Vom 18. bis 19. Juni 05 fand in Berlin der konstituierende 1. Landesparteitag der Wahlalternative – Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) statt. Auf ihm wurden wichtige Beschlüsse gefasst, die auch bundespolitische Auswirkung haben werden.
Bereits im Vorfeld des Landesparteitages gab es an der Basis der Berliner WASG viel Unmut über die Vorgehensweise des Bundesvorstandes und des Berliner Landesvorstandes der WASG hinsichtlich des geplanten Wahlbündnisses mit der Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) zu den Bundestagswahlen.
PDS betreibt Sozialabbau
Nicht ohne Grund: so ist die PDS seit 2001 gemeinsam mit der SPD in der Berliner Landesregierung vertreten. Die PDS unterstützte in den letzten Jahren unter anderem Erhöhungen der Gebühren bei den KITA ´s, Lohnsenkungen im Öffentlichen Dienst und viele Kürzungen im Sozialbereich. Berlin ist während der Regierungszeit der PDS als erstes Bundesland aus dem Flächentarifvertrag ausgestiegen, hat Erhöhungen der Fahrpreise im Öffentlichen Nahverkehr gerade auch für sozial Schwache zugelassen, setzt die Hartz-Gesetze um und vieles mehr. Wegen dieser neoliberalen Politik sind viele Mitglieder der PDS in den letzten Monaten zur WASG übergetreten.
Die Weichen sind gestellt
Dementsprechend hitzig war dann auch die Diskussion auf dem Landesparteitag zur Frage des Zusammengehens mit der PDS. Kritisiert wurde dabei besonders auch die fehlende demokratische Einbeziehung der Mitgliedschaft in die Diskussion und die fehlende Transparenz. So erfuhren die meisten Mitglieder nur über Medienberichte von den aktuellen Ergebnissen der Verhandlungen des WASG-Bundesvorstandes mit der PDS-Führung. Entsprechend waren dann auch die Ergebnisse der aufgewühlten Diskussion. So beschloss eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Berliner Landesverbandes zwar, �die Zusammenarbeit mit der PDS auf Bundesebene zur Bundestagswahl 2005� zu akzeptieren. Allerdings wurde in dem Beschluss auch deutlich gemacht: �Nach den öffentlichen Diskussionen und nichtöffentlichen Verhandlungen der letzten Wochen besteht keine andere realistische Möglichkeit mehr, um eine Opposition gegen die herrschende neoliberale Politik im Bundestag deutlich zu machen. Erwartungen und Hoffnungen von größeren Gruppen von Wählerinnen und Bürgern sind an dieses Projekt geknüpft. Der LV lehnt die Art und Weise ab, wie diese Zusammenarbeit in Verhandlungen »auf höchster Ebene« zustande kam. Herausgekommen ist eine Unterordnung der WASG unter die PDS. Die Politik der PDS – nicht nur in Berlin – ist uns ein Beleg für die notwendige Eigenständigkeit einer linken Wahlalternative – nicht nur in Berlin! Aus diesem Grund nehmen wir uns auch im Wahlkampf für ein gemeinsames Linksbündnis die Freiheit der Kritik an der unsozialen Politik des SPD-PDS-Senats. Um die Eigenständigkeit der Berliner WASG zu erhalten, um politisches Profil zu gewinnen und die Option für eine Kandidatur der Berliner WASG zur Abgeordnetenhauswahl 2006 offen zu halten, müssen wir schon jetzt � zur vorgezogenen Bundestagswahl � neoliberale und unsoziale Politik auf allen Ebenen kritisieren und bekämpfen: im Bund, auf Länderebene, in den Bezirken. Aus diesem Grund beauftragt der Landesparteitag den Landesvorstand und das zu bildende Wahlkampfteam mit der Erstellung von eigenem Wahlkampfmaterial, das die obigen Prämissen zum Ausdruck bringt….� Die Abstimmung machte deutlich, dass der Mehrheit der WASG-Mitglieder auch in Berlin inzwischen klar geworden war, dass die Weichen in Richtung Linksbündnis längst gestellt sind. Ein Teilnehmer des Landesparteitages fasste das gut zusammen: �Die Würfel sind gefallen.� Allerdings wurde gleichzeitig dem Antrag zugestimmt, dass die WASG zu den Bundestagswahlen 2005 einen eigenständigen Wahlkampf führen wird. Auch der Antrag nach einem eigenständigen Antritt der WASG Berlin bei den Abgeordnetenhauswahlen 2006 ausdrücklich auch als Herausforderung der Berliner PDS wurde durch eine Mehrheit von 60 gegen 45 Stimmen unterstützt. Ein WASG-Mitglied meinte dazu, dass die WASG mit der PDS ja keine Ehe, sondern eher eine Art Wohngemeinschaft eingehen würde.
Alter Landesvorstand abgewählt
Starke Kritik wurde aber auch an der bisherigen Arbeit des alten Landesvorstandes geübt. So gab es wenig Transparenz und demokratische Einbeziehung der Basis in die Diskussionen und Entscheidungsprozesse des Landesvorstandes. Initiativen, die von verschiedenen Bezirksgruppen ausgegangen und sogar von Landesmitgliederversammlungen beschlossen worden waren, waren regelmäßig blockiert worden. Bemängelt wurde auch die recht unkritische Haltung des alten Landesvorstandes an einem Wahlbündnis mit der PDS. Die Quittung für diese Politik: der bisherige Landesvorstand wurde fast vollständig abgwählt. Nur drei der bisherigen Landesvorstandsmitglieder wurden teilweise erst im 2. Wahlgang wiedergewählt. Stattdessen wurde ein Landesvorstand gewählt, der hauptsächlich aus Mitgliedern besteht, die einer Kandidatur auf Liste der PDS kritisch gegenüber gestanden hatten. Neu im Landesvorstand vertreten ist auch Hakan Dogonay, Migrant, Gewerkschaftsaktivist und Sozialist. Er bekam gerade wegen seiner kämpferischen Rede im ersten Wahlgang mit 51 % der Stimmen das zweitbeste Ergebnis bei den Wahlen zum erweiterten Landesvorstand. Zwei Sozialististen wurden auch in den bundesweiten Länderrat entsandt: Lucy Redler (Mitglied der SAV) und Stefan Müller. Beide wurden auch deshalb gewählt, weil sie deutlich machten, sich an die auf dem Landesparteitag gefassten Beschlüsse zu halten.
PDS-Kritikerin Spitzenkandidatin der WASG Berlin
Ein klares Ergebnis brachte auch die Wahl mittels Meinungsbild zur Spitzenkandidatur bei den Bundestagswahlen. So schlägt der Berliner Landesverband vor, Renate Herranen bei den höchstwahrscheinlich bevorstehenden Verhandlungen mit der PDS als WASG-Spitzenkandidatin für Berlin aufzustellen. Renate Herranen hatte sich als scharfe Kritikerin der PDS-Politik gegen das Bundesvorstandsmitglied Christine Buchholz mit einer Mehrheit von 80 gegenüber 58 Stimmen durchgesetzt. Christine Buchholz, führendes Mitglied bei Linksruck, wurde auch deshalb nicht gewählt, weil sie auf dem Landesparteitag gegen einen eigenständigen Wahlkampf der WASG Berlin bei den Bundestagswahlen und gegen einen eigenständigen Antritt der Berliner WASG bei den Abgeordnetenhauswahlen 2006 gestimmt hatte.
Kampagne gegen Arbeitsplatzabbau
Positiv war auch, dass das Thema Arbeitsplatzabbau in Berlin auf dem Landesparteitag ebenfalls diskutiert worden war. So wurde die Unterstützung der KollegInnen des Werkes von Bosch-Siemens-Hausgeräte in Berlin-Spandau, das vor der Schließung steht, bekräftigt. Vor einem Ausspielen der KollegInnen untereinander – insbesondere gegen das Werk in Nauen bei Berlin – wurde gewarnt und für den gemeinsamen Kampf aller KollegInnen und Werke gegen jeden Arbeitsplatzabbau geworben. In dem Falle, dass Bosch-Siemens das Werk wirklich dicht machen wolle, soll �für die Vergesellschaftung des Betriebes und Weiterführung der Produktion auf öffentlich-demokratischer kontrollierter Grundlage� eingetreten werden. Den Bezirksgruppen wurde außerdem vorgeschlagen, Kampagnen gegen Arbeitsplatzabbau durchzuführen. Scharf zurückgewiesen wurden hingegen die Äußerungen von Oskar Lafontaine in seiner Wahlkampfrede in Chemnitz am 15. Juni 2005gegen �Fremdarbeiter�, weil das �deutsche� und �ausländische� Arbeitnehmer gegeneinander ausspielen würde. Die WASG steht hingegen für den gemeinsamen Kampf von allen Arbeitnehmern, �gegen Sozial- und Lohndumping sowie für eine Angleichung der internationalen Sozialstandards nach oben und für Tariflöhne in sämtlichen Wirtschaftsbereichen�.
Wie weiter?
Die Wahl des neuen Landesvorstandes hat die Situation im Berliner WASG-Landesverband gravierend verändert. Mit der Abwahl des bisherigen Landesvorstandes besteht die Möglichkeit, mit größtmöglicher Offenheit, Demokratie und Transparenz an die schnelle Umsetzung der auf dem Landesparteitag gefassten Beschlüsse zu gehen. Und Eile tut not: so hat der Wahlkampf bereits begonnen, Löhne werden wie die der Beschäftigten bei der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) gekürzt und die Situation der Erwerbslosen verschlechtert sich durch Hartz IV weiter. Deshalb muss der Berliner Landesverband der WASG schnell Initiativen ergreifen und mit dem eigenständigen Wahlkampf beginnen. Dazu ist die Erstellung eines Wahlkampfkonzeptes durch den neuen Landesvorstand nötig, dass auch eine Lösung der schlechten finanziellen Situation der WASG Berlin beinhalten muss. Das A und O ist und bleibt aber für die WASG: �Raus auf die Straße, mit den Leuten reden, neue Mitstreiter gewinnen und die Partei schnellstmöglich aufbauen!�.
von Ronald Luther, Berlin