Es gibt eine Alternative zur Massenarbeitslosigkeit

Demokratische Planung statt kapitalistische Krise


 

Schon 100.000 Leiharbeiter wurden seit 2008 entlassen. Stellenstreichungen, Betriebs- und Standortschließungen drohen. Auf dem Arbeitsmarkt „steht das Schlimmste noch bevor“ (FAZ vom 22. Mai), trotz Ausweitung der Kurzarbeit werden spätestens „in der zweiten Jahreshälfte deutlich mehr Menschen ihre Arbeit verlieren“. Dennoch ist es möglich, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Erstens können wir Entlassungen und Betriebsschließungen stoppen, zweitens können neue Arbeitsplätze geschaffen werden und drittens kann die vorhandene Arbeit, durch Arbeitszeitverkürzung, auf alle verteilt werden.

von M. A., Aachen

Einfach ist dies natürlich nicht. Dazu brauchen wir entschlossenen Widerstand, doch den brauchen wir sowieso. Sonst behält der Internationale Währungsfonds mit seiner Prognose Recht, dass in Deutschland die Zahl der Arbeitslosen bis Ende 2010 von offiziell drei auf fünf Millionen steigt.

Der Erhalt der Arbeitsplätze und die Schaffung neuer Stellen ist nicht utopisch. Viel utopischer ist es, durch „Zukunftssicherungsverträge“ die Zukunft der Beschäftigten sichern zu wollen oder durch „Konjunkturpakete“ die Konjunktur nachhaltig zu beleben.

Krise der Autoindustrie

In der Marktwirtschaft produziert jeder Konzern in Konkurrenz zu den anderen. Außerdem muss er Profite machen, sonst geht er pleite. Die Autoindustrie hat international die Kapazitäten, um 94 Millionen Fahrzeuge zu produzieren. Das sind gut 30 Millionen mehr als 2008 verkauft wurden und 40 Millionen mehr als 2009 schätzungsweise abgesetzt werden. Natürlich denkt jeder Konzern, dass von seiner Marke bei weitem nicht genug gekauft wurden. Aber irgendwann ist es soweit. Die Kapazitäten müssen schrumpfen: Standorte werden geschlossen, Menschen werden entlassen, Maschinen verschrottet. Das ist die Absatzkrise, die wir zur Zeit erleben.

Die Konzerne, die übrig bleiben, setzen darauf, ihre Position auszubauen, indem sie Konkurrenten während der Krise aus dem Weg räumen (Fiat-Chef Sergio Marchionne meint, dass von den zehn Großen in zwei Jahren nur noch sechs übrig bleiben werden). Doch die Beschäftigten werden dafür teuer bezahlen: Die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich, der Lohn sinkt, die Arbeitslosigkeit steigt und damit die Zukunftsangst.

Beispiel Opel

Fiat ist einer der Interessenten, die Opel aufkaufen möchten. Fiat hat ein Einsparszenario „Project Football“ ersonnen. Schließlich hätte der künftige Konzern global Überkapazitäten von 25 bis 30 Prozent. Fünf Autofabriken und fünf Werke, in denen Motoren und Getriebe gefertigt werden, will man schließen. 18.000 Arbeitsplätze sollen wegfallen, davon 3.600 an deutschen Standorten.

Sollte der Opel-Blitz an den Autozulieferer Magna gehen, wäre die Gefahr für Zehntausende Arbeitsplätze keineswegs gebannt. Im Gegenteil. „Mit 24 Milliarden Euro Umsatz ist der Autozulieferer nur halb so groß wie BMW. Vor allem ist Magna Autozulieferer und wird so von der Krise voll getroffen“, so Winfried Wolf in der jungen Welt vom 30. April. „Perspektivisch ist Magna selbst ein Kandidat für eine Pleite.“

Gesellschaftlicher Blick

Im Juni 1990 schrieb der IG-Metall-Vorstand in seinem Papier „Auto, Umwelt und Verkehr“: „Wenn die Beschäftigung in der Automobil- und Zulieferindustrie aus umwelt- oder verkehrspolitischen Gründen nicht weiter ausgedehnt, sondern nur stabilisiert werden kann oder im Trend zurückgeht, dann muss über neue Beschäftigungsperspektiven nachgedacht werden.“

Würde man jetzt mal gesamtgesellschaftlich überlegen, würde man wahrscheinlich zu folgenden Ergebnissen kommen: Das Auto ist ökologisch gesehen kein optimales Fortbewegungsmittel, da gibt es doch sparsamere Optionen. Aber jeder soll natürlich das Recht haben, sich fortzubewegen. Daher sollte der öffentliche Verkehr ausgebaut werden.

Damit es den Menschen nicht schwer fällt umzusteigen, sollte dieser attraktiv und kostenlos sein. Dabei gibt es viele Aspekte zu beachten: Menschen müssen zur Arbeit kommen, Getränke müssen ins Haus geschafft werden, Kinder müssen in den Wald können, Rollstuhlfahrer müssen sich frei bewegen dürfen… Am Besten die Betroffenen – Beschäftigte, PlanerInnen und Nutzer-Innen – gestalten den öffentlichen Verkehr demokratisch und in eigener Regie.

Die Beschäftigten in der heutigen Autoindustrie könnten ihre Produktion umstellen und die Arbeit durch radikale Arbeitszeitverkürzung auf alle verteilen. Zu teuer ist dies nicht, da die notwendige Arbeit auf alle verteilt wird; es wird produziert, was gebraucht wird. Schon heute kriegt man eine Idee davon, bei welchen Ausgaben dann gespart werden könnte: Autobahnbau, Kosten für Verkehrsopfer, durch Verkehr anfallende Umweltverschmutzung…

Demokratische Planwirtschaft

Doch dies ist nicht vereinbar mit dem Profitstreben der einzelnen Konzerne. Die Konzerne müssen dafür in Gemeineigentum überführt und unter demokratische Kontrolle und Verwaltung der Belegschaften und der ganzen arbeitenden Bevölkerung gestellt werden. In einer sozialistischen Demokratie wäre es möglich, den heutigen Überfluss und die heutigen Ressourcen – Arbeitskräfte, Know-How, Produktionsstätten und Erfahrung – im Sinne von Mensch und Natur einzusetzen.

Heute anfangen

Es wäre natürlich fatal, würden SozialistInnen einfach nur auf den Sozialismus vertrösten. Wir kämpfen hier und heute für Verbesserungen und gegen jede Verschlechterung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen. SozialistInnen kämpfen am Entschiedensten, zum Beispiel für den Erhalt aller Arbeitsplätze, da wir wissen, dass die Interessen des Kapitals mit denen der ArbeiterInnen nicht vereinbar sind. Daher stellen wir uns konsequent auf die Seite der Beschäftigten, Arbeitslosen, Jugendlichen, RentnerInnen.

Arbeit auf alle aufteilen

Wer arbeitet, muss immer länger arbeiten. Die Arbeitshetze nimmt stetig zu. Wer keine Arbeit hat, ist zum Nichtstun verdammt. Es ist Zeit, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Taktzeiten müssen dringend verlängert werden. Zudem ist es erforderlich, die Arbeit auf alle zu verteilen, durch die 30-Stunden-Woche. Doch das geht natürlich nur bei vollem Lohnausgleich.

Die Produktivität pro Beschäftigten-Stunde der Industrie Deutschlands ist von 1992 bis 2008 um etwa 100 Prozent gestiegen, in der gesamten Wirtschaft pro Erwerbstätigen-Stunde um ein Drittel. Die „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ hat mal nachgerechnet: Würde man das heutige Arbeitsvolumen auf alle 44 Millionen Erwerbspersonen verteilen, dann würden etwa 28 Stunden pro Woche reichen, um das heutige Bruttoinlandsprodukt bereitzustellen. Die arbeitenden Menschen sind es, die heute einen gewaltigen Reichtum schaffen – der allerdings in die Taschen der Reichen und Mächtigen wandert. Damit muss Schluss sein, der von uns erwirtschaftete Reichtum muss auch uns zu Gute kommen.

Die Erfahrung aus den achtziger Jahren in der Bundesrepublik hat gezeigt, dass Arbeitszeitverkürzung Stellen schaffen oder sichern kann. Sie ist von den Arbeitgebern allerdings auch zur Flexibilisierung und Arbeitsintensivierung genutzt worden. Daher ist eine Reduzierung nur in großen Schritten und bei vollem Personalausgleich sinnvoll.

Öffentliches Investitionsprogramm

Bund, Land und Kommunen bauen selber Arbeitsplätze ab, bilden weniger Jugendliche aus und übernehmen weniger. Dabei müssten sie selber neue Arbeitsplätze schaffen. Doch stattdessen investieren sie in zweifelhafte Konjunkturprogramme. Spätestens nach der Bundestagswahl bekommen wir die Quittung, schließlich rechnen Bund, Länder und Kommunen mit einem Anstieg der Schulden in den nächsten vier Jahren um über 300 Milliarden Euro.

In der Wochenzeitung vom 26. Februar schrieb Tom Adler, IG-Metall-Betriebsrat der Alternativen Liste im Daimler Werk Stuttgart-Untertürkheim: „Einen Rohstoff gibt es allerdings, der im Überfluss vorhanden ist: das Wissen der FacharbeiterInnen im Autobau und die Kreativität von Zehntausenden in den Entwicklungsbereichen.“ Das kann und muss genutzt werden, durch die Umstellung der Produktion auf andere, gesellschaftlich und ökologisch sinnvolle Produkte.

Zudem gibt es so viele Bereiche, in denen dringend mehr Personal gebraucht wird: Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Altenpflege. Die SAV fordert ein staatliches Investitionsprogramm von 100 Milliarden Euro jährlich in den Bereichen Bildung, Umwelt, Gesundheit und Soziales. Unbefristete, tariflich bezahlte Arbeitsplätze müssen im Öffentlichen Dienst geschaffen werden. Die Mittel dafür müssen wir bei den Reichen holen. Eine Vermögenssteuer von zehn Prozent bei einer Million und 80 Prozent Spitzensteuersatz ab 500.000 Euro Jahreseinkommen sind Möglichkeiten, um dies zu finanzieren.

Arbeitslosigkeit bestimmt unser Leben

• Zur Zeit haben wir offiziell 3,6 Millionen Arbeitslose in Deutschland (in Wirklichkeit sind es sogar doppelt so viele).

• Im Juni 2008 waren 794.000 Menschen als Leiharbeiter beschäftigt, doppelt so viele wie 2003 (seit Frühjahr 2008 sind laut DGB über 100.000 von ihnen entlassen worden).

• 6,5 Millionen Menschen arbeiten im Niedriglohnbereich. Das sind 22 Prozent aller Beschäftigten, 43 Prozent mehr als 1995. In keinem anderen EU-Land arbeiten mittlerweile so viele Menschen für Niedriglöhne wie in Deutschland. Ein Niedriglöhner im Westen bekommt im Schnitt 6,89 Euro, im Osten 4,86 Euro.

• Jeder vierte neue Erwerbslose wird laut DGB direkt zum Hartz-IV-Empfänger. In den ersten vier Monaten 2009 rutschten 440.000 Beschäftigte nach ihrer Kündigung unmittelbar in die Hartz-IV-Bedürftigkeit.

Arbeitslosigkeit bestimmt unser Leben. Sie bedeutet Zukunftsangst für uns, unsere Kinder und unsere Freunde. Schon in der Schule steigert sie den Leistungsdruck. Arbeitslosigkeit macht uns erpressbar. Sie macht uns arm und krank.

Arbeitslosigkeit und Kapitalismus gehören zusammen, beides ist überflüssig. ν