Für internationale Hilfe beim Wiederauf-bau der Arbeiterbewegung Afghanistans
Der Bundestag will das Afghanistan-Mandat der Bundeswehr bis nach den nächsten Wahlen verlängern. Aber während die Abgeordneten die deutsche Beteiligung an Besatzung und Krieg verstärken, wird immer deutlicher, dass diese Politik die Probleme Afghanistans massiv verschärft.
von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart
Seit dem Sturz der Taliban ist das Land weiter verelendet. Die Lebenserwartung sank von 45,5 auf 43,1 Jahre. Noch weniger können lesen und schreiben (23,5 statt 31 Prozent), auch weniger Frauen (12,6 statt 15 Prozent), als unter der Talibanherrschaft. Nur ein Drittel hat Zugang zu sauberem Wasser. Afghanistan ist an fünftletzter Stelle beim Index für menschliche Entwicklung der UNO, nur vier Ländern der afrikanischen Sahel-Zone geht es noch schlechter. Einzig der Anbau von Opium und Marihuana floriert. In den letzten Monaten hat der Preisanstieg für Lebensmittel das Elend weiter vergrößert.
Widerstand
Diese Verhältnisse führten dazu, dass die völlig diskreditierten Taliban wieder zu einer Kraft wurden und mit Aktionen wie der Befreiung von 1.150 Gefangenen in Kandahar dem Regime unter Hamid Karsai Schläge versetzen. (Aber nicht nur die Taliban machen Aktionen gegen die Besatzer, oft sind es „armutsgetriebene ‚Graswurzelgruppen’“, so die „Denkfabrik“ Senlis Council). Die von den USA geführten Besatzungstruppen verstärken die Unterdrückung, zivile Opfer nehmen zu, was Taliban und Co. nur weitere KämpferInnen zutreibt. Der britische Botschafter in Afghanistan sagte, die Truppen würden 30 bis 40 Jahre bleiben.
Ausweitung der Kriegsgebiete
Die Besatzer versuchen von ihrer eigenen Verantwortung abzulenken, indem sie zunehmend Pakistan beschuldigen, nicht genug gegen die Taliban vorzugehen und Militäroperationen nicht über die pakistanische Grenze auszudehnen. Die Gefahr ist groß, dass der Krieg nicht nur eskaliert, sondern sich auch räumlich ausdehnt, nach Pakistan und in den Norden, wo die Bundeswehr stationiert ist. Durch den Einsatz von Bundeswehr-Tornados im Süden und die Übernahme der Schnellen Eingreiftruppe von Norwegen nimmt die Beteiligung der Bundeswehr an Kampfhandlungen ohnehin zu.
Der sofortige Abzug aller ausländischen Truppen ist notwendig. Aber damit werden die Probleme nicht von heute auf morgen verschwinden. Einheimische Warlords, Fundamentalisten, korrupte und in den Drogenhandel verstrickte Politiker – die sich jetzt schon in der Karsai-Regierung tummeln – vertreten auch nicht die Interessen der Bevölkerung. Es besteht dann die Gefahr, dass zivile Entwicklungshelfer als Geiseln genommen oder ermordet werden, dass Hilfskonvois von Warlords geplündert werden – aber das passiert auch heute schon.
Rolle der Lohnabhängigen in der Region
Afghanistan ist nicht einfach „rückständig“. Es wurde jahrzehntelang durch Krieg, durch Unterdrückung, durch von den USA hoch gepäppelte Fundamentalisten rückwärts gezerrt. Deshalb ist noch viel wichtiger als humanitäre Hilfe eine politische Hilfe beim Wiederaufbau der afghanischen Arbeiterbewegung durch die internationale Arbeiterbewegung. Diese Hilfe muss aber vollständig unabhängig sein von den imperialistischen Regierungen. Das wird sicher mühsam werden, aber alle anderen Wege führen in die Katastrophe.
Und: Alle Erfolge der Lohnabhängigen in der Region – die zahlreichen Streiks im Iran trotz des brutalen Mullah-Regimes oder der Streik von 50.000 pakistanischen Telekom-Beschäftigten im Juli, der eine 35-prozentige Lohnerhöhung erreichte – sind Rückenwind dabei.
Nur die Überwindung des Kapitalismus und die Errichtung einer sozialistischen Föderation in der Region kann ein menschenwürdiges Leben ohne Krieg, Unterdrückung, Armut und Umweltzerstörung bieten. Und wenn die Massen Afghanistans in nächster Zeit auch nicht die Speerspitze der Revolution sein werden, werden sie sich revolutionären Bewegungen jenseits der Grenzen nicht entziehen.