von Ty Moore, Socialist Alternative (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in den USA), 12. Juni 08
Obamas Siegesrede im Xcel-Center von St. Paul, Minnesota, sollte eigentlich nicht vor 20 Uhr beginnen. Dennoch schlängelte sich schon gegen 17 Uhr eine jubelnde Menge mit gut 15.000 jungen Menschen durch die Straßen der Innenstadt.
Studierende saßen diskutierend auf den Bürgersteigen beieinander. Ganze Familien waren anwesend und die Kinder sogen mit großen Augen die aufgeregte Stimmung in sich auf. T-Shirt- und Button-Verkäufer gingen durch die Reihen und boten ihre Waren mit stilisierten Obama-Konterfeis an, die mehr an Che Guevara oder Hugo Chávez erinnerten als an einen typischen US-Präsidentschaftskandidaten.
Viele waren auch nur deshalb gekommen, um sich die Menschenmenge anzugucken, weil sie sowieso keine Hoffnung hatten, noch in die Veranstaltung zu gelangen. Die örtlichen Medien berichteten schließlich von 50.000 zusammen gekommenen Menschen, von denen sich die meisten vom 19.000 Besucher fassenden Xcel-Center wegbewegten.
Kurz vor 19 Uhr brach dann lautes Geschrei los, als die Nachricht bekannt wurde, dass Obama nun sicher genügend „Super-Delegierte“ zusammen hat, um die Nominierung der Demokratischen Partei zu erreichen. Getuschel über den „historischen Moment“ kam in den dann folgenden aufgeregten Unterhaltungen auf.
Rechtsruck
Obama hat große Erwartungen geweckt. Aber trotz radikaler Metaphorik und rhetorischem Gehabe bleibt er ein gemäßigter, von der Industrie gesponsorter Demokrat. Jeder nüchterne Blick auf sein Stimmergebnis, die Substanz seiner politischen Ansätze, den politischen Charakter seiner Top-Berater oder die Quelle seiner gewaltigen Unternehmens-Spenden zeigen, dass Obama bei den Schlüsselfragen, die die arbeitenden Menschen in den USA und weltweit angehen, noch rechts von Clinton steht.
„Das große Geld lässt die Wetten auf Barack Obama steigen“, so der Anfang eines Berichts des Wall Street Journal vom 3. Mai. „Während er herausposaunte, dass seine Kampagne auf unzähligen kleinen Internetspenden einer breiten Masse basiert, belegen jüngste Finanzberichte zu seinem Wahlkampf, dass er auch größere Schecks von Spendern der Konzerne angenommen hat.
Über die ersten drei Monate des Jahres hinweg gaben abhängig Beschäftigte aus neun wichtigen Industriezweigen (aus den Bereichen Kommunikation und Rüstung bis hin zu Speditionsbetrieben und der Wall Street) den Großteil ihrer Spenden an den Senator aus Illinois“ – mehr als für Clinton und McCain zusammen.
Nach dem nun hinter ihm liegenden langen Vorwahlkampf, verschwendete Obama keine Zeit, um für die Wahlen die Gangart zu wechseln. Am Morgen nach der Kundgebung in St. Paul hielt Obama eine atemberaubende Rede vor dem einflussreichen American-Israeli Public Affairs Committee (pro-israelische Lobbygruppe; Anm. d. Übers.). Dort versprach er, die militärische Zusammenarbeit mit Israel auf eine Höhe von 30 Mrd. Dollar zu „vertiefen“ und zu helfen, Jerusalem – einschließlich des arabischen Ost-Jerusalem – trotz der palästinensischen Forderungen als Israels Hauptstadt zu sichern.
Für einen Politiker, der sich in Reden auch gegen die israelische Besetzung palästinensischer Gebiete geäußert hatte, bedeutete diese Rede eine endgültige Zusage an die pro-israelische Lobby und das auswärtige politische US-Establishment insgesamt, dass Obama endgültig jede Spur von Opposition gegen die grundlegend imperialistisch ausgerichteten US-Zielsetzungen abgelegt hat.
Hohe Erwartungen
Gleichwohl stehen die Massenveranstaltungen und die Überschwänglichkeit während der Kampagne für ein gewisses politisches Erwachen in den USA; mit einer neuen Generation, die über diese Wahl zum ersten Mal beginnt, am politischen Leben teilzunehmen.
Mit Hilfe der größtenteils unkritischen Medienkonzerne hat Obamas anschwellende Rhetorik und sein behutsam aufgebautes Image die Gefühle von Millionen erfasst, die sich über Bush und die Richtung aufregen, die das Land eingeschlagen hat. Die Erwartungen der ArbeiterInnen und der jungen Leute wurden darüber gesteigert.
Wenn Obama die Präsidentschaft gewinnt, besteht kein Zweifel, dass seine breite, jugendliche Anhängerschaft bitter enttäuscht sein wird, sobald sein Stab – wie bestimmte Ereignisse es schon offenbarten – eine Programm der Großkonzerne vorbringen wird. Für viele – vor allem junge Menschen – wird diese Enttäuschung eine Lektion in politischer Bildung bedeuten.
In diesem Sinne ist der Boden für einen weiteren Linksruck der US-amerikanischen Gesellschaft bereitet. In den kommenden Jahren wird die Wut über eine von den Unternehmen kontrollierte Demokratischen Partei umschwingen in Unterstützung für die Idee einer neuen linken politischen Partei der arbeitenden Menschen.
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