Wie weiter mit dem Bildungsstreik?

Bericht vom Bonner Vernetzungstreffen zum bundesweiten Bildungsstreik


 

Am letzten Wochenende trafen sich in den Räumen der Universitätsklinik Bonn rund 100 AktivistInnen aus verschiedenen Bundesländern um die bundesweite Bildungsstreikwoche vom 15. bis 19. Juni 2009 auszuwerten und die Perspektiven der Bewegung zu diskutieren. Festgehalten wurde neben einem Termin für die nächste Bildungsstreikwoche unter anderem die Beteiligung von Bildungsstreiks-Komitees an möglichen weiteren Protesten von ErzieherInnen und dem Bündnis „Wir zahlen nicht für eure Krise“ am 17. September.

Vertreten waren vor allem SchülerInnen aus Nordrhein-Westfalen, aber auch viele SchülerInnen, Studierende und andere Gruppen aus Berlin, Heidelberg, München, Münster, Kassel, Freiburg, Trier, Hannover, Göttingen, Potsdam und Marburg. Einige Städte, die beim Bildungsstreik eine wichtige Rolle gespielt haben.

Nach dem großen Erfolg der Bildungsstreikwoche im Juni, den Demonstrationen mit über 280.000 Teilnehmenden, den verschiedenen Aktionen wie symbolischen Banküberfällen, Universitätsbesetzungen und Solidaritätsaktionen mit Beschäftigten und Auszubildende vor Ort stellt sich die Frage, wie die entstandene Bewegung Wege finden kann, die Proteste nach Sommer- und Semesterferien fortzusetzen und auszuweiten.

Wie weiter nach den Ferien?

Auch wenn Ferien und Prüfungen die Proteste erstmal gebremst haben, wurde aus mehreren Städten berichtet, die Leute hätten „Hummeln im Arsch“ und würden gerne bald weitermachen. Nach einer überwiegend positiven Auswertung der Protestwoche drehte sich die Debatte deshalb schnell um eine Terminfindung für die nächsten Aktionen – dass die Bewegung sich fortsetzen würde, wurde als selbstverständlich gesehen.

So wurde als nächster Aktions- und Protesttag der 17. September 2009 festgehalten. Der verantwortliche ver.di-Gewerkschaftssekretär Harald Giesecke, der auch an dem Treffen teilnahm, sagte, dass dieser Tag auch ein Streiktag der ErzieherInnen werden könnte, wenn der Kommunale Arbeitgeberverband bis dahin kein akzeptables Angebot machen würde. Auf Streikversammlungen im August wollen die Gewerkschaftsmitglieder hierüber entscheiden. Der Slogan „Geld für Bildung statt für Banken“ sei nicht nur bei SchülerInnen und Studierenden einer der beliebtesten, sondern auch bei den Erziehern. Solch ein gemeinsamer Protesttag könnte ein weiterer Schritt in die Richtung breiter Proteste sein und gerade in der politisierten Zeit vor der Bundestagswahl ein wichtiges Zeichen setzten. Außerdem würde ein erfolgreicher Streik der ErzieherInnen für den notwendigen Rückenwinden für den Bildungsstreik sorgen.

Darüber hinaus einigten sich die AktivistInnen auf eine zweite bundesweite Aktionswoche vom 16. bis 22. November, die ähnlich wie die Woche im Juni auf einer bundesweiten Demonstration am 17. November gipfeln soll. Damit wurde beschlossen, dass der nächste Bildungsstreik sich in die sogenannte „Global Week of Action“, der International Students Movement (ISM) einreihen soll, die bisher nur vereinzelt kleinere Aktionen in Ländern wie Kroatien, Finnland und den Philippinen hervorgebracht hat. Es wurde trotzdem argumentiert, man könne dem Bildungsstreik so den notwendigen internationalen Charakter verleihen.

Dem widersprachen vor allem Studierende mit dem Argument, dass ihnen dieser Termin nicht genug Zeit zur Mobilisierung nach den Semesterferien lässt. Hier entfachten sich leider immer wieder heftige Konflikte zwischen einzelnen Teilnehmenden, was durch ein kompliziertes Abstimmen im Konsensverfahren und zeitraubende Diskussionen angeheizt wurde.

Gemeinsam kämpfen

Positiver war die übergreifende Grundhaltung, sich gerade auch im Zusammenhang mit der Krise mehr mit Auszubildenden, Haupt-, Real- und Gesamtschülern sowie Gewerkschaften zu vernetzten um eine breitere und schlagkräftigere Bewegung aufzubauen. Die Notwendigkeit für gemeinsamen Widerstand hatten SAV-Mitglieder mit in die Diskussion hinein getragen und hierbei betont, dass in der Zeit nach den Bundestagswahlen zu erwarten ist, dass die Folgen der Krise auf dem Rücken der Beschäftigten und Jugendlichen abgewälzt werden.

Von Leuten aus verschiedensten Zusammenhängen gab es eine positive Bezugnahme zum Vorschlag eines Generalstreiks. In Frankreich zum Beispiel, hatte erst kürzlich ein anhaltender SchülerInnenprotest zu Generalstreiks im Januar und März geführt, wie eine SAVlerin berichtete. Neben der Aktion mit den Kita-Beschäftigten am 17. September wurden noch weitere Ideen gesammelt, wie Beschäftigte und Auszubildende mehr mit eingebunden werden könnten. So wurde von einem Gewerkschafter des Bonner Universitätsklinikums verschiedene Ansätze wie aktive Mittagspausen und Betriebsversammlungen als Mittel vorgeschlagen, sodass sich Auszubildende an Protesten beteiligen könnten. Eine Initiative der Vernetzungskonferenz will sich zudem darum kümmern, dass Betriebs- und Berufsschultouren ins Leben gerufen werden, bei der SchülerInnen und Studierende die Auszubildende informieren könnte. Ein anwesender Jugend-Sekretär des Deutschen Gewerkschaftsbunds hatte über ähnliche Vorhaben der Jugendstrukturen der Gewerkschaften IG Metall und ver.di berichtet.

Bundesweite Koordinierung wiederbelebt

Diskutiert wurde auch, dass es dringend wieder eine bundesweite Koordinierungsstruktur geben solle, da die alte Struktur kürzlich zusammenbrach. Da alle Teilnehmenden damit übereinstimmten, dass es einen neuen Ko-Kreis geben solle, konstituierte sich dieser neu, SAV-Mitglied Paula Rauch wird mit Anderen in diesem Gremium aktiv sein. Beschlossen wurde, dass dieser offen sein und möglichst die Bündnisse vor Ort widerspiegeln sollte. Beschriebene Aufgaben sind unter anderem, Neuigkeiten und Anfragen an lokale Bündnisse weiterzuleiten, bestehende Arbeitsgruppen zu vernetzen und bundesweite Treffen vorbereiten. Auch über eventuelle Aufgaben bei längeren Streiks oder Besetzungen wurde gesprochen, jedoch ohne konkretes Ergebnis.

Weitere Diskussionen

Über den Vorschlag von SAV-Mitgliedern und Anderen, Forderungen für den nächsten Bildungsstreik zu konkretisieren, konnte aufgrund von Zeitmangel leider nicht mehr diskutiert werden. Dies wäre allerdings dringend notwendig gewesen, um Durchbrüche zu erzielen und es den Herrschenden schwieriger zu machen, sich mit faulen Kompromissen aus der Affäre zu ziehen. Der Vorschlag der SAV dazu war: Abschaffung des Turbo-Abis, der Studiengebühren und des Bachelor-/ Mastersystems, außerdem die Neueinstellung von 100.000 LehrerInnen, kleinere Klassen mit einer maximalen Größe 20 und 50 Milliarden jährlich an Mehrausgaben für Bildung. Sollte es gelingen, Aktionsgrad und Selbstorganisation massiv zu steigern und die Forderungen zuzuspitzen, dann würde sich die Frage eines Erzwingungsstreiks stellen.

Einige TeilnehmerInnen betonten, dass es wichtig sei, in der ersten Augustwoche in Frankfurt/Main auf einem weiteren Auswertungstreffen die Debatten fortzuführen. Hierin liegt allerdings die Gefahr, dass bereits getroffene Entscheidungen wieder in Frage gestellt werden.

Zusätzlich soll es nach dem Bildungsstreik um den 17. November 2009 die nächste bundesweite Konferenz des Bündnisses geben, wo die weiteren Perspektiven und die Vernetzung mit den Gewerkschaften im Vordergrund stehen soll.