BundessprecherInnenrat von Linksjugend ["solid] setzt Ausgrenzung von SAV-Mitgliedern zum Bundeskongress fort

Stellungnahme der SAV


 

Als Teil einer Kampagne des BundessprecherInnenrats (BSPR) von Linksjugend ["solid] gegen die SAV, der bisher in dem mit Unwahrheiten aufgepumpten „Raus-jetzt“-Brief gipfelte, legt der BSPR jetzt nach mit einem Antrag gegen die SAV zum Bundeskongress, der am 26.-28. März in Frankfurt/Main stattfindet (siehe hier – Antrag A29).

In dem Antrag erklärt der BSPR, dass die SAV eine „verbands- wie parteiexterne Struktur“ sei, was der Bundeskongress missbilligen solle, weil sie damit „eine konkurrierende satzungsfremde Organisation innerhalb des Verbandes“ sei und dies die „demokratische Souveränität der Verbandsgremien“ unterlaufen würde . Darüberhinaus fordert der Antrag die Bundesleitung der SAV auf, „ihre Organisation entweder als parteiinterne Strömung zu konstituieren oder aber die jugendverbandsinterne SAV-Politik zu beenden.

Offensichtlich hat der BSPR in seinem Angriff auf die SAV seine Argumentation geändert und rudert zurück. Hatte er der SAV noch im „Raus-jetzt“-Brief unterstellt, Mitglieder „durch soziale und strukturelle Kontrolle an eine Organisation“ zu fesseln, „die sie ausbeutet und bei abweichender Meinung gegebenenfalls auch ‚wegwirft‘“ und Mitglieder des Jugendverbands zu missbrauchen „um ihren Apparat zu finanzieren“, ist der neue Antrag ein Eingeständnis des BSPR, dass sie ihre Argumentation gegen die SAV nicht aufrecht erhalten können.

Also versucht der BSPR, eine neue Argumentation zu finden. Es ist aber widersprüchlich, dass der BSPR, der erst versuchte die SAV als eine schädliche undemokratische Organisation zu brandmarken, jetzt vorschlägt, die SAV solle sich als parteiinterne Strömung konstituieren. Die ganze formal-bürokratische Argumentation des BSPR lenkt davon ab, dass politisch-inhaltliche Differenzen zwischen SAV-Mitgliedern und Teilen des BSPR der Grund sind für die Angriffe durch den BSPR.

Wir meinen, dass politische und programmatische Differenzen in Bezug auf den Aufbau des Jugendverbands, das Verhältnis zur Partei DIE LINKE und des Selbstverständnisses des Jugendverbands, seiner Rolle in Bewegungen und die Frage, wie eine sozialistische Gesellschaft erkämpft werden kann, Ursache dafür ist, dass sich der BSPR politisch herausgefordert sieht.

Um ein paar der zentralen politischen Differenzen aus unserer Sicht zu benennen:

Wir kämpfen als Mitglieder von Linksjugend["solid] und der SAV für die Abschaffung des Kapitalismus und für eine sozialistische Demokratie. Wir meinen aber, dass wir den Kampf für Sozialismus nicht in weite Ferne verschieben oder nur auf eine Frage der Praxis verkürzen können, wie es der Hauptantrag des BSPRs zu diesem Bundeskongress macht und als Lösung kollektives Schwarzfahren vorschlägt. Wir schlagen stattdessen vor, dass der Jugendverband eigene politisch-programmatische und strategische Vorstellungen entwickelt, die eine Brücke bilden von den heutigen Kämpfen zu einer sozialistischen Gesellschaft. Für solche Forderungen und Vorschläge sollte der Verband auch in den jetzt stattfindenden Bewegungen eintreten, anstatt sich nur als „Dienstleister“ der Bewegung zu verstehen, wie es der BSPR im Hauptantrag vorschlägt. (siehe dafür auch Änderungsantrag HAÄ 55 von Michael Koschitzki im Antragsheft 2, S. 38).

Entgegen den ganzen postmodernen Auffassungen vom Ende der Arbeiterklasse meinen wir außerdem, dass der Klasse der Lohnabhängigen aufgrund ihrer Stellung in der Produktion und ihrer politischen und ökonomischen Macht weiterhin die zentrale Bedeutung im Kampf für eine sozialistische Gesellschaft zukommt.

Aus unserer Sicht gibt es nicht einfach „schlechte“ rot-rote Koalitionsverträge, die der Hauptantrag des BSPR benennt. Wenn es „schlechte“ gibt, müsste es in dieser Logik auch „gute“ geben. Regierungsbeteiligungen mit prokapitalistischen Parteien sind im Sinne der Argumentation Rosa Luxemburgs aber immer falsch (also schlecht) und auch Mindestbedingungen für Regierungskoalitionen mit bürgerlichen Parteien ändern nichts daran, dass es eine Illusion ist zu versuchen, mit prokapitalistischen Parteien Verbesserungen im Sinne der abhängig Beschäftigten, Jugendlichen und Erwerbslosen durchzusetzen (siehe auch Antrag von David Schultz in HaÄ 19 im Antragsheft 2, S. 26)

Statt in die politische Debatte mit SAV-Mitgliedern zu treten, hat sich der BSPR jedoch für ein formal-bürokratisches Vorgehen entschieden.

Wir finden das sehr schade, möchten zu den neuen Argumenten des BSPR jedoch Stellung beziehen. Der BSPR bemüht als Hauptgrund gegen die SAV, dass wir eine „verbands- wie parteiexterne Struktur“ seien, die damit „konkurrierend satzungsfremd“ sei und die „demokratische Souveränität“ unterlaufe.

Wir lehnen im Gegensatz zum BSPR die Einordnung von Mitgliedern in „parteiintern“ und „parteiextern“ ab. SAV-Mitglieder sind Mitglied in der Partei DIE LINKE und des Jugendverbands. Es gibt viele Zusammenschlüsse und Strömungen, die kollektiv in der Partei und im Jugendverband wirken. Viele Mitglieder sind sowohl in der Partei DIE LINKE und/oder im Jugendverband organisiert und gleichzeitig bei der isl, beim Funken, bei DIDF, beim Sozialistischen Forum Rheinland etc. Mitglied. All diese Organisationen haben ebenfalls Strukturen, die nicht nur „parteiintern“ sind. Der politische Grund dafür liegt darin, dass Mitglieder dieser Organisationen ihre politische Arbeit und Wirken nicht auf DIE LINKE und den Jugendverband begrenzen, sondern zum Beispiel wie DIDF an vielen anderen Fronten aktiv ist.

So ist auch die SAV zum einen eine politische Strömung in der LINKEn und im Jugendverband, was auch in der Partei DIE LINKE niemand in Frage stellt. Wir beschränken uns aber nicht darauf, in der LINKEn und im Jugendverband aktiv zu sein. Viele von uns sind in gewerkschaftlichen Strukturen aktiv, sind Teil von internationalen Kampagnen und Diskussionsprozessen. Mitglieder der SAV möchten einen Beitrag dazu leisten, die LINKE und Linksjugend["solid] aufzubauen. Wir sind darüber hinaus aber der Auffassung, dass eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft nötig ist und dafür auch der Aufbau einer revolutionären Organisation notwendig ist. Wir sind als SAV-Mitglieder auch Teil einer internationalen Organisation (CWI – Committee for a workers international) und finden es wichtig, marxistische Positionen international zu diskutieren und weiterzuentwickeln.

Wir meinen, dass die Mitarbeit von Mitgliedern, die auch anderen Organisationen angehören, gut ist und Ausdruck der Tatsache, dass die Linke in Deutschland eben mehr ist als die Partei DIE LINKE. Es war aus unserer Sicht bereits in der Gründungsphase der Partei DIE LINKE ein Fehler, die neue Partei auf ein Zusammengehen von WASG und Linke.PDS zu beschränken und andere Kräfte der außerparlamentarischen Bewegungen und linke Organisationen nicht organisiert am Gründungsprozess zu beteiligen. Wir sind für eine politische Pluralität, die es Mitgliedern ermöglicht, auch anderen Organisationen anzugehören und sich in diesen frei und unabhängig von Parteiapparaten und BundessprecherInnenräten zu organisieren, sofern sie damit nicht gegen Programm und Satzung der Partei und des Verbands verstoßen.

Aber selbst wenn man der Argumentation des BSPR folgen würde und das Projekt DIE LINKE einengt auf lediglich „parteiinterne“ Strukturen und die Partei gegen Mitglieder abschirmt, die noch in anderen Organisationen aktiv sind, fällt zweierlei auf:

Erstens legt der BSPR offenbar zweierlei Maß an. Die SAV wird aufgefordert, den Jugendverband zu verlassen, wenn sie sich nicht „parteiintern“ konstituiert. Warum aber fordert der BSPR nicht dasselbe vom Funken oder DIDF, die ebenfalls Strukturen haben, die nicht nur „parteiintern“ sind? Dass Karin Schnetzinger vom Funken 2008 ein Jahr Mitglied des BSPR war, hat offenbar niemanden im BSPR gestört. Wir vermuten, dass der Grund darin liegt, dass sich Teile des BSPR von Mitgliedern der SAV anders politisch herausgefordert fühlen und die Vorschläge von SAV-Mitgliedern zum Aufbau des Verbands sich politisch von denen des BSPRs stärker unterscheiden. Das bedeutet aber, dass eine politische Diskussion über die richtigen Vorschläge zum Aufbau des Verbands und des Programms nötig sind statt eines bürokratischen Vorgehens.

Zweitens ist die Aufforderung des BSPR, dass SAV-Mitglieder, die Arbeit im Jugendverbands beenden sollen, wenn sie sich nicht als „parteiinterne Strömung“ konstituieren, nicht von der Satzung der LINKE, der Satzung der Linksjugend["solid] oder den Entscheidungen der Bundesschiedskommission gedeckt (mal ganz abgesehen davon, dass die Mitgliedschaft im Jugendverband nicht an die Mitgliedschaft in der LINKEn gebunden ist). Die Satzung der LINKE und der Linksjugend["solid] kennt formal gesehen keine „parteiinternen Strömungen“, auch wenn eine Vielzahl politischer Strömungen in ihr wirken. Auf der Website der Linkspartei ist beim FAQ zum Parteibeitritt zu lesen: „Selbstverständlich stellt die Mitgliedschaft in Vereinen oder Verbänden kein Hindernis dar.“

§ 7 der LINKE-Satzung weist auf die Möglichkeit der Bildung „innerparteilicher Zusammenschlüsse“ hin, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, um anerkannt zu werden. Wenn man sich die Liste der existierenden Zusammenschlüsse ansieht, fällt aber auf, dass es auch eine Vielzahl anderer Strömungen gibt wie die AKL, marx 21, der Funke, DIDF, die emanzipatorische Linke, die nicht als innerparteilicher Zusammenschluss anerkannt sind und diese Anerkennung auch nicht beantragt haben.

In § 2 der Satzung heißt es: „Mitglied der Partei kann sein, wer das 14. Lebensjahr vollendet hat, sich zu den programmatischen Grundsätzen bekennt, die Bundessatzung anerkennt und keiner anderen Partei im Sinne des Parteiengesetzes angehört.“ Die Bundesschiedskommission der Partei DIE LINKE hielt in einem Beschluss vom 08.05.2009 fest, dass SAV-Mitglieder nicht gegen Programm oder Satzung verstoßen und die SAV auch keine Partei ist.

Sie schrieb darüberhinaus: „Die Mitwirkung in einer pluralen und offenen Partei schließt aber gerade nicht aus, dass einzelne Gruppierungen sich an der Partei beteiligen mit dem Ziel, eine bestimmte Richtung durchzusetzen. Vielmehr wäre es mit Offenheit und Pluralität ebenso wenig vereinbar, bestimmte Richtungen von vorneherein auszugrenzen.“ (…) „Auch aus dem Organisationsstatut der SAV lässt sich nicht herleiten, dass die Berufungsführer durch ihre Mitgliedschaft in der SAV und ihre dortige Sprecherfunktion zwingend in Widerspruch zur Satzung der Partei geraten würden und sich damit über die Beschlusslage der Partei geradezu hinweg setzen müssten.“

Das bedeutet, dass sich der BSPR mit seiner Argumentation bürokratischer und formaler gibt als die Bundesschiedskommission der Partei DIE LINKE. Und das in einer Situation, in der die Auseinandersetzung innerhalb der LINKEn um praktische Ausrichtung, Programm und Regierungsbeteiligung an Fahrt aufnimmt und der geschäftsführende Parteivorstand fünf bekannten Mitglieder der SAV die Aufnahme in die Partei verweigern will. Der BSPR stellt sich mit diesem Antrag – ob gewollt oder ungewollt – auf die Seite derjenigen, die die Pluralität des Verbands und der Partei gefährden und oppositionelle Kräfte zur Politik der Parteiführung schwächen.

Wir fragen euch: Wollt ihr einen stromlinienförmigen Jugendverband, der im Interesse einiger in der Parteiführung oppositionelle politische Strömungen aus dem Verband ausgrenzt oder wollt ihr einen kämpferischen Jugendverband, der die Partei von links herausfordert?

Berlin, 25. März 2010