ein offener Brief vom LINKE-Parteivorstandsmitglied Sabine Lösing an Lucy Redler und mich, sowie unsere Antwort auf Sabines Kritik.
Offener Brief an Lucy Redler Sascha Stanicic und andere
Hallo Lucy, Hallo Sascha und andere,
Ihr fordert linke GenossInnen und Genossen der Partei DIE LINKE. auf , sich mit Euch solidarisch zu zeigen gegen den Widerspruch von Klaus Ernst zu Eurer Aufnahme in die Partei.
Da ich auch mehrfach persönlich angeschrieben wurde, will ich Euch mitteilen. was ich in diesem Zusammenhang denke.
Wie Ihr Euch wahrscheinlich noch erinnert, habe ich mich als Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstandes der damaligen WASG energisch und konsequent gegen die Lösung politischer Differenzen auf administrativem Wege und gegen eine Unvereinbarkeitserklärung mit der SAV eingesetzt.
Der Wunsch nach letzterem hatte seinen Ursprung übrigens nicht in Bestrebungen aus den Reihen des Bundesvorstandes, sondern erreichte uns aus verschiedenen Kreisverbänden, die eine Zusammenarbeit mit Mitgliedern eurer Organisation nicht gedeihlich fanden.
Trotzdem habe ich energisch daran festgehalten, dass politische Konflikte in Auseinandersetzungen und Diskussionen gelöst werden und nicht administrativ. Dieser Meinung bin ich auch heute noch.
Allerdings, und auch daraus habe ich niemals einen Hehl gemacht, fand ich Eure Entscheidung nicht mit in die neue Partei über zu gehen für den eigenen Wahlantritt falsch.
Diese Meinung teilte und teile ich mit den meisten Menschen in der alten WASG und heute in der Partei DIE LINKE, die zum linken Flügel der alten und der neuen Partei gehören.
Das hat auch niemals interessiert.
Ihr schreibt: „Mittlerweile sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass trotz der Politik der LINKE in Berlin, eine Mitarbeit in der Partei sinnvoll ist, um einen Beitrag dazu zu leisten, dass bundesweit eine starke, kämpferische und sozialistische Partei aufgebaut wird.“
Da habt Ihr Recht und viele GenossInnen und Genossen haben mit viel Arbeit, Einsatz und Mühen daran gearbeitet was Ihr beschreibt. In unzähligen Änderungsanträgen auf Parteitagen, in Diskussionen an der Basis – wo auch immer – Wo wart Ihr da und wo war Eure Solidarität?
“Und an anderer Stelle“ schreibt Ihr: „Dies sind vorgeschobene und konstruierte Argumente, die von der eigentlichen Motivation des Einspruchs (von Klaus Ernst ,d.Verf.) ablenken sollen. Diese sehen wir darin, profilierten GegnerInnen der Politik des rot-roten Senats in Berlin und grundsätzlich von Regierungsbeteiligungen mit SPD und Grünen die Mitgliedschaft zu verwehren, um dadurch die wachsenden Reihen der innerparteilichen KritikerInnen an dieser „Realpolitik“ zu schwächen.“
Ihr schreibt , dass man profilierte Gegnerinnen der Politik des Rot-Roten Senates davon abhalten wolle Mehrheiten für diesen Ansatzes zu gewinnen.
Eure Worte höre und lese ich wohl, aber ich beurteile politisches Handeln nicht nach Worten, sondern nach Wirkungen. Eure Wirkung war, die innerparteiliche Opposition gegen die Politik des Berliner Senates zu schwächen, diese zu spalten.
Ihr habt Euch dagegen entschieden die innerparteiliche Opposition konstruktiv und verlässlich zu stärken.
Ihr seid einen „eigenständigen „ Weg gegangen.
Und nun habt Ihr gemerkt habt, dass sich Euer Weg recht schnell im Nirwana politischer Kleinstgruppen verlor.
Und da kommt auf einmal diese Wendung?
Und nun fordert Ihr die Solidarität derjenigen ein um deren Meinung Ihr Euch nie geschert habt.
Ihr fordert Solidarität unter den MarxistInnen in der Partei ? In Verlautbarungen aus Euren Kreisen z. B. im Rahmen der Bündnis –Arbeit zu den Bremer Wahlen habe ich da ganz andere Töne gehört. Und ich habe mich bei marxistischen Genossinnen und Genossen in Berlin erkundigt. Die haben von dieser Solidarität bei Euch nicht viel gemerkt.
Ich setze mich weiterhin für eine pluralistische linke Partei ein, in der SozialistInnen und KommunistInnen ihren Platz haben. Und ich setze mich weiterhin dafür ein, dass sich unsere Partei zu einer glaubwürdigen und starken sozialistischen Alternative zu den bürgerlichen Parteien entwickelt.
Pluralistisch heißt für mich aber nicht willkürlich . Solidarität unter GenossInnen und Genossen hat etwas mit Verlässlichkeit, und mit konstruktivem Arbeiten zu tun Und Solidarität unter GenossInnen und Genossen hat einen großen Gegner –Die Spaltung. Und leider, das bleibt mir nicht umhin zu sagen, diesem Gegner seid ihr sehr nahe.
Sabine Lösing Göttingen, 29.10.08
Antwort auf den offenen Brief von Sabine Lösing an L. Redler, S. Stanicic und andere
Liebe Sabine,
wir haben Deinen offenen Brief erhalten und wollen Dir hiermit antworten. Wir schätzen offene Worte und sind auch der Meinung, dass Kritik ein wichtiger Bestandteil der Zusammenarbeit auf der Linken sein muss. Wir wollen Dir deshalb ebenso offen und kritisch antworten.
Nachdem wir Deinen Brief gelesen haben, waren wir etwas erstaunt, weil Du verschiedene Dinge durcheinander bringst und diese nicht einmal besonders sachlich argumentierst.
Du antwortest auf eine Aufforderung von uns an die verschiedenen linken Strömungen in der LINKEn, sich gegen die Einsprüche von Klaus Ernst gegen die Mitgliedschaften von uns und anderen SAV-Mitgliedern in Berlin auszusprechen. Es handelte sich nicht um eine Aufforderung zur retrospektiven politischen Solidarität mit dem Wahlantritt der WASG Berlin oder um eine Aufforderung zur Sympathieerklärung mit der SAV.
Es wundert uns, dass Du nun den Ausgrenzungsversuch von Klaus Ernst und die daraus resultierende Debatte um unsere Mitgliedschaft bzw. unsere Bitte um Solidarität in dieser – und keiner anderen – Frage, zum Anlass nimmst, einen so scharfen Rundumschlag gegen die SAV vorzunehmen. Das wundert uns umso mehr, da wir uns nicht erinnern können, dass Du jemals das politische Gespräch mit uns gesucht hast – weder vor oder nach den Abgeordnetenhauswahlen 2006, weder vor oder nach der Fusion von WASG und PDS.
Du hast geschrieben, dass man politisches Handeln nicht nach Worten, sondern nach Wirkungen beurteile. Die Wirkung Deines Schreibens stärkt nicht unsere Position in der aktuellen Auseinandersetzung, sondern gibt denjenigen Munition, die uns aus der Partei fern halten wollen. Umso mehr, da aus Deinem Brief nicht klar wird, welche praktische Schlussfolgerung Du ziehst. Deshalb hier an Dich die konkrete Frage: setzt Du Dich in irgendeiner Weise für die Aufnahme der elf betroffenen SAV"lerInnen in DIE LINKE ein?
Wir wollen deshalb noch einmal betonen, dass der Angriff von Klaus Ernst gegen uns die Gefahr weitgehender Folgen für alle linken KritikerInnen in der Partei beinhaltet. Wenn solche Methoden einmal benutzt werden, dann werden sie in Zukunft auch andere teffen, die den Klaus Ernsts in der Partei nicht genehm sind. Das ist der tiefere politische Grund, weshalb Solidarität mit uns sinnvoll ist.
Du stellst zwei Mal in Deinem Brief fest, dass es von unserer Seite keine Solidarität gegeben habe, ohne die konkreten Anlässe zu nennen, wo wir Solidarität verweigert haben sollen. Ganz sicher haben weder wir persönlich, noch die SAV als Gruppierung, GenossInnen in der Partei, die von Ausgrenzungsversuchen durch Teile der Parteiführung oder sonst jemandem aufgrund ihrer kritischen Positionen betroffen waren, die Solidarität verweigert.
Aber Du scheinst auch nicht auf Fälle anzuspielen, die mit unserem Fall vergleichbar wären. Du sprichst von der Solidarität mit den Parteimitglidern, die „mit viel Arbeit, Einsatz und Mühen (…) gearbeitet haben". Und Du sprichst davon, dass MarxistInnen in der Berliner LINKEn von Solidarität bei uns „nicht viel gemerkt“ haben. Solidarität ist etwas konkretes. Zu argumentieren, weil wir – die SAV"lerInnen in Berlin – bisher nicht in die fusionierte Partei gegangen sind, seien wir unsolidarisch, ist unpolitisch. Mit unserer politischen Enscheidung kannst Du einverstanden sein oder nicht, Du kannst sie kritisieren oder es lassen. Aber das hat nichts mit Solidarität zu tun. Wie würdest Du reagieren, wenn Aktive aus den sozialen Bewegungen Dir mangelnde Solidarität vorwerfen, weil Du die WASG gegründet hast und Dich entschieden hast, Deinen politischen Schwerpunkt auf die Partei zu legen?
Nenne uns bitte einen konkreten Fall von politischen oder gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen, in denen wir als Personen oder die SAV als Strömung Solidarität verweigert haben. Deine kryptische Formulierung zu der „Bündnis-Arbeit zu den Bremer Wahlen“, die Du aus "unseren Kreisen" gehört haben willst, verstehen wir ganz einfach nicht. Du musst schon sagen, was wir uns da Deiner Meinung nach haben zu Schulden kommen lassen oder solltest auf solche Anspielungen verzichten.
Bemerkungen, dass uns andere Meinungen nicht interessieren oder wir uns darum nie geschert haben, können wir nicht nachvollziehen. Wir haben die Debatte um die Regierungsbeteiligung in Berlin, um die Kandidatur des Berliner WASG-Landesverbandes, um frühere Ausgrenzungsversuche gegen Linke, um die Sammlung der antikapitalistischen Kräfte in der WASG und auch der LINKEn immer gesucht. Wir haben zu SAV-Veranstaltungen bzw. die WASG Berlin hat zu ihren Veranstaltungen immer auch VertreterInnen anderer linker Strömungen eingeladen. Bei den verschiedenen bundesweiten Treffen zur Diskussion unter kritischen WASG-Mitgliedern wurden immer zum Beispiel auch AKL-VertreterInnen eingeladen und gehörten zu den ReferentInnen. Wir können uns aber nicht daran erinnern, dass Du auf uns zugekommen bist, als Ihr die erste AKL-Erklärung im Kreise von linken Funktionären erarbeitet habt oder dass Ihr ein SAV-Mitglied als ReferentIn oder auch nur offizielleN DiskussionpartnerIn zu auch nur einer AKL-Versammlung eingeladen hättet. Stattdessen hattet Ihr nichts besseres zu tun, in der Erklärung Eurer ersten AKL-Konferenz in Berlin im Juni 2006 mit einer faktischen Distanzierung vom Berliner WASG-Landesverband zu beginnen. Wer sich da nicht um wessen Meinung geschert hat, sehen wir anders als Du.
Es bleiben in Deinem ganzen Brief nur zwei Argumente: erstens sei der Wahlantritt der WASG Berlin und die Entscheidung zum Zeitpunkt der Fusion nicht in die neue Partei zu gehen ein Fehler gewesen. Zweitens wüden wir die innerparteiliche Opposition gegen den Berliner Senat schwächen und spalten.
Wir respektieren, dass Du unsere politischen Entscheidungen falsch findest. Wir können auch nachvollziehen, dass Du der Meinung bist, unser Verhalten habe die innerparteiliche Opposition gegen den Berliner Senat geschwächt. Wir sind aber davon ausgegangen, dass es zur Zeit darauf ankommt, die außerparteiliche Opposition der Gewerkschaften und sozialen Bewegungen gegen den Senat zu stärken, da die Parteistrukturen in Berlin extrem bürokratisch und verkrustet sind.
Allerdings hätten wir uns gewünscht, dass Du zur Kenntnis nimmst, dass die SAV-Mitglieder in Westdeutschland sehr wohl Teil der innerparteilichen Opposition sind und die Partei aktiv mit aufbauen. Du weißt genau, dass die SAV zu keinem Zeitpunkt eine Absage an den Aufbau einer starken, linken, sozialistischen Partei ausgesprochen hat. Wir sind aber mit der Situation konfrontiert, dass die Menschen, die wir in Berlin für ein solches Parteiprojekt gewinnen wollen, Opfer der Senatspolitik sind und DIE LINKE Berlin wenig attraktiv für sie ist. Unseren Versuch diese Menschen in einer, sehr wohl auf DIE LINKE als bundesweitem Projekt orientierte, regionalen Berliner Gruppierung zu sammeln, sehen wir weiter als legitim an. Zur LINKEn sind diese Aktiven aus sozialen Bewegungen und ehemaligen WASG-Aktiven sicher nicht gegangen. Sich uns gegenüber über das politische Nirwana lustig zu machen wird zu einem Bumerang. Wir haben immerhin versucht, ein linkes Angebot zu schaffen. Im Nirwana befinden sich, bezogen auf eine politische Interessenvertretung, leider die vielen Berlinerinnen und Berliner, die in Göttingen, Köln oder Kassel zur LINKEn kommen würden. Das ist nicht lustig und kein Grund zur Schadenfreude, sondern ein Problem für uns alle, die wir tatsächlich linke Politik machen wollen.
Wir sind in Berlin seit 2002 mit einer Situation konfrontiert, wo es in der Auseinandersetzung mit der Berliner PDS bzw. jetzt LINKEn nicht um innerlinke politische Meinungsverschiedenheiten, unterschiedliche Sozialismusvorstellungen oder Marx-Rezeptionen geht. Es geht hier um knallharte Klassenfragen, bei denen sich die Führung der Berliner LINKEn entschieden hat auf der falschen Seite der Klassenlinie zu stehen. Wir wollen die Liste der Angriffe des rot-roten Senats auf den Lebensstandard und die Rechte der Lohnabhängigen, Erwerbslosen und Jugendlichen hier nicht wiederholen, aber Dich trotzdem daran erinnern, dass dieser Senat an der Spitze gewerkschaftsfeindlicher Politik steht.
Vor diesem Hintergrund halten wir es immer noch für falsch, dass im Fusionsprozess dieses Problem außer von der WASG Berlin, der SAV und einigen anderen von vielen, die sich zur innerparteilichen Linken zählen, doch nur sehr zurück haltend thematisiert wurde, wenn überhaupt. Ohne die Zuspitzung der Berliner WASG auf die eigenständige Kandidatur wäre die Frage der Regierungsbeteiligung doch niemals so breit debattiert und ein solches Problembewusstsein dafür entwickelt worden. Wir waren in einer Situation, wo es ausgeschlossen war, die Kandidatur der Linkspartei.PDS in Berlin zu unterstützen, wenn man die eigene Glaubwürdigkeit nicht verlieren wollte, denn wir waren Teil der vielen Kämpfe gegen die Politik des Senats in den Jahren zuvor. Alle diejenigen, die sich im Walkampf mit dem Material der Berliner WASG-Minderheit auf die Straße gestellt haben, in dem dem rot-roten Senat eine sozial ausgewogene Politik bescheinigt wurde, haben sich in ihrer Opposition zum Senat unglaubwürdig gemacht. Dazu hast Du nicht gehört, aber die große Mehrheit der GegnerInnen der eigenständigen WASG-Kandidatur in Berlin.
Wahlen sind auch eine Form des Klassenkampfes und im Klassenkampf kann man sich nicht enthalten, vor allem nicht, wenn man Landesverband einer politischen Partei ist. Das gilt aus unserer Sicht auch trotz der Fusionsverhandlungen. Enthaltung der WASG Berlin wäre einer Unterstützung der Linkspartei.PDS gleich gekommen, die einen Wahlkampf unter dem Motto „weiter so“ geführt hat, wäre also eine Unterstützung des Senats gleich gekommen, wäre also einer Akzeptanz von Sozialabbau, Ein-Euro-Jobs, Tarifflucht, Arbeitsplatzvernichtung und Privatisierung gleich gekommen. Wir haben uns damals dazu entschieden, zu versuchen dem sozialen Protest in der Stadt eine politische Stimme bei den Wahlen zu geben. Das ist uns angesichts der unzähligen Knüppel, die uns aus dem Bundesvorstand und der Bundestagsfraktion zwischen die Beine geworfen wurden, ganz gut gelungen. Sowohl hinsichtlich der Kandidatenliste, auf der viele Aktive aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen antraten, als auch hinsichtlich des Wahlergebnisses von 50.000 Stimmen. Hätte die WASG damals an einem Strang gezogen und bundesweit den Wahlkampf des Berliner Landesverbandes unterstützt, hätten wir wahrscheinlich die Fünf-Prozent-Hürde geschafft und die linken Kräfte und der soziale Widerstand in der Stadt wären deutlich gestärkt und hätten eine parlamentarische Vertetung auf Landesebene – das haben sie jetzt nämlich nicht. Das hätte aus unserer Sicht die innerparteilichen Kräfteverhältnisse weitaus mehr zugunsten der linken Kräfte verschoben, als wenn wir darauf verzichtet hätten. Deshalb halten wir die eigenständige Kandidatur der WASG Berlin weiterhin für notwendig und richtig, auch wenn wir die damit verbundenen Ziele nicht erreicht haben und wir in diesem Sinne als Verlierer aus diesen Auseinandersetzungen hervor gegangen sind. Aber wir haben gekämpft und unsere Überzeugungen nicht an der Garderobe abgegeben.
In diesem Zusammenhang ist Dein Spaltungsvorwurf ziemlich inhaltsleer. Einheit als abstraktes Prinzip unabhängig von politischen Inhalten hat wenig Wert und kann sogar vom Kampf abhalten. das haben wir zuletzt beim Kampf der Lokführer gesehen, denen von vielen Seiten die Solidarität für ihren berechtigten Kampf mit dem "Spaltungs-Argument" verwehrt wurde. Die Einheit in Berlin, so wie sie von uns verlangt wurde und so wie sie von der damaligen WASG-Minderheit praktiziert wurde, kam einem Verzicht auf realen Widerstand gegen den Sozialabbau des Senats und damit letztlich einer Anbiederung an die Berliner Linkspartei.PDS gleich.
Es ist immer einfach, rückblickend schlau zu sein. Und es gibt sicher auch in unseren Reihen GenossInnen, die sagen, „hätten wir gewusst, wie die Dinge sich entwickeln, hätten wir die Fusion mitmachen sollen“. Es wäre für uns in der jetzigen Situation sogar einfacher, Asche auf unser Haupt zu schütten und Fehler einzugestehen, um in der Partei eine wohlwollendere Aufnahme zu finden. Nicht wenige, die mit uns sympathsieren, haben uns das vorgeschlagen. Aber wir sind mit Rosa Luxemburg der Meinung, dass die revolutionärste Tat immer noch ist, die Wahrheit auszusprechen.
Von unseren linken KritikerInnen erwarten wir zumindest, dass sie sich in der Lage der WASG Berlin nach den Abgeordnetenhauswahlen versetzen und unsere Motivation zur Kenntnis nehmen. Wir hatten einen WASG-Landesverband mit hohem Aktivitätsgrad, gutem Ansehen in den sozialen Bewegungen (die gegen den Senat kämpften – wir erinnern daran, dass zum Beispiel das Anti-Privatisierungsbündnis damals nicht einmal VertreterInnen der Linkspartei.PDS auf seine Podien einlud, weil diese aus Sicht des Bündnisses keine Anti-Privatisierungspartei war) und 50.000 Stimmen, sowie 14 Bezirksverordnete. Es war klar, dass der soziale Widerstand in den nächsten Jahren in Berlin sich weiterhin auch (nicht nur!) gegen den rot-roten Senat wird richten müssen, was sich angesichts der Streiks der Landesbeschäftigten, des Schülerstreiks von 8.000 Schülerinnen und Schülern am 12.11., der Kürzungen bei der Hilfe zu Erziehung etc. bestätigt hat. Wir waren außerdem in einer Situation, wo es für die Mehrheit der aktiven WASG-Mitglieder einfach nicht in Frage kam, in die vereinigte Partei zu gehen. Zu groß war die Wut auf die Linkspartei.PDS und auf die WASG-Führung. Wir mussten in den Debatten, die wir damals in der WASG-Mehrheit geführt haben, von Seiten der SAV erhebliche Energie darauf verwenden, uns gegen die Gründung einer bundesweiten Partei auszusprechen und zu erklären, dass die vereinigte Partei in Berlin und zum Teil in Ostdeutschland große Unterschiede zur Partei in Westdeutschland aufweist. Wir haben uns damals in der Verantwortung gesehen, zu versuchen diese für die sozialen Proteste in Berlin wertvollen Kräfte zusammen zu halten. Das ist uns nicht gelungen, unter anderem weil die Entfremdung von der Linkspartei.PDS und der WASG-Führung so groß war, dass viele WASG-Mitglieder die differenzierte Haltung der SAV nicht nachvollziehen konnten. In den Debatten um die Gründung der BASG war eine Hauptauseinandersetzung, ob Doppelmitgliedschaften mit der LINKEn möglich sein sollen, wofür wir uns eingesetzt haben. Der Versuch eine substanzielle Kraft aus der WASG Berlin zusammen zu halten, wurde von uns auch nicht aufgrund einer "Berliner Brille" unternommen. Unsere Einschätzung war, dass es in der Berliner LINKEn kaum möglich sein wird, auf absehbare Zeit eine wirkungsvolle linke Opposition aufzubauen, die die Verhältnisse in der Partei zum tanzen bringen könnte. Das hat sich bestätigt. Gleichzeitig hatten wir gehofft, dass mit einer lebendigen und substanziellen Nachfolgeorganisation der WASG sowohl ein positives Beispiel für eine andere Politik gesetzt werden könnte, die mittels der Arbeit in den Bezirksverordnetenversammlungen und der Beteiligung an den sozialen Protesten die Berliner LINKE effektiv unter Druck setzen könnte und man an den bundesweiten Debatten, die sich in und um DIE LINKE herum entwickeln, hätte teilnehmen können. In diesem Zusammenhang haben wir uns für die Bildung eines oppositionellen Netzwerks von AktivistInnen, die in der Partei und außerhalb der Partei sind, eingesetzt. Dies hat nicht funktioniert und wir sind in der Lage, das zu erkennen und daraus entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen. Man kann uns vorwerfen, dass das absehbar war – was wir nicht glauben -, aber uns aus dieser komplexen Situation Spaltung und Entsolidarisierung vorzuwerfen, halten wir für nicht gerechtfertigt. Die Entsolidarisierung in Berlin findet weiterhin durch die Politik des Senats statt und wir sind an vielen Fronten an dem leider notwendigen Widerstand gegen diese Landesregierung beteiligt bzw. aktiv solidarisch: ob bei den KollegInnen an der Charité oder den Vivantes-Krankenhäusern, die in Auseinandersetzungen gegen den Senat stehen; ob bei den Schülerinnen und Schülern, die auch gegen die Schulpolitik des Landes in den Streik getreten sind; ob bei den Landesbeschäftigten, die streiken; den Kampagnen gegen das Mediaspree-Prestigeobjekt.Und wir werden auch dabei sein, wenn sich hoffentlich noch mehr Widerstand gegen das sogenannte Rettungspaket der Bundesregierung für die Banken formiert, dem der Berliner Senat zugestimmt hat.
Liebe Sabine, uns interessiert Deine Meinung. Wir laden Dich schon jetzt ein, bei den Sozialismustagen der SAV zu Ostern 2009 mit uns über die Aufgaben von "den Linken in der LINKEn" zu debattieren. Ob wir dort als Parteimitglieder mit Dir diskutieren können oder als die ersten aus der Partei ferngehaltenen KritikerInnen, hängt auch davon ab, ob Du und andere in der Auseinandersetzung "Ernst vs. SAV" ihre Energie in die richtige Richtung lenken.
Mit sozialistischen Grüßen
Lucy Redler, Sascha Stanicic "und andere"
Berlin, den 12.11.2008