Widersprüchliche Reaktionen in Linkspartei und Wahlalternative aus Lafontaine-Vorstoß. Häme bei SPD und Grünen.
Die nach Äußerungen ihres Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine in der Linkspartei entbrannte Debatte über ihre Mindestlohnforderung hat sich am Donnerstag fortgesetzt. Während Mecklenburg-Vorpommerns Arbeitsminister Helmut Holter (PDS) Lafontaines Vorstoß, die Forderung von 1400 auf 1250 Euro abzumildern, unterstützte, kam Widerspruch von der PDS-Abgeordneten Gesine Lötzsch und aus der Wahlalternative WASG. Bei SPD und Grünen sorgte die Diskussion für hämische Reaktionen.
Lötzsch sprach sich in der Berliner Zeitung vom Donnerstag dafür aus, die im Entwurf des Wahlprogramms enthaltene Forderung nach einem Mindestlohn von 1400 Euro beizubehalten. Mein Motto im Wahlkampf ist: Von Arbeit muss man leben können, sagte sie. Man könne von den geforderten 1400 Euro nicht so einfach 150 Euro abziehen, so die Bundestagsabgeordnete. Lafontaine bekräftigte im Bayerischen Rundfunk hingegen seine Position. Wir wollen nicht direkt an die Spitze in Europa gehen, erklärte er. Während die Mindestlöhne nach Angaben des DGB-nahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in Südeuropa zwischen 356 und 518 Euro monatlich liegen, werden in Belgien 1209, in den Niederlanden 1249 und in Luxemburg 1368 bzw. 1642 Euro als Minimum gezahlt. Mecklenburg-Vorpommerns Arbeitsminister Holter zeigte sich ebenso wie Tags zuvor PDS-Wahlkampfchef Bodo Ramelow offen für eine Absenkung. Man solle auf Gewerkschafter und Ökonomen hören, die einen Mindestlohn von rund 1200 Euro angemessen genannt hätten, sagte Holter der Berliner Zeitung und behauptete, mit diesem Zugestündnis könne den Gegnern der Linkspartei der Wind aus den Segeln genommen werden.
Daß der PDS-Minister mit dieser Einschätzung daneben liegt, zeigten die Reaktionen von Sozialdemokraten und Grünen auf die Debatte. Der SPD-Abgeordnete Stephan Hilsberg frohlockte in Berlin, die Akteure von Linkspartei.PDS und WASG merkten nun endlich sogar selber, daß sie offenbar die falschen Konzepte für die Zukunft unseres Landes haben. Sein Parteifreund Joachim Poß ergänzte gegenüber ddp, die Linkspartei versuche den Anschein der Seriosität zu erhöhen, weil sie merkt, dass sie zunehmend kritisch beobachtet wird. 200 Euro mehr oder weniger beim geforderten Mindestlohn änderten aber nichts daran, dass die Finanzierbarkeit vorne und hinten nicht stimmt. Die Vizechefin der Grünen-Fraktion, Thea Dckert, meinte: Unglaublich, aber wahr: Gysi und Lafontaine müssen bereits jetzt ihre ersten Wahlversprechen zurücknehmen. Das Lügengebäude wackelt.
In der Partei Arbeit und soziale Gerechtigkeit Die Wahlalternative (WASG), der Lafontaine angehört, lste dessen Äußerung indes unterschiedliche Reaktionen aus. WASG-Mitbegründer Klaus Ernst erklärte laut Zeitungsberichten: Ob es am Ende 100 Euro mehr oder weniger sind, ist nicht entscheidend. Der Spitzenkandidat der bayrischen Linkspartei wollte sich zwar nicht auf eine Zahl festlegen, betonte aber, wichtig ist, dass wir uns einig sind, dass wir einen Mindestlohn brauchen. Kritik am Lafontaine-Vorstoss kam hingegen aus Berlin. WASG-Mitinitiator und Linkspartei-Kandidat Ralf Krämer sagte, die kurzfristige Durchsetzbarkeit könne beim Aufstellen der Forderung nicht ausschlaggebend sein. Das Entscheidende ist die soziale und ökonomische Berechtigung, und die ist bei 1400 Euro voll und ganz gegeben, argumentierte Krämer, der zudem darauf hinwies, dass die WASG in ihrem Gründungsprogramm noch 1500 Euro gefordert hatte. Außerdem glaube ich nicht, dass wir den Mindestlohn leichter durchsetzen können, wenn wir unsere Forderung verwässern, sagte er.
von Daniel Behruzi, Berlin