Welche Aufgaben für den Widerstand?
Nach den Wahlen kommt das Zahlen… Jahrelang haben Unternehmer, Manager, Spekulanten eine große Sause veranstaltet. Jetzt wol-len sie die Zeche prellen und Beschäftigten und Erwerbslosen die Rechnung zuschanzen. AktivistInnen in Betrieben, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, LINKE-Anhänger und SozialistInnen haben keine Zeit zu verlieren, eine kraftvolle Protest- und Streikbewegung aufzubauen. Dafür brauchen wir dringend inhaltliche Debatten, Organisierung und Aktivierung.
von Aron Amm, Berlin
Kanzlerin Angela Merkel wiegelt ab: niemand müsse einen „Eissturm“ fürchten. Aber auch wenn offen ist, wann Steuerumverteilungen, weitere „Flexibilisierungen“ des Arbeitsmarktes und Kürzungen bei Gesundheit, Pflege und Rente anstehen, wird das Kapital angesichts der Krise darauf pochen, dass seine Wunschregierung keine „halben Sachen“ macht. Zudem drohen in den nächsten Wochen bereits serienweise Entlassungen und ein Kahlschlag in den Kommunen.
Die Gewerkschaften sind immer noch die potenziell stärkste Kraft in der Gesellschaft. Darum bleibt der Kampf in und um die Gewerkschaften – gegen Co-Management, für einen klassenkämpferischen Kurs – unabdingbar. Gleichzeitig müssen Initiativen von unten ergriffen werden. Denn die Zeit drängt.
Streiks und Betriebsbesetzungen
Belegschaften dürfen sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. Darum müssen Vertrauensleute- und Betriebsrätekonferenzen eingefordert werden. Zur selben Zeit können aber auch Schritte zur Schaffung von regionalen Widerstandskomitees wie das Aachener „Solidaritätsnetzwerk zur Verteidigung von Arbeitsplätzen“ hilfreich sein. Hier können Erfahrungen ausgetauscht, Solidarität organisiert und auf betriebsübergreifende Demonstrationen und Streiks hingearbeitet werden.
Das einzige, was Arbeitsplätze retten kann, ist der Kampf um Arbeitsplätze. Wenn ganze Werke vor dem Aus stehen, dann reichen Mahnwachen und symbolische „Fünf-vor-zwölf“-Aktionen nicht aus. In dieser Situation sind Betriebsbesetzungen der einzige Weg.
Massenproteste gegen kommunale Kürzungen
Viele Jugend- und Sozialeinrichtungen stehen bereits vor dem Aus. Darum gilt es, Betroffene, AnwohnerInnen, Gewerkschaften, LINKE-Mitglieder zusammenzubringen, Bündnisse zu initiieren, in den Stadtteilen zu mobilisieren und gegen die Rotstift-Politik Sturm zu laufen. Das sollte damit verbunden werden, für bedarfsgerechte Haushalte zu kämpfen. Dafür braucht es Versammlungen, auf denen AnwohnerInnen, Vereine, Kitas, Schulen und andere den eigentlichen Bedarf feststellen.
Jetzt vorbereiten: Generalstreik gegen Generalangriff
Bei der IG-Metall-Jubelveranstaltung zugunsten der SPD in Frankfurt am Main forderten Gewerkschaftslinke am 5. September einen Generalstreik als „wirksamste Waffe gegen den Generalangriff, der uns bevorsteht“. Das sei nicht „auf Kommando“ möglich, sondern müsse „vorbereitet und in den Gewerkschaften durchgesetzt werden“. Ein eintägiger Generalstreik würde die Kapitalisten (trotz Krise) nicht nur ökonomisch treffen, sondern der arbeitenden Bevölkerung ihre eigene Kraft sichtbar und spürbar machen. Darum ist es eine zentrale Aufgabe, auf betrieblicher Ebene für diesen Schritt zu werben und in gewerkschaftlichen Strukturen Anträge einzubringen.
Systemfrage
Wenn Kapitalbesitzer Betriebe schließen, weil sie sich nicht genug Rendite versprechen, dann muss die Überführung dieser Betriebe in öffentliches Eigentum gefordert werden. Wenn Kommunalpolitiker auf leere Kassen verweisen, dann muss mit dem Finger auf die Vermögen der Reichen und Konzerne gezeigt werden. Wenn Hartz V geplant wird, dann muss die Verteilung der Arbeit auf alle bei vollem Lohn- und Personalausgleich dagegen gestellt werden. Es gilt also, beim Aufbau des Widerstands auch über grundlegende gesellschaftliche Alternativen, über eine sozialistische Perspektive zu diskutieren.
Ansätze und Aufgaben
In den nächsten Wochen stehen mit der Auto-Koordination, dem Treffen des ver.di-Netzwerks, der Arbeitszeit-Konferenz und der Zusammenkunft der Gewerkschaftslinken (siehe Spalte) relevante Termine an. Die Bildungsstreik-Konferenz im September war inhaltlich und zahlenmäßig (mit weniger als 50 TeilnehmerInnen) leider schwach; damit ist es sehr offen, was sich in der geplanten Aktionswoche Mitte November tun wird.
Wichtig wird die bundesweite Aktionskonferenz vom Bündnis „Wir zahlen nicht für Eure Krise!“ vom 13. bis 15. November in Stuttgart. Schon in den kommenden Wochen sollten sich AktivistInnen für Widerstands- und Streikkomitees gegen Entlassungen einsetzen und Proteste gegen kommunale Kürzungen lostreten. Von der Aktionskonferenz könnte ein bundesweites Signal für einen eintägigen Generalstreik ausgehen und daran anknüpfend der Druck in den Gewerkschaften intensiviert werden.
Eine Nagelprobe für den Widerstand könnte auch die im Winter beginnende Tarifrunde für Bund und Kommunen werden. Es ist zu befürchten, dass die Arbeitgeber hier eine Offensive für „Verzicht in Zeiten von Krise und Haushaltslöchern“ starten.
Der italienische Dramatiker Dario Fo schrieb vor 35 Jahren ein Stück, in dem Frauen aus Wut über Wucherpreise einen Supermarkt plündern. Das Stück trägt den Titel: „Bezahlt wird nicht!“ Wenn die Herrschenden uns heute die Rechnung für die Krise ihres Systems präsentieren, dann muss genau das unsere Losung sein: „Bezahlt wird nicht!“