DIE LINKE fordert Re-Kommunalisierung
Bereits Ende 2008 berichtete die Nordsee-Zeitung (NZ) erstmals über die katastrophale Arbeitssituation der rund 250 Beschäftigten des Seniorenheims Marie von Seggern und des Pflegezentrums Bürgerpark. Berichtet wurde von der Nichteinhaltung tarifvertraglicher Regelungen durch den Arbeitgeber, den Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie gravierender Arbeitszeiterhöhung. Betreiber dieser Heime ist die Oldenburger Hansa-Gruppe, die die Einrichtungen im Februar 2002 von der Stadt Bremerhaven kaufte. Auf eine Privatisierung hatte sich die Große Koalition in der damaligen Koalitionsvereinbarung festgelegt.
von Patrik Schulte, Bremerhaven
In dem Kaufvertrag verpflichtete sich die neue Eigentümerin, für mindestens 10 Jahre sämtliche erworbenen Rechte der Beschäftigten fortbestehen zu lassen und keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Schon damals war abzusehen, dass solche „Verpflichtungen“ keinen Bestand haben würden, wenn man die Heime an ein privates Unternehmen verscherbelt, für das nur eine profitable Handhabung der Heime in Frage kommt. In der Folge kamen zudem weitere Folgen der Privatisierung ans Tageslicht. Die NZ berichtete über eklatante Pflegemängel im Pflegezentrum Bürgerpark, die deutlich machten, wie ernst die Situation für Beschäftigte und die zu pflegenden Menschen ist. Die Gewerkschaft ver.di verurteilte die Nichteinhaltung des Bestandsschutzes und forderte daraufhin den Magistrat auf, den Arbeitgeber an seine Verpflichtungen aus dem Vertrag zu erinnern. Die Große Koalition, die die Privatisierung zu verantworten hat, sah sich jedoch nicht veranlasst, diese gegenüber der Hansa-GmbH einzufordern.
Daraufhin wurde auf der Bremerhavener Kreismitgliederversammlung der LINKEN bereits im Januar von den SAV-Mitgliedern Patrik Schulte, Thorben Mahlstedt und Ingo Rehmke ein Antrag (siehe Anlage 1) eingebracht, der aufgrund der untragbaren Situation in den Pflegeheimen die umgehende Re-Kommunalisierung der Heime forderte und schließlich auch mehrheitlich beschlossen wurde. Dementsprechend sollte ein Antrag in der Stadtverordnetenversammlung (StVV) eingebracht werden, der jedoch aufgrund 2-maliger Nichtbehandlung erst Anfang September in der StVV behandelt wurde.
Im Vorfeld fand zusätzlich eine Podiumsdiskussion der Gruppe „DIE LINKE.“ in der StVV am 20. August statt, die die Forderungen der Partei auch in der Öffentlichkeit bekannt machen sollte. Die Veranstaltung zeigte, dass eine Re-Kommunalisierung von vielen Menschen in der Stadt unterstützt wird, da die negativen Folgen der Privatisierung mehr als offensichtlich sind. Die Gewerkschaft ver.di schloss sich der Forderung der LINKEN an und rief am Tag der StVV zu einer Protestkundgebung vor dem Tagungsgebäude auf, an dem sich leider viel zu wenige Beschäftigte der Pflegeheime beteiligten.
Die Diskussion über den Antrag der LINKEN in der StVV am 2. September verlief wie erwartet. Es war im Vorfeld klar, dass die Große Koalition, die die Privatisierung damals beschlossen hatte und die sonstigen etablierten Parteien, sowie die Nazis, den Antrag generell ablehnen würden. Nachdem Walter Müller für DIE LINKE. den Antrag vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Zustände begründete und dabei auch auf das generelle NEIN der LINKEN zur Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge hinwies, folgten insbesondere von Seiten der VertreterInnen von SPD und CDU regelrechte Wutreden gegen den Antrag, die Partei und ihren Vertreter.
Inhaltlich wurde der Zusammenhang zwischen der erfolgten Privatisierung und der jetzigen katastrophalen Situation sowie die Verantwortung der Großen Koalition für diesen Umstand zurückgewiesen.
Grotesk wurde es, als selbst der Presse (NZ) vorgeworfen wurde, ihre Berichterstattung sei tendenziös und übertrieben. Besonders aus dem Rahmen fiel Oberbürgermeister Schulz (SPD) der mit übler Polemik die Stimmung im Saal anheizte und sich als „eisenharter“ Neoliberaler präsentierte, der sich den Verkauf von öffentlichem Eigentum auf seine Fahnen geschrieben hat.
Mit diesem Antrag kurz vor den Bundestagswahlen hat DIE LINKE. in Bremerhaven noch einmal eindrucksvoll demonstriert, dass sie die einzige Partei ist, die sich konsequent für die Menschen einsetzt und linke Inhalte in der Öffentlichkeit vertreten kann. Die Debatte in der StVV hat gezeigt, dass alle anderen Parteien und Gruppen klar für Privatisierungen und ihnen die Folgen ihrer verfehlten Politik gleichgültig sind.
Die Ablehnung des Antrags ist jedoch nicht das Ende des Kampfes für die Forderung der Re-Kommunalisierung der Pflegeheime. Um die Diskussion in der Öffentlichkeit zu verstärken und weitere Mitstreiter für die Forderung zu gewinnen, hat der Bremerhavener Kreisvorstand in seiner Sitzung am 1. September beschlossen, eine Kampagne im Verbund mit den betroffenen Beschäftigten, der Personalvertretung und ver.di nach der Bundestagswahl zu starten. Dementsprechende Vorbereitungen werden in Kürze getroffen werden. Die Initiative für diese Kampagne ging auch hier von den o.g. Antragstellern des ersten Antrags, der die Re-Kommunalisierung forderte, aus, die auf der letzten Kreismitgliederversammlung (KMV) im August einen dementsprechenden Antrag (siehe Anlage 2) stellten. Diesem schloss sich der Vorstand nach Nichtbehandlung auf der KMV schließlich an. Nach dem Willen der Mitglieder soll die Kampagne auch generell die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge thematisieren, um so die Positionen der LINKEN in der Öffentlichkeit populärer zu machen.
Dokumentiert: Antrag vom Januar
Positionierung der Partei „DIE LINKE.“ zur Situation bei den von der Hansa GmbH betriebenen Pflegeheimen in Bremerhaven
Die 6. Kreismitgliederversammlung des Kreisverbands Bremerhaven der Partei
„DIE LINKE.“ am 30.01.2009 möge beschließen:
Wir solidarisieren uns mit den 250 Kolleginnen und Kollegen des Marie-von-Seggern-Heims und des Seniorenheims am Bürgerpark, deren Arbeitsplätze durch andauernde Lohnkürzungen und den enormen Arbeitsdruck durch die Geschäftsführung des Unternehmens akut gefährdet sind.
Gleichzeitig verurteilen wir die eklatanten Pflegemängel in den Pflegeheimen, die von der Nordsee-Zeitung vor kurzem öffentlich gemacht wurden und eine breite Diskussion über die Zustände in der Pflege ausgelöst haben. Wir schlussfolgern, dass diese katastrophale Situation die direkte Folge der Privatisierung der ehemals städtischen Seniorenheime im Jahre 2002 ist.
Zur kurzfristigen Problemlösung wird der Kreisvorstand aufgefordert umgehend Gespräche mit den Kolleginnen der Gewerkschaft ver.di zu führen, um zu beraten, wie die berechtigten Ansprüche der Kolleginnen und Kollegen auf Lohn und angemessene Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden können. Um die Pflegesituation für die Heimbewohner zu verbessern, muss die Hansa GmbH dazu gedrängt werden, den Stamm des qualifizierten Fachpersonals zu erhöhen, um eine weitere Überlastung der momentan Beschäftigten und die mangelnde Versorgung der Heimbewohner zu verhindern bzw. abzustellen.
Langfristig fordern wir die Re-Kommunalisierung des Marie-von-Seggern-Heims, des Seniorenheims am Bürgerpark, sowie des dort angegliederten Pflegezentrums und der zwei lokalen Altenpflegeschulen. Wir stellen fest, dass die Stadt Bremerhaven eine Mitverantwortung für die momentane Situation, durch die Privatisierung ihrer einstmals städtischen Seniorenheime im Jahre 2002, trägt. Wir sind der Ansicht, dass die Pflege von alten und kranken Menschen nicht in die Hände von profitorientierten Wirtschaftsunternehmen gehört. Daher sind die angesprochenen Einrichtungen umgehend wieder in kommunales Eigentum zu überführen. Dies ist zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der pflegebedürftigen Menschen erforderlich.
Der Kreisvorstand und unsere Vertreter in der Stadtverordnetenversammlung (StVV) werden daher dazu aufgefordert, umgehend, und unter Beteiligung der Mitgliedschaft, einen entsprechenden Antrag auszuarbeiten, der in der nächsten Sitzung der StVV am 12.02.2009 eingebracht werden soll. Um diesen Antrag publik zu machen und für breite Unterstützung in der Bevölkerung zu werben, ist eine dementsprechende Öffentlichkeitsarbeit zu durchzuführen.
Begründung:
Am 17.12.2009 wurde erstmals durch die Nordsee-Zeitung (NZ) in der Öffentlichkeit bekannt gemacht unter welchen Bedingungen die Beschäftigten bei den angesprochenen Einrichtungen ihre Arbeit leisten. Berichtet wurde von Verstößen gegen tarifvertragliche Vereinbarungen, Verzicht auf Sonderzahlungen wegen einer angeblich drohenden Insolvenz, Arbeitsüberlastung durch zu wenig Personal und Lohndruck durch den Einsatz von LeiharbeitnehmerInnen. OB Schulz sieht keinen Einfluss der Stadt und die Privatisierung auch nicht als Fehler prüft bis heute lediglich juristische Schritte. Auch von Seiten der Gewerkschaft ver.di wird der Umstand angeprangert, aber unserer Kenntnis nach nicht entsprechend gehandelt. In Folge dieses Berichts wurde durch vielfache Berichterstattung in der NZ, das wahre Ausmaß der Privatisierungsfolgen deutlich. Eklantante und menschenunwürdige Pflegemängel kamen an das Tageslicht und wurden in der Öffentlichkeit scharf verurteilt. Die Hansa GmbH ist uneinsichtig und weist alle Vorwürfe pauschal von sich. Es wird deutlich, dass hier kein Wille vorhanden ist, sich den Problemen zu stellen und die Gefährdung von Menschen billigend in Kauf genommen wird. Die angestrebten Gutachten durch den MDK und die Heimaufsicht und die dann mögliche folgende Tadelung der Geschäftsführung wird nichts an den grundlegenden Verhältnissen in den Pflegeheimen ändern. Daher ist es unsere Aufgabe, als einzige Partei in der Stadtverordnetenversammlung die Privatisierungen ablehnt, dass wir in der öffentlichen Diskussion eine Alternative zum Status Quo anbieten und beweisen, dass die Politik sehr wohl Möglichkeiten besitzt einzugreifen um im Sinne der Mehrheit der Menschen zu handeln.
Bremerhaven, den 22.01.2009
Patrik Schulte
Ingo Rehmke
Thorben Mahlstedt
Antrag vom August
Positionierung der Partei „DIE LINKE.“ zur Re-Kommunalisierung der privatisierten Pflegeheime in Bremerhaven
Die 8. Kreismitgliederversammlung des Kreisverbands Bremerhaven der Partei „DIE LINKE.“ am 21.08.2009 möge beschließen:
Die Kreismitgliederversammlung am 30.01.2009 beschloss einen Antrag, der die Forderung nach Re-Kommunalisierung aller Bremerhavener Pflegeheime und einen entsprechenden Antrag unserer Stadtverordneten in der Stadtverordnetenversammlung (StVV) forderte. Mittlerweile hat der Stadtverordnete Müller dieses Anliegen in der Presse und in der StVV vertreten. Der entsprechende Antrag, der in der nächsten Sitzung der StVV auf der Tagesordnung steht, beinhaltet jedoch lediglich die Forderung nach Re-Kommunalisierung des Pflegezentrums Bürgerpark. Da weitere Heime in privatem Besitz existieren, wird unsere Stadtverordneten in der StVV aufgefordert, den Antrag auf alle privatisierten Pflegeheime entsprechend dem Antrag vom 30.01.2009 auszuweiten.
Gleichzeitig werden die Stadtverordneten und der Kreisvorstand aufgefordert, gemeinsam und unverzüglich eine Kampagne vorzubereiten, die die unverzügliche Re-Kommunalisierung der damals privatisierten Pflegeheime als Ziel haben muss. Diese soll unter Einbeziehung der eigenen Mitgliedschaft, der Gewerkschaft ver.di sowie der Betriebsräte der Heime durchgeführt werden. Dazu sollen Veranstaltungen durchgeführt werden, die sich auch generell mit der Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und öffentlichen Eigentums auseinander setzen und in der Öffentlichkeit über die negativen Folgen für die Gesellschaft aufklären.
Patrik Schulte
Ingo Rehmke
Thorben Mahlstedt