SAV-Mitglieder haben beschlossen, jetzt auch in Ostdeutschland und Berlin in die Partei DIE LINKE einzutreten – um die Kräfte für eine aktive, antikapitalistische Linkspartei zu stärken. Gespräch mit Lucy Redler, Mitglied der SAV-Bundesleitung.
Bisher gehörten SAV-Mitglieder nur in Westdeutschland der LINKEN an. Warum seid ihr nun im Osten und Berlin in DIE LINKE eingetreten?
Immer mehr Menschen sind empört darüber, dass die Profite der Unternehmer steigen und die Reallöhne sinken. Mit der kapitalistischen Krise wird die soziale Verarmung und die gesellschaftliche Polarisierung zunehmen. Um gegen die Angriffe der Herrschenden zu kämpfen, ist eine starke sozialistische Partei notwendig. Dafür setzen wir uns ein.
DIE LINKE ist bundesweit die Partei, die sich – in Opposition zu allen etablierten Parteien – gegen Hartz IV, Billiglöhne und Kriegseinsätze zur Wehr setzt. Millionen haben Hoffnungen in die Linkspartei. Aber ob diese Erwartungen enttäuscht werden oder nicht, hängt davon ab, wie die Partei sich weiterentwickelt. Wird sie sich – wie in Berlin – der kapitalistischen Sachzwanglogik unterordnen? Oder wird sie eine kämpferische Kraft, in die Menschen eintreten, um für ihre Interessen aktiv zu werden?
Bisher haben SAV-Mitglieder im Osten und in Berlin – auch in Zusammenarbeit mit Mitstreitern in der LINKEN – versucht, von außen Druck auf die Partei auszuüben. Jetzt treten wir in DIE LINKE ein, um innerhalb dieser Formation die Kräfte zu stärken, die für den Aufbau einer Partei sind, die ihren Schwerpunkt auf Gegenwehr legt, eine Anpassung an die SPD ablehnt und für die Sozialismus kein Fernziel, sondern Maßstab der alltäglichen Politik ist.
Ein wichtiges Argument, warum ihr zum Zeitpunkt der Fusion nicht in DIE LINKE eingetreten seid, war die unterschiedliche Politik der LINKEN in West und Ost. Hat sich daran etwas geändert?
Nein. DIE LINKE im Osten ist weiterhin in vielen Kommunen am Sozialabbau beteiligt. In Berlin setzt sie die unsoziale Politik im rot-roten Senat ohne mit der Wimper zu zucken fort. Rot-Rot verweigert beispielsweise weiterhin den Kollegen des Öffentlichen Dienstes eine substanzielle Lohnerhöhung.
Mit dieser Politik beschädigt die Berliner LINKE die Glaubwürdigkeit der LINKEN bundesweit. Während DIE LINKE bundesweit gegen Hartz IV auftritt, setzt die Berliner Linkspartei im Senat Hartz IV mit um. Während die Partei auf Bundesebene den Abbau demokratischer Rechte ablehnt, hat Rot-Rot die Videoüberwachung im öffentlichen Raum wie beispielsweise an U-Bahnhöfen verschärft.
Gegen diese Politik haben wir – oft mit anderen zusammen – Widerstand geleistet und werden das auch weiterhin tun. Aber wenn dem so ist: Warum tretet ihr dann ein?
Aus zwei Gründen: Zum einen, weil zentrale politische Debatten in der LINKEN stattfinden. So ist die Debatte um Regierungsbeteiligung nicht auf Berlin beschränkt. In Hessen ist die Frage „Regierungsbeteiligung durch Tolerierung“ verdammt aktuell. Und auch im Saarland, Thüringen und anderen Ländern muss DIE LINKE beantworten, wie Verbesserungen durchgesetzt werden können: Durch Widerstand und Massenbewegungen gegen die bürgerlichen Parteien oder durch kleine Formelkompromisse mit der SPD? Es ist nötig, sich an diesen Auseinandersetzungen und Richtungskämpfen zu beteiligen und einen starken marxistischen Flügel in der Partei aufzubauen, der für wichtige Prinzipien wie beispielsweise die klare Ablehnung von Regierungsbeteiligungen mit der SPD kämpft. Dazu wollen wir als Mitglieder der SAV und als Marxisten in der LINKEN und bei Linksjugend [‘solid] einen Beitrag leisten.
Der zweite Grund ist, dass auch die Menschen in Berlin und Ostdeutschland trotz der unsozialen Politik der LINKEN vor Ort die bundesweite Partei als eine oppositionelle Kraft wahrnehmen. Die Wirkung der Bundespartei auch nach Berlin hinein, hat es sehr schwer gemacht, die BASG – die Berliner Alternative für Solidarität und Gegenwehr – als linke Alternative in Berlin aufzubauen.
Im Verlauf der Wirtschaftskrise sind heftige gesellschaftliche Konflikte zu erwarten. Bei diesen Konflikten werden politische Fragen eine zentrale Rolle spielen. Wir gehen davon aus, dass dann noch mehr als heute Arbeiter und Arbeitslose, die nach Antworten suchen, auf DIE LINKE stoßen werden.
Was sagst du den Leuten, die Sorge haben, dass ihr Euch mit einem Eintritt in Berlin anpasst?
Wir haben nichts von unserer inhaltlichen Position zurück zu nehmen. Es ist die Berliner LINKE, die sich mit ihrer Politik außerhalb der Positionen der Bundespartei stellt. Wir werden uns aber darüber hinaus auch kritisch mit der Entwicklung der Partei auf Bundesebene auseinandersetzen.
Angesichts der Rezession, in die auch die deutsche Ökonomie gerade schlittert, braucht DIE LINKE dringend ein Antikrisenprogramm, das beantwortet, wie verhindert werden kann, dass die arbeitende Bevölkerung für die kapitalistische Krise bluten muss. Oskar Lafontaine forderte vor Kurzem die Enteignung der Eigentümer des Automobilzulieferers Schaefflers. Zu Recht wies er darauf hin, dass nicht Frau Schaeffler und ihr Sohn, sondern die Schaeffler-Beschäftigten die Werte in Höhe von zehn Millarden Euro geschaffen haben – und von den Schaefflers enteignet wurden. Leider ist Lafontaine schon kurz darauf wieder zurückgerudert.
Ich finde: DIE LINKE sollte offensiv die Überführung der Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung fordern. Das ist schon angesichts der steigenden Energiepreise und der Macht von Eon, Vattenfall, EnBW und RWE zentral. Der Kampf für diese Forderung wird noch dringender, wenn die Autoriesen und andere Großkonzerne im Zuge der wirtschaftlichen Talfahrt Massenentlassungen vornehmen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage, wie Verbesserungen überhaupt erreicht werden können. Die Führung der LINKEN ist zu stark auf die parlamentarische Ebene fixiert. Ich denke, dass DIE LINKE und Linksjugend [‘solid] einen klaren Schwerpunkt auf den Aufbau von Widerstand und sozialen Bewegungen legen müssen. Nur so können Erfolge erkämpft werden. Aktuell ist es wichtig, dass DIE LINKE den geplanten bundesweiten Schulstreik unterstützt und einen Beitrag leistet, den Druck für die Forderungen der Schüler zu erhöhen. Linksjugend [‘solid] hat in mehreren Städten und Bundesländern den Aufruf von „Bildungsblockaden einreißen“ bereits unterzeichnet.
Die CDU plant im Bundestagswahljahr eine regelrechte Kampagne zum Thema „DDR und DIE LINKE“. Wie sollte darauf reagiert werden?
Diese Kampagne ist natürlich heuchlerisch. Die CDU steht mit Schäuble für Überwachungspolitik, den Abbau demokratischer Rechte und den Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Sie will mit dem DDR-Bashing die sozialen Errungenschaften der DDR, die es trotz stalinistischer Bürokratie gab, wegwischen und über die soziale Katastrophe, die der Kapitalismus für Millionen Menschen bedeutet, hinwegtäuschen.
DIE LINKE muss auf diese Kampagne politisch reagieren, indem sie sich klar vom Stalinismus distanziert und die heutige Diktatur der Konzerne mit einem Kampf für eine sozialistische Demokratie beantwortet. Einige in der Führung der LINKEN distanzieren sich vom Stalinismus – aber leider nicht aus sozialistischer Sicht, sondern aus der Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft heraus. Das halte ich für einen Fehler. Aus meiner Sicht ist in Ostdeutschland nicht der Sozialismus, sondern der Stalinismus gescheitert. Der Kampf für eine sozialistische Veränderung ist aktueller denn je.