stärker werde. Unter großem Beifall der Kundgebungsteilnehmer erklärte er, dass es bei S 21 einzig und allein um Profitinteressen gehe. Die Milliarden Steuergelder, die hier für wenige Profiteure verschwendet würden, bräuchten die Kommunen für sinnvolle Investitionen in sinnvolle Arbeitsplätze, bezahlbare Wohnungen, Kindergärten, Schulen, bezahlbaren Nahverkehr, Klima- und Umweltschutz. Der Metaller sprach sich deutlich dafür aus, dass aus Protest Widerstand und aus Widerstand ziviler Ungehorsam wird und zog eine Parallele zur Verhinderung von Pershing-Raketen in Mutlangen und der Verteidigung von Arbeitsplätzen durch Betriebsbesetzung bei der Firma Universal in Aalen vor einigen Jahren. „Die Bagger werden kommen. Wenn wir den Größenwahn und die Politik stoppen wollen, sollten wir und möglichst Tausende mehr bleiben solange bis die Bagger wieder weg und der Spuk beendet ist“, so Roland Hamm am Schluss seiner Rede. Er versprach sich dafür einzusetzen, den gesellschaftlichen Widerstand gegen S 21 zu verbreitern und Gewerkschafter in Stuttgarter und landesweit dafür mobilisieren. Eine gute Gelegenheit diesen Worten Taten folgen zu lassen ist die landesweite Demonstration gegen S 21 am 10. Juli.
SAV aktiv dabei
SAV-Mitglieder aus Stuttgart und Karlsruhe hatten bei der Protestkundgebung einen Infostand. Das Interesse an dem SAV-Material zu S 21 war enorm. Es wurden mehr als 150 Faltblätter gegen Spende abgegeben. Darüber nutzte die SAV die Gelegenheit um über den Ausschluss von opppositionellen Daimler-Kollegen aus der IGM zu informieren und Unterschriften dagegen zu sammeln. Darüber hinaus waren SAV-Mitglieder an diesem Tag aktiv für die „Jugendoffensive gegen S 21“ und linksjugend/solid.