Iran: Wie kann das Regime gestürzt werden?

Kampf für Demokratie mit sozialem Programm gegen Kapitalismus verbinden


 

Die Proteste im Iran im Dezember zum Aschura-Fest zeigten, dass die Massenbewegung im Sommer gegen die Wahlfälschung kein Strohfeuer, sondern der Beginn eines revolutionären Prozesses war. Zugleich gab es eine größere Entschlossenheit im Widerstand gegen den staatlichen Unterdrückungsapparat. Auf der anderen Seite bewiesen die Demonstrationen für das Regime, dass Mahmud Ahmadinedschad noch eine breitere soziale Basis hat als das Schah-Regime in seiner Endphase.

von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart

SozialistInnen unterstützen den Kampf für demokratische Forderungen: eine umfassende Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit und das Recht sich unabhängig zu organisieren, insbeson-dere das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung und das Streikrecht. Im Iran sehr wichtig ist ein Ende der staatlichen Einmischung in das Privatleben der Menschen in Form von Kleidervorschriften und ähnlichem. Weg mit allen Gesetzen und Vorschriften, die Frauen, Homosexuelle, nationale oder religiöse Minderheiten diskriminieren! Für die Trennung von Staat und Religion. Weiter notwendig ist die Auflösung reaktionärer paramilitärischer Organisationen wie der Basidschi.

Verfassungsgebende Versammlung

Damit das iranische Volk selbst über sein Schicksal entscheiden kann, sind wirkliche demokratische Wahlen notwendig, bei denen die KandidatInnen nicht vorher durch den Wächterrat ausgesiebt worden sind. In der Revolution 1979 hatte die Khomeini-Clique die Wahl einer Verfassungsgebenden Versammlung hintertrieben, indem sie in einer Volksabstimmung nur die Wahl zwischen der verhassten Monarchie und einer „islamischen Republik“ ließ und die Zustimmung zu einer „islamischen Republik“ (unter der die Massen etwas völlig anderes verstanden als Khomeini) zum Vorwand nahm, um die Verfassung durch Geistliche statt demokratisch gewählte VertreterInnen ausarbeiten zu lassen.

Die Wahl einer Verfassungsgebenden Versammlung steht bis heute aus. Aber wird der Staatsapparat, der im Sommer die Wahlen gefälscht hat, faire Wahlen für sie durchführen? Wirklich demokratische Wahlen müssten von unten durch demokratische Komitees in den Betrieben, Stadtteilen, Dörfern organisiert werden. Nach den vielen negativen Erfahrungen, die es in den letzten Jahrzehnten international mit bürgerlichen Parlamenten gab, – deren Abgeordnete nicht die Interessen ihrer WählerInnen, sondern der Reichen und Mächtigen vertreten –, gilt es, dass die iranischen Massen daraus lernen: Eine verfassungsgebende Versammlung mit gewählten VertreterInnen der Beschäftigten, Studierenden, Bauernschaft und nationalen Minderheiten, die jederzeit abwählbar sind und nicht mehr verdienen als ihre WählerInnen, könnte ein politisches System schaffen, das wirklich den Bestrebungen der Massen entspricht. Nötig ist die Etablierung einer Regierung der Arbeiter-Innen und Bauern.

Unter den über 70 Millionen Menschen im Iran sind neben den gut 50 Prozent Persern auch 25 Prozent Aserbaidschaner und etwa sieben Prozent KurdInnen. Viele nationale Minderheiten wurden in den letzten Jahrzehnten besonders stark unterdrückt. Der beste Weg, ihr Vertrauen zu gewinnen, besteht darin, für ihr volles Selbstbestimmungsrecht einzutreten – bis hin zum Recht auf Lostrennung. Das bietet die größte Chance, eine freiwillige Föderation, einen freiwilligen Staatenbund zu schaffen.

Wirtschaftliches und soziales Programm

Im Iran wurde in der Revolution 1979 unter dem Druck der Massen ein großer Teil der Wirtschaft, vor allem das umfangreiche Eigentum des Schah und seiner Günstlinge, enteignet. Entscheidende Bereiche der Wirtschaft blieben aber in privater Hand, vor allem die Basarhändler wurden vom Khomeini-Regime gefördert, so dass die Wirtschaft ihren kapitalistischen Charakter behielt.

Ein beträchtlicher Teil des nach der Revolution enteigneten Vermögens ging an unzählige Stiftungen, die Bedürftige (zum Beispiel Hinterbliebene der zahllosen Toten des iranisch-irakischen Krieges 1980-88) versorgen sollten. Der Staatssektor der Wirtschaft ist durch Bürokratismus geprägt.

Die iranische Wirtschaft steckt so tief in der Sackgasse, dass der zusätzliche Reichtum durch die hohen Ölpreise der letzten Jahre die ökonomischen Probleme des Landes nicht milderte und die Unterstützung des Ahmadinedschad-Regimes untergrub. Der freie Markt ist aber keine Alternative. Das zeigt die globale Wirtschaftskrise. Und das zeigen verschiedene kapitalistische Ölstaaten, in denen der Anstieg der Ölpreise für die Masse der Bevölkerung vor allem bedeutete, dass sie selber mehr für Transport oder Kochöl zahlen müssen.

Ein Programm der Liberalisierung, wie es Hossein Mussawi und Teile der Opposition vertreten, würde die Massen vom Regen in die Traufe bringen.

Nötig ist vielmehr, die noch bestehenden großen Privatunternehmen in öffentliches Eigentum zu überführen. Durch die Öffnung der Geschäftsbücher, durch Arbeiterkontrolle über die Produktion und eine demokratische Verwaltung der Betriebe durch die arbeitende Bevölkerung selber könnten Bürokratismus und Korruption in den Staatsbetrieben beseitigt werden. Die nur dem geistlichen Führer Khamenei verantwortlichen Stiftungen könnten durch ein durch die Masse der Bevölkerung demokratisch kontrolliertes System von Mindestlöhnen, Mindestsicherungen und die Verteilung der Arbeit auf alle ersetzt werden. Das würde allen ein menschenwürdiges Leben sichern.

Die heutige Subventionspolitik verhindert eine sinnvolle Planung der Wirtschaft, weil sie keinen Aufschluss über die zur Herstellung der Güter notwendige Arbeitszeit gibt und besonders beim Benzin einen Anreiz zum Schmuggel ins Ausland und zur Energievergeudung mit verheerenden ökologischen Folgen bietet.

So ein sozialistisches Programm könnte die arbeitenden Massen – auch die Teile, die noch Ahmadinedschad unterstützen – für die Revolution mobilisieren. Die Erfahrung von 1978/79 zeigte die zentrale Bedeutung der Arbeiterklasse für den Sturz einer Regierung. Zugleich ist Demokratie unverzichtbar, damit die arbeitende Bevölkerung Wirtschaft und Gesellschaft in ihrem Interesse organisieren kann. Damit die Energie der Massen nicht verpufft, sollten Anstrengungen unternommen werden, eine Arbeiterpartei mit sozialistischem Programm aufzubauen.

Internationale Auswirkungen

Bei einer solchen Ausrichtung könnte die iranische Bewegung natürlich nicht mit der Unterstützung der Regierungen des Westens rechnen. Dafür hätte es ungeheure Ausstrahlung auf die arbeitenden Menschen in der ganzen Region. Diese Sympathie wäre anders als Atomwaffen ein wirksamer Schutz gegen imperialistische Bedrohungen. Es würde auch den israelischen Lohnabhängigen eine Alternative zur Unterstützung der eigenen Herrschenden zeigen und dadurch den PalästinenserInnen (anders als Ahmadinedschads antisemitische Provokationen) wirklich helfen.