Wer hat Angst vorm Bildungsstreik? Die Kultusminister der Länder wollten am Freitag ihre Kultusministerkonferenz abhalten. Angesichts der Proteste reisten die Minister früher ab; der Protest war dafür um so lebendiger.
von Michael Koschitzki, Berlin
Ab 12 Uhr versammelten sich hunderte SchülerInnen und Studierende vor der Landesvertretung Baden Württemberg in Berlin, wo die Kultusministerkonferenz stattfinden sollte. Viele von Ihnen waren schon bei der Demonstration am Mittwoch und beim Banküberfall am Donnerstag beteiligt. Einige SchülerInnen schwänzten anlässlich des Protestes wieder den Unterricht, um bei der Blockade dabei zu sein. Die Kultusminister aber hatten ihre Konferenz vorzeitig beendet und waren bereits am Vormittag abgereist.
Die BildungsstreikerInnen ließen sich ihren Mut aber nicht nehmen. Ulrich Thöne, Vorsitzender der Gewerkschaft GEW, wieß darauf hin, dass er sich trotz seiner ergrauten Haare dem jugendlichen Protest zugehörig fühle. Er überbrachte die solidarischen Grüße der LehrerInnen, DozentInnen und der streikenden ErzieherInnen und forderte alle Anwesenden auf, weiter gemeinsam zu kämpfen.
Anschließend zogen alle in einer Demonstration zur Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Mit Zwischenstopp am Potsdamer Platz wuchs die Demonstration auf zirka 750 TeilnehmerInnen an. Vor dem Sony Center, dem Bundesrat und verschiedenen Bankfilialen wurde mehrfach gegen die Umverteilung zu Gunsten der Reichen protestiert. Der Slogan „Brecht die Macht der Banken und Konzerne“ kam immer wieder gut an. Mit Bildungsleichenaktionen und Rennen blieb die Demonstration bei guter Laune.
Paula, Mitglied der SAV und Moderatorin bei der Demonstration, protestierte in einer kurz vorbereiteten Rede gegen die Schülerdatei und heizte den Anwesenden ein. Sebastian berichtete von den Streiks gegen Studiengebühren in Hessen und forderte einen gemeinsamen Kampf mit Beschäftigten und einen langen Atem. „Für französische Verhältnisse“ beendete er seine Rede.
An der Senatsverwaltung angelangt wurde Zöllner, der Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung, zur Demonstration herausgebeten, um sich den Fragen zu stellen. Als zuständiger Senator stellte er sich zunächst den Fragen, wurde aber von der Menge für seine Antworten ausgebuht, als er das Bachelor- und Mastersystem versuchte zu rechtfertigen.
Währenddessen hatte eine spontane Besetzung der Senatsverwaltung für Finanzen stattgefunden, wohin sich die Demonstration im Eilschritt bewegte. In die Senatsverwaltung waren rund 10 Schüler und Studierende eingedrungen und hat ein Transparent mit der Aufschrift „Besetzt“ aus dem Fenster gelassen. In ihrer Erklärung forderten sie ein ganzheitliches Umdenken im Bildungssystem und eine gerechte Finanzierung. Die Aktion wurde erfolgreich und friedlich beendet.
In einem anschließendem Eilmarsch rasten hunderte verbliebene Demonstranten, die selbst dem Regen getrotzt hatten, zum Roten Rathaus, welches ebenfalls belagert wurde und in das einige DemonstrantInnen eindringen konnten. Insbesondere die Bildungspolitik des Rot-Roten Senats kritisiert und auf die laufenden Verhandlungen der Hochschulrahmenverträge, wo es um die Finanzierung der Berliner Universitäten geht, verwiesen. Nach der Aufforderung der Polizei sich Richtung S-Bahnhof zu entfernen wurde dieser ebenfalls besetzt und dabei versucht Passanten auf die Proteste aufmerksam zu machen.
Die Proteste zum Abschluss der Bildungsstreikwoche haben eine enorme Energie gezeigt, wobei TeilnehmerInnen sieben Stunden am Stück lautstark protestiert haben und nicht Müde wurden, auf die Situation im Bildungswesen aufmerksam zu machen. Diese Energie wird in den kommenden Wochen für weitere Proteste zum Beispiel zu den Verhandlungen der Hochschulrahmenverträge gebraucht werden. Diese Studierenden und SchülerInnen werden nicht wieder ruhig im Hörsaal und Klassenraum sitzen. Am Montag wird es an vielen Universitäten Vollversammlungen geben, wo über die nächsten Schritte beraten wird. An der Humboldt-Universität und der Technischen Universität sind sie bereits für 14 Uhr angekündigt. Bis dahin liegt noch ein spannendes Wochenende vor uns. Zum Ende der Besetzung des Bahnhofes Alexanderplatz skandierten die Anwesenden „Heute Alex morgen Tempelhof“.