Stoppt die Job- und Klimakiller

Autoindustrie in Gemeineigentum überführen


 

10.000 Leiharbeiter haben in den letzten Wochen allein in der deutschen Autoindustrie ihren Job verloren. Jetzt schlägt die Krise auf die Stammbelegschaften durch. Gemeinsamer Kampf statt Standortkonkurrenz ist das Gebot der Stunde.

von Ursel Beck, Stuttgart

Täglich gibt es neue Horrormeldungen. In der Zulieferindustrie stehen bereits betriebsbedingte Kündigungen, Pleiten und Betriebsschließungen auf der Tagesordnung.

„Schutzschild“ für Profite

Die staatlichen Gelder, die jetzt überall fließen, sind kein „Schutzschild“ für Arbeitsplätze, sondern für Profite. Welcher Irrsinn hier abläuft, zeigt sich daran, dass der Staat in den USA einerseits Gelder an die Autokonzerne mit der Maßgabe zahlt, die Produktivität zu erhöhen und Kapazitäten abzubauen und gleichzeitig VW für ein neues Werk in Tennessee mit 500 Millionen Dollar US-amerikanischer Steuergelder subventioniert werden soll.

Überkapazitäten

Die Hoffnung, durch energiesparende Antriebstechnologien die Absatzkrise zu überwinden, ist eine Illusion. Toyota hat zum Beispiel längst den Hybridantrieb; trotzdem ist der größte Autobauer auf dem Planeten ebenfalls von der Krise betroffen.

Zudem zeigt sich, dass die Autokonzerne gar nicht willens sind, umweltfreundlichere Autos zu produzieren. Die Torpedierung des EU-Ziels, den CO2-Ausstoß weiter zu begrenzen, hat das deutlich gemacht. Die globalen Überkapazitäten – von etwa 30 Prozent – verschärfen den Konkurrenzkampf. Und aus Sicht der einzelnen Privatunternehmen erfordert das eigene Überleben radikale Kostensenkungen zu Lasten der Beschäftigten und der Umwelt.

Zusätzlich verlangen sie von ihren jeweiligen nationalen Regierungen staatliche Gelder als Standortvorteil im globalen Vernichtungskrieg. Die herrschende Klasse in den USA treibt die Angst um, dass die „Big Three“ (Ford, Chrysler, GM) die Verlierer in diesem Krieg sein könnten und die japanischen und deutschen Konzerne die Konkursmasse des amerikanischen Autosektors übernehmen könnten. Deshalb machen sie zweistellige Milliardenbeträge an Steuergeldern locker, um die US-Autobranche zu retten.

Stärke der Arbeiterklasse

Aber es ist auch die Angst vor einem Aufstand der Automobilarbeiter gegen Werkschließungen, die die Herrschenden umtreibt. Die ArbeiterInnen der Autoindustrie gehören zu den entscheidenden industriellen Kampfbataillonen der Arbeiterklasse.

Als der Fiat-Konzern im Herbst 2002 die Entlassung von 8.100 Beschäftigten und die komplette Schließung des sizilianischen Werkes ankündigte, kam es zu einer Werkbesetzung, einer 40-tägigen Auslieferungsblockade und einem Aufstand der gesamten Region. Die Opel-Belegschaft hat mit ihrem siebentägigen Streik im Oktober 2004 eine enorme Kampfbereitschaft demonstriert.

Auch in der heutigen Krise gibt es die ersten Anzeichen der Gegenwehr. Bei Ford im englischen Southampton trat die Belegschaft innerhalb einer Woche zweimal in den Ausstand. Die Belegschaft des Autozulieferer HWU im schleswig-holsteinischen Hohenlockstedt besetzte ihr Werk aus Protest gegen die Insolvenz im Dezember für acht Tage. Im württembergischen Ludwigsburg sind am 12. Dezember mehr als 1.000 Menschen gegen die Schließung eines Standorts des Getriebeherstellers Getrag durch die Innenstadt marschiert. Auf einem Transparent hieß es: „Gemeinsam kämpfen statt einzeln zu Sklaven werden!“

Kurswechsel der IGM nötig

Aufgabe der IG Metall (IGM) und der Betriebsräte in der Autoindustrie ist es, konsequent die Interessen der KollegInnen zu vertreten und einen gemeinsamen Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlasten und gegen Arbeitsplatzabbau zu organisieren. Stattdessen erleben wir, dass Spitzenfunktionäre der IGM und der Betriebsräte erneut auf Standortpolitik setzen. Zusammen mit den Autobossen haben sie die EU-Richtlinie zum CO2-Ausstoß ausgehebelt. In dem aktuellen Sieben-Punkte-Programm fordert die IGM-Führung Kurzarbeit als Mittel zur Beschäftigungssicherung und Ergänzungstarifverträge. Die Beschäftigten sollen also den Erhalt ihrer Arbeitsplätze durch Lohnverzicht selbst finanzieren.

Die Betriebsratsfürsten in den Konzernen haben bereits die ersten Betriebsvereinbarungen über Kürzungen bei den Personalkosten unterschrieben. Der Opel-Konzern-Betriebsratsvorsitzende, Klaus Franz, hat sogar vorgeschlagen, dass GM Saab verkauft und Opel die Produktion übernimmt. Solche Vorschläge lösen weder die Krise noch die Probleme der Beschäftigten; vielmehr tragen sie zur Spaltung zwischen den Belegschaften bei.

Programm gegen Kapitalinteressen

Die Krise der Autoindustrie darf nicht durch Werkschließungen, Lohnklau und erhöhtem Leistungsdruck gelöst werden. Im Interesse der Beschäftigten weltweit und im Interesse der Umwelt ist es nötig, die Autoindustrie in Gemeineigentum zu überführen und demokratisch zu verwalten. Nur durch die Verstaatlichung kann erreicht werden, dass keine Profite mehr abgezogen werden oder Manager sich bereichern.

Eine verstaatlichte, demokratisch verwaltete Autoindustrie und eine grundlegende Umgestaltung der Wirtschaft können die Interessen von Beschäftigten und Umwelt verteidigen. Statt Kurzarbeit könnte die Arbeitszeit sofort auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich reduziert werden. Die Taktzeiten könnten erhöht, Erholungspausen eingeführt und die Arbeitsbedingungen humanisiert werden. Der Entwicklung von umweltfreundlicher Produktion und umweltfreundlichen Autos stünde nichts mehr im Weg. Die Umstellung der Autoproduktion auf Verkehrsmittel für den öffentlichen Verkehr wäre Bestandteil neuer ökologischer Mobilitätstechnologien.