Beschäftigte müssen das Sagen haben
Seit Ende letzten Jahres wird über die „Opel-Lösung“ geredet. Nur eines ist bislang sicher: Die Beschäftigten sollen zahlen. Auch Gesamtbetriebsrat und IG-Metall-Führung predigen Verzicht. Höchste Zeit, dass die KollegInnen sich wehren.
von Angelika Teweleit, Berlin
Nachdem General Motors (GM) seine Tochter Opel in die Eigenständigkeit entlassen hat, gehört das Unternehmen zu 65 Prozent einer staatlich kontrollierten Treuhand (und zu 35 Prozent GM). Geplant ist, dass diese die Mehrheit an den kanadisch-österreichischen Autozulieferer Magna und die russische Sberbank verkauft. Bislang gibt es aber nur Absichtserklärungen.
Möglich, dass das „Tauziehen um Opel“ noch bis zur Bundestagswahl anhält. Da die Vernichtung von 10.000 Stellen in Europa anvisiert ist, will die Bundesregierung die Zeit bis zum Wahltag irgendwie überbrücken.
Die Motivation der bietenden Investoren ist vor allem zweierlei: Erstens billig Konkurrenten aufkaufen und sich darüber Marktanteile sichern, zweitens möglichst viel Staatsknete absahnen. Die Investoren – ob Magna, der chinesische Autohersteller BAIC, die Sberbank oder Ripplewood – kümmert nicht, was mit den Belegschaften passiert. Außer, dass die ArbeiterInnen noch billiger werden sollen.
Schluss mit Verzicht!
„Verzichtsverträge bekamen wir seit 1993 einen nach dem anderen aufgedrückt. Wir waren damals noch 19.200 Beschäftigte in Bochum, jetzt sind wir nur noch 5.200“, erklärt Wolfgang Schaumburg, ehemaliger Opelaner, der auch oppositionelles Betriebsratsmitglied war.
Die Krise soll zu weiteren Zugeständnissen der Belegschaft genutzt werden. So wird die Auszahlung des Urlaubsgeldes verschoben und die fällige Tariferhöhung um 1,2 Prozent ausgesetzt. Gleichzeitig hat der Betriebsrat eine Aktiengesellschaft gegründet, die zehn Prozent der Anteile an Opel erwerben soll. Jeder Kollege soll nun zwangsweise im Schnitt über 40.000 Euro in „New Opel“ einbringen. Wenn es dann weiter bergab geht, haben die KollegInnen eben verloren.
Konzerne wie Magna werden dagegen von solchen Risiken befreit. Für den mickrigen 300-Millionen-Euro-Übergangskredit, den Magna zur Verfügung stellt, bürgt nämlich die Bundesregierung. Dafür darf Magna aber noch acht Prozent Zinsen einkassieren!
Letztlich ist es egal, wer bei Opel einsteigt. Denn die Absatzkrise bedeutet: 90 Millionen Autos können weltweit gebaut werden – 45 Millionen werden wahrscheinlich 2009 verkauft. Der Abbau von Kapazitäten ist so sicher wie das Amen in der Kirche. GM und Opel markieren nur den Anfang. Eine Kampfstrategie für den Erhalt aller Arbeitsplätze ist das Gebot der Stunde.
Gewerkschaftsbürokratie
Davon ist bei der Mehrheit des Betriebsrats unter der Führung von Klaus Franz wie auch bei der IG-Metall-Spitze zur Zeit nichts zu entdecken. Franz spricht von „fairer Lastenverteilung“. Und die Gewerkschaftsoberen rufen weiter danach, das Instrument Kurzarbeit zu nutzen. Bei Opel verlieren KollegInnen dadurch jeden Monat 200 bis 300 Euro. Und danach werden Tausende trotzdem auf die Straße gesetzt. Es ist jetzt nötig, in den Betrieben selbst die Initiative zu ergreifen, sich zu vernetzen und den Druck in der IG Metall von unten aufzubauen. Gerade in Bochum kann an die Erfahrungen des siebentägigen wilden Streiks von 2004 angeknüpft werden.
Was tun?
Die Politik des Verzichts gehört beendet. Die Alternative kann nur heißen zu kämpfen, und zwar für den Erhalt aller Arbeitsplätze. Das muss Thema bei Betriebsversammlungen sein; wenn keine stattfinden, müssen sie eingefordert werden.
Demonstrationen reichen nicht aus. Es müssen Arbeitskampfmaßnahmen ergriffen werden. Um gegen Entlassungen und Produktionsabbau vorzugehen, ist es nötig, eine Besetzung des Betriebes in Angriff zu nehmen. Und zwar, bevor es zu spät ist. So kann auch der Abbau von Maschinen und Produktionsanlagen verhindert werden.
Die gesamte Belegschaft muss in einen Arbeitskampf einbezogen sein. Das ist möglich über tägliche Diskussionsversammlungen. Nötig ist die Wahl einer Streikleitung. Die Gewählten müssen täglich Rechenschaft abgeben und der jederzeitigen Abwählbarkeit unterliegen.
Der Kampf darf nicht isoliert bleiben. Schon beim letzten Streik 2004 in Bochum gab es große Demonstrationen unter Einbeziehung der arbeitenden Bevölkerung im ganzen Ruhrgebiet. Durch die Gründung von Solidaritätskomitees können Beschäftigte aus anderen Bereichen, Jugendliche, Familien mit ins Boot geholt werden. Zulieferbetriebe, die direkt von einer Schließung betroffen sind, sollten in Arbeitskampfmaßnahmen einbezogen werden. Zudem sind Verbindungen zu den anderen Opel-Werken, grenzüberschreitend, sowie zu anderen Autokonzernen notwendig, damit der Kampf nicht wie 2004 isoliert bleibt. Dafür sind Vernetzungen von kämpferischen AktivistInnen auf allen Ebenen nötig.
Verstaatlichung im Interesse der arbeitenden Bevölkerung
Eine „Opel-Lösung“ auf der Grundlage von kapitalistischem Eigentum wird massiven Arbeitsplatzabbau nach sich ziehen. Die Satzung der IG Metall besagt: „Aufgaben und Ziele der IG Metall sind insbesondere (…) die Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum.“ Es wäre an der Zeit, dass die IG Metall diese Forderung wieder hörbar macht. Die Führung schweigt sich darüber aus. Wir müssen das aber jetzt einbringen. Denn ohne diese Perspektive ist es unmöglich, einen Kampf für den Erhalt aller Arbeitsplätze erfolgreich zu führen.
Wie könnte das in der jetzigen Situation konkret aussehen? Nehmen wir an, in Bochum oder anderswo wird das Werk besetzt. Andere KollegInnen wie in Rüsselsheim folgen ihrem Beispiel. Streik und Besetzung würden mit Massendemonstrationen verbunden. Forderungen der Streikenden sollten dann sein: Offenlegung der Geschäftsbücher gegenüber der Belegschaft; Übernahme von Opel durch den Staat; Entlassung der Manager; Leitung der Betriebe durch ein Gremium, das sich zu je einem Drittel aus VertreterInnen der Belegschaft, der IG Metall und der Regierung zusammensetzt. Nicht nur die RepräsentantInnen der Belegschaft, sondern auch der Gewerkschaft sollten gewählt (und von der Belegschaft bestätigt) werden – möglicherweise auf dafür extra einberufenen Delegiertenkonferenzen. So wäre eine Zweidrittelmehrheit der Arbeitnehmerseite garantiert. Solche Gremien sollten nicht nur in einem Werk, sondern auch konzernweit gewählt werden. Auf allen Ebenen müsste es regelmäßige Versammlungen geben, auf denen über Entscheidungen informiert wird und bei Bedarf Neuwahlen veranlasst werden können. VertreterInnen von Umweltschutz- und Verbraucherverbänden könnten mit einbezogen werden.
Zudem würde es darum gehen, einen alternativen Produktionsplan im Interesse von Mensch und Umwelt zu entwickeln. Humane Arbeitsbedingungen, unter anderem mittels der 30 Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich, müssten ganz oben auf der Agenda stehen. Solche Maßnahmen dürften nicht nur in einem Unternehmen ergriffen werden, sondern müssten branchenweit angegangen werden.
Ein solcher Kampf würde die Tür aufstoßen, in der gesamten Arbeiterklasse über Alternativen zum jetzigen Profitsystem zu diskutieren – hin zu einer demokratisch geplanten Wirtschaft nach den Bedürfnissen von Mensch und Natur.