Offener Brief an AKL, KPF, M21, SL, Marxistisches Forum, Geraer Dialog und deren Mitglieder im Bundesvorstand

Dokumentiert, offener Brief der SAV: "Wir sind davon überzeugt, dass es bei den Einsprüchen darum geht, kritische MarxistInnen aus der Partei fern zu halten."


 

"Berlin, den 27.10.2008

Liebe Genossinnen und Genossen der linken Strömungen in und bei der Partei DIE LINKE,

wie Ihr sicher mitbekommen habt, wurde durch Klaus Ernst und andere Einspruch gegen die Mitgliedschaft von uns und bisher acht weiteren Berliner SAV-Mitgliedern in der Partei DIE LINKE eingelegt. Den Einsprüchen gegen Aron Amm und Hakan Doganay wurde schon durch den Bezirksvorstand Berlin-Pankow statt gegeben. Diese beiden Genossen legen nun Widerspruch bei der Landesschiedskommission ein.

Es wird von Klaus Ernst argumentiert, dass die Fusion von WASG und Linkspartei.PDS ein politischer Grundsatz der neuen Partei sei und die ablehnende Haltung, die von uns zu einer bedingungslosen Fusion der beiden Parteien eingenommen wurde, daher einen Widerspruch zur Programmatik darstelle. Weiterhin wird die eigenständige Kandidatur der WASG Berlin zu den Abgeordnetenhauswahlen 2006 als parteischädigend und Obstruktion des Vereinigungsprozesses bewertet und außerdem als Bruch demokratischer Entscheidungen der damaligen WASG, deren Bundesparteitag sich gegen konkurrierende Wahlantritte von WASG und Linkspartei.PDS ausgesprochen hatte.

Wir halten das für vorgeschobene Argumente, die zum Teil überhaupt keine reale Grundlage haben. So geht aus den programmatischen Eckpunkten nicht hervor, dass die Fusion als solche ein politischer Grundsatz der neuen Partei ist. Die Zustimmung zur Fusion (immerhin haben sich nur ca. 57 Prozent der WASG-Mitglieder an der Urabstimmung beteiligt und davon über 20 Prozent gegen die Fusion gestimmt) wurde nie zu einer Bedingung für die Mitgliedschaft in der neuen Partei gemacht. Das gilt auch für die Unterstützung der Kandidatur der WASG Berlin im Jahr 2006 zu den Abgeordnetenhauswahlen. Es gibt viele Mitglieder der Partei, nicht nur SAV-GenossInnen, die nach dieser Logik ausgeschlossen werden müssten.

Die damalige Entscheidung der WASG gegen einen Bundesparteitagsbeschluss bei den Wahlen anzutreten, basierte auf mehrmaligen demokratischen Landesparteitags-Entscheidungen. Wir stehen weiterhin auf dem Standpunkt, dass landespolitische Entscheidungen autonom von den Landesparteitagen gefällt werden sollen und sehen in unserem damaligen Verhalten keinen Bruch demokratischer Prozesse.

Wir sind davon überzeugt, dass es bei den Einsprüchen darum geht, kritische MarxistInnen aus der Partei fern zu halten. Das wird auch dadurch unterstrichen, dass ein Mitglied des Neuköllner Bezirksverbandes, das die Einsprüche unterstützt, sagte, ihr seien "Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit SAV und Marx21 auch lieber". Außerdem richten sich Einsprüche auch gegen SAV"lerInnen, die niemals Mitglied der WASG Berlin waren und auch nicht am Wahlkampf teilgenommen haben.

Wir befürchten, dass an der SAV ein Exempel statuiert werden soll und in Zukunft auch gegen andere kritische linke Strömungen mit härteren Bandagen durch Teile der Parteiführung vorgegangen wird. In diesem Sinne bewerten wir diesen Angriff auf SAV-Mitglieder in Berlin als einen Angriff auf alle kritischen Kräfte, insbesondere die GegnerInnen von Regierungsbeteiligungen mit pro-kapitalistischen Parteien, und damit einen Angriff gegen den offenen und pluralistischen Charakter der Partei. In der Geschichte linker oder auch sozialdemokratischer Parteien war oftmals der Ausschluss bzw. die Ausgrenzung von MarxistInnen der erste Schritt zu weitgehenden Rechtsverschiebungen dieser Parteien.

In den letzten Tagen haben sich schon sehr viele Mitglieder der Partei gegen diese Ausgrenzung ausgesprochen, darunter auch Mitglieder des Bundesvorstands, von einigen Landesvorständen und von AKL und KPF aus Nordrhein-Westfahlen. Bisher haben sich unseres Wissens keine GenossInnen von Marx21 und der Sozialistischen Linken parteiöffentlich oder gegenüber den zuständigen Bezirksverbänden in Berlin zu unserer Unterstützung geäußert. Wir haben nur vernommen, dass die Genossin Janine Wissler auf eine Anfrage geäußert hat, dass sie sich nicht in Angelegenheiten anderer Landesverbände einmische. Klaus Ernst sieht das offensichtlich anders.

Wir wollen Euch deshalb hiermit auffordern, in dieser Auseinandersetzung Position zu beziehen und Euch (zumindest) parteiöffentlich gegen die Ausgrenzungsversuche, für die Mitgliedschaft der Berliner SAV"lerInnen und für eine offene und plurale Partei einzusetzen.

Mit sozialistischen Grüßen

Lucy Redler

Sascha Stanicic

Aron Amm

Holger Dröge"