KO für Karamanlis
Am 4. Oktober 2009 fanden in Griechenland vorgezogene Parlamentswahlen statt. Die konservative bisherige Regierungspartei Neue Demokratie (ND) unter Kostas Karamanlis wollte vom Volk ein Mandat für ihre Sparpolitik und erlitt die schwerste Niederlage ihrer Geschichte. Sie erreichte nur noch 34 Prozent (-8 Prozentpunkte).
von Hubert Schönthaler, Köln
Die oppositionellen Sozialdemokraten der PASOK unter Jorgos Papandreou konnten mit 44 Prozent (+ 6 Prozentpunkte) stark zulegen und gewannen die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament (ca. 160 von 300) und können nun eine Alleinregierung bilden. Die linken Parteien, die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) mit knapp 8 Prozent und das Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) mit 4,6 Prozent erlitten leichte Verluste. Die Grünen konnten mit 2,5 Prozent die Drei-Prozent-Hürde nicht überwinden und schafften somit nicht den Sprung ins Parlament. Am rechten Rand konnte die Völkische Orthodoxe Sammlungsbewegung (LAOS) leicht zulegen und wurde mit 5 Prozent viertstärkste Partei.
Gesellschaftlicher Hintergrund
Die Wahlen fanden vor dem Hintergrund der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg statt. Bürgerliche Experten rechnen bis Jahresende mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit von 8,9 Prozent auf mindestens 11 Prozent und bis Ende 2010 sogar auf weit über 15 Prozent (TAZ, 6.10.2009). Bereits jetzt können 23 Prozent der GriechInnen ihre Rechnungen nicht bezahlen, fahren nicht in Urlaub und essen selten Fleisch (Kathimerini, 19.5.2009). EineR von fünf GriechInnen lebt unter der Armutsgrenze, die für eine vierköpfige Familie 918.- Euro beträgt.
Die junge Generation arbeitet für 400 bis 500.- Euro monatlich in prekärer Beschäftigung ohne elementare Rechte auf Sozialversicherung.
Die staatliche Sparpolitik dauert nun schon 25 Jahre, seien nun Konservative oder Sozialdemokraten an der Regierung. Trotz des ständigen Geredes von leeren Staatskassen erhalten die Banken von Karamanlis 28 Mrd. Euro bei Gewinnen von 1,5 Mrd. Euro seit Jahresbeginn.
Die großen Parteien des Kapitals
Als Antwort auf die Krise hatten die großen Parteien unterschiedliche Konzepte vertreten. Die ND war ehrlich und kündigte harte Sparmaßnahmen an (z.B. Lohnstopp im Öffentlichen Dienst und Streichungen im Staatshaushalt). Dagegen versprach die PASOK die Ankurbelung der Wirtschaft durch Konjunkturprogramme, die Heraufsetzung des Spitzensteuersatzes, die stärkere Besteuerung von Kapitalerträgen und Dividenden (KStA, 6.9.2009) sowie eine ökologische Politik.
Unter anderem durch die Medienunterstützung konnte die PASOK gewisse Erwartungen in sich wecken. Die Menschen wollten einfach die gegenwärtige ND-Regierung loswerden. Doch die Politik der PASOK in Zukunft wird ebenso volksfeindlich sein wie die bisherige der Konservativen. So schreibt auch die TAZ: „Die ersten hundert Tage der neuen Regierung werden also ein böses Erwachen bringen.“
Obwohl die Summe der Stimmen für die beiden großen Parteien, die seit der Etablierung der bürgerlichen-parlamentarischen Demokratie nach dem Ende der faschistischen Militärdiktaktur 1974 sich mit absoluten Mehrheiten abwechseln, nicht sehr gesunken ist, sprechen griechische Zeitungen von einem „historischen Tiefstand“ (Ethnos, 5.9.2009) und von einem „Rückzug des Zweiparteiensystems“. Für deutsche Verhältnisse ist das Zweiparteiensystem in Griechenland mit zusammen 78 Prozent noch recht stabil. Tatsache ist, dass die griechischen Linksparteien die Dominanz der beiden Hauptparteien des Kapitals nicht durchbrechen konnten.
Die Linke
Die Linke insgesamt konnte leider die Verhältnisse der Krise nicht nutzen und der Massenbewegung auch keine Perspektiven geben. Die Schwäche der Linken, Antworten auf die großen sozialen Probleme zu geben, ließ Raum für einen Anstieg des rechtsextremen Populismus von (LAOS), die weiterhin eine große Gefahr für die Zukunft darstellt.
Die Linke trägt die Verantwortung, ihren bis jetzt eingeschlagenen Kurs kritisch zu bilanzieren, Schlüsse daraus zu ziehen und zu helfen, dass sie selbst und die Bewegung vorankommen.
Die KKE muss ihre Politik der Spaltung der Bewegung durch getrennte Kundgebungen und Demonstrationen beenden und die katastrophale Politik des „die einzigen reinen Linken ist die KKE, alle Übrigen sind Feinde der Bewegung“ aufgeben.
Obwohl SYRIZA gemessen an den Meinungsumfragen von 2008 (bis zu 18 Prozent) einen starken Absturz erlebt hat, sind die jetzigen 4,6 Prozent angesichts der derzeitigen inneren Krise ein gutes Ergebnis. Vor sechs Wochen war die Zukunft von SYRIZA völlig unsicher. Heute zeigt sich, dass es eine stabile Basis von vier bis fünf Prozent gibt, der versteht, dass die einzige ernsthafte Perspektive für die Wiedergeburt der Linken und der Arbeiterbewegung in Griechenland zur Zeit in SYRIZA liegt.
Für SYRIZA eröffnet sich eine neue günstige Periode. Die PASOK wird in Kürze entzaubert werden, die Infragestellung wird beginnen und wiederum wird sich Zorn und Unzufriedenheit in der Gesellschaft anhäufen.
SYRIZA kann diese neuen objektiven Möglichkeiten nutzen und schnell vorankommen. Dies jedoch nur durch Interventionen in die alltäglichen Kämpfe der Bewegung. Ohne Kompromisse und weich gekochte Positionen, sondern mit mutigen und systemkritischen Worten, die die alltäglichen Kämpfe mit einer sozialistischen Perspektive verbinden. Mit einer organisatorischen Struktur, die SYRIZA tatsächlich demokratisch und kollektiv handelnd macht und sich für Mitglieder öffnet, die keiner der Mitgliedsorganisationen angehören. (SYRIZA ist derzeit keine Mitgliederorganisation, sondern ein Bündnis linker Parteien und Organisationen, so dass die nicht in letzteren organisierten Anhänger nicht mitbestimmen können.)
Der Kampf des CWI in Griechenland
Die griechische Sektion des CWI, die Sozialistische Internationalistische Organisation „Xekinima“ arbeitet seit Mitte 2008 kollektiv in SYRIZA mit. Sie stellte in drei Wahlkreisen Kandidaten von SYRIZA, in Korfu, Volos und Thessaloniki. Die Ergebnisse sind besonders zufriedenstellend. SYRIZA konnte in diesen Wahlkreisen im Vergleich zu den letzten Wahlen 2007 seine Prozentanteile wie auch die absoluten Stimmen steigern, obwohl es landesweit 0,7 Prozentpunkte verlor. Es war das erste Mal, dass „Xekinima“ bei nationalen Wahlen kandidierte. Dies war eine neue Erfahrung und enthielt viele unbekannte Faktoren, viel Experimentieren und Lehren für die Zukunft. Damit ausgestattet wird „Xekinima“ weiterhin dafür kämpfen, die sozialistischen Ideen in der Gesellschaft sowie SYRIZA und die Interessen der Massenbewegung zu stärken.