Kurzarbeit: Im Sinne der Beschäftigten?

Im Zuge der sich entwickelnden Rezession nimmt Kurzarbeit immer mehr zu. Waren im Oktober 2007 noch 15.000 davon Betroffen, waren es ein Jahr später bereits 57.000. Seither hat sich die Zahl nochmal deutlich auf über 165.000 zum Jahresende 2008 erhöht. Was bedeutet das für die Beschäftigten?


 

von Torsten Sting, Rostock

Seit dem Herbst des vergangenen Jahres ist es insbesondere in der Autoindustrie und den Bereichen der Wirtschaft, die mit ihr eng verbunden sind (Zulieferer der Metall, Stahl und Chemieindustrie) zu einem massiven Absatzeinbruch gekommen. Eine bis zu 30 Prozent geringere Auslastung der Betriebe sorgt dafür, dass sich die Beschäftigten Sorgen um ihre Arbeitsplätze machen.

Was ist Kurzarbeit?

In dieser Situation kommt ein Gesetz wieder in Mode, dass über viele Jahre kaum noch Beachtung gefunden hat. Das so genannte „Kurzarbeitergeld“ sieht vor, dass die Unternehmer Entlassungen verhindern sollen und dafür Zuschüsse aus der Kasse der Bundesagentur für Arbeit erhalten. Die ArbeitnehmerInnen erhalten 60 (kinderlos) bzw. 67 Prozent (mit Kindern) des letzten Entgeltes. Die Arbeitszeit kann auf Null Stunden reduziert werden. Die Bundesregierung hat zuletzt per Verordnung die Bezugsdauer für das Jahr 2009 von bislang sechs auf maximal 18 Monate angehoben und in der Bundesagentur für Arbeit heißt es, dass entsprechende Anträge von Unternehmen wohlwollend behandelt werden (diese müssen erklären, warum in absehbarer Zeit damit zu rechnen ist, dass sich die Geschäftslage bessert und die Gesamtbelegschaft wieder gebraucht wird) In dieser Zeit begleicht das Arbeitsamt den Lohn. Der Kapitalist muss nur die Beiträge zu den Sozialversicherungen weiter einzahlen.

Politisches Ziel dieser „Kurzarbeit-Offensive“ ist auch Entlassungswellen aufgrund der Krise zu verzögern und dadurch kollektiven Widerstand zu erschweren. Es soll auch der Eindruck erweckt werden, die Unternehmen würden „alle Möglichkeiten ausschöpfen“, um Entlassungen zu verhindern. Für die DAX-Konzerne, die großspurig angekündigt haben, betriebsbedingte Kündigungen im Jahr 2009 zu vermeiden, bietet die Kurzarbeit die Möglichkeit diese Ankündigung, die ohnehin auf entsprechenden Verträgen mit den Gewerkschaften basiert, eventuell einzuhalten

Einschnitte für Betroffene

In größeren Betrieben konnten die Gewerkschaften durchsetzen, dass die Löhne auf bis zu 95 Prozent durch das Unternehmen aufgestockt werden (zum Beispiel bei Daimler). Kein Wunder, dass so mancher Kollege dieses Instrument als sinnvolle Alternative zu einer drohenden Entlassung ansieht.

Neben den Großbetrieben, gibt es jedoch viele kleinere Firmen, deren Belegschaften sich in einer schlechteren Ausgangslage befinden und nur den Mindestsatz erhalten. Dies bedeutet einen massiven Einschnitt für die Betroffenen. Miete und Lebenshaltungskosten bleiben natürlich gleich.

Keine Alternative?

Kurzarbeit wird in der Regel von den Betriebsräten und Gewerkschaften mitgetragen. Nach dem Motto: Lieber kurz und mit finanziellen Einbußen arbeiten und den Job behalten, als diesen zu verlieren. Die Kapitalseite beabsichtigt mit dem Gesetz eine Senkung der Lohnkosten, um damit die Profitrate zu steigern bzw. Verluste zu vermeiden. Die Kosten für die Krise, die von der Kapitalistenklasse und ihrem System ausgelöst wurde, werden so auf die Arbeiterklasse – durch Lohnkürzungen und Kurzarbeitergeld aus Mitteln der Sozialversicherungen – verlagert.

Die gesetzliche Kurzarbeit weist jedoch auf einen richtigen Gedanken hin: nämlich, dass in Zeiten der Krise und darüber hinaus, die vorhandenen Arbeitsplätze nur verteidigt werden können,wenn die vorhandene Arbeitszeit verkürzt wird. Die Gewerkschaftsbürokratie hat in den vergangen Jahren in allen Bereichen Arbeitszeitflexibilisierung und -verlängerung zugestimmt. Kritische und linke Betriebsräte und GewerkschafterInnen sollten sich dafür einsetzen, dass jetzt eine Kampagne aller

Gewerkschaften vorbereitet wird, die sich zum Ziel setzt, alle Arbeitsplätze zu verteidigen und sich die 30-Stunden -Woche beim vollem Lohn und Personalausgleich auf die Fahne schreibt. Auf der Grundlage des kapitalistischen Eigentums haben die Konzerne immer noch genügend Möglichkeiten dieses zu Unterlaufen. Deshalb sollte gelten: Arbeit oder voller Lohn! Wenn Unternehmen dazu nicht bereit sind und Entlassungen oder Betriebsschließungen ankündigen, müssen sie enteignet und in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die Belegschaft und die arbeitende Bevölkerung überführt werden. Die Partei DIE LINKE sollte solche Forderungen aktiv unterstützen und mit entsprechenden Anträgen im Bundestag und Kampagnen auf der Straße und in den Betrieben ergänzen.

Anhang: Zitat aus einem Artikel der FAZ zu Kurzarbeit vom 27./28.12.08

Allerdings (…) komme es auf eine genaue Prüfung des Einzelfalls an. Der Experte für Sozialrecht weist darauf hin, dass Kurzarbeitergeld später den Bezug von Elterngeld mindern kann, weil der Behördenzuschuss nicht als Berechnungsgrundlage akzeptiert wird. „Wir empfehlen daher, schwangere Frauen oder werdende Väter von Kurzarbeit auszunehmen.“ Die Sozialleistungsträger geben zu solchen Auswirkungen Auskunft.

Auch Beschäftigte, die sich in der aktiven Phase von Altersteilzeit befinden, sollten sich vor der Annahme von Kurzarbeit informieren (…). Es könne sein, dass sie später das reduzierte Arbeitsvolumen nacharbeiten müssten und sich der Eintritt in die passive Phase, also den vorgezogenen Ruhestand, verschiebe.

Ebenso kann es nach Angaben der Arbeitnehmervertreter zu Veränderungen kommen, wenn während der Kurzarbeitsphase das Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Von diesem Moment an fällt das Kug (Kurzarbeitergeld) weg; das heißt, der Betroffene muss mehrere Monate bis zum faktischen Ausscheiden aus dem Unternehmen mit weniger Geld auskommen.

Informieren sollten sich Beschäftigte auch, welche Auswirkungen Kurzarbeit auf Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld oder Boni hat.