Nach dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst von Berlin, der für die Beschäftigten Lohnverluste von bis zu 10 % bedeutet, wurde auch in Brandenburg ein sogenannter Solidarpakt zwischen den Gewerkschaften Ver.di, GdP, GEW und der SPD/CDU-Landesregierung beschlossen. Aber die Basis von Ver.di lehnte diesen entschieden ab.
von Ronald Luther, Rostock
Der verabschiedete Landeshaushalt 2004 sieht 350 Millionen Euro Einsparungen vor, wovon allein 100 Millionen durch Kürzungen beim Personal reinkommen sollen. Die Gewerkschaften (ver.di, GdP und GEW) stimmten einem dreijährigen Solidarpakt zu, der eine Absenkung der Wochenarbeitszeit für Angestellte um zwei auf 38 Stunden bei Gehaltseinbußen von etwa fünf Prozent und eine empfindliche Kürzung von Weihnachts- und Urlaubsgeld für die Beamten vorsah. Dafür sollten betriebsbedingte Kündigungen bis 2009 ausgeschlossen und auf Kürzungen beim Weihnachtsgeld 2003 verzichtet werden. Auch die PDS-Opposition begrüßte die Vereinbarung.
Überrascht musste aber am Mittwoch, den 4. September der Brandenburg-Beauftragte von ver.di, Werner Ruhnke, bekanntgeben: ?Fakt ist: Es gibt an der Basis keine Akzeptanz für Gehaltskürzungen„. In den Regionalkonferenzen hätten die Mitglieder einhellig dagegen votiert, mit der Regierung in konkrete Verhandlungen zu treten. Zuletzt wurde die Regelung in Dresden einstimmig abgelehnt.
Als Ursache nannte der ver.di-Beauftragte ein ?tiefes Misstrauen? der Mitgliedschaft gegen die Landesregierung. Er räumte aber auch massiven Unmut gegen die eigene Führung ein (Berliner Zeitung). So werde heftig kritisiert, dass der Vizechef von ver.di Berlin-Brandenburg, Hartmut Friedrich, das Eckpunkte-Papier überhaupt unterzeichnet habe.
Die Führungen von ver.di, GdP und GEW stehen vor einem Dilemma. Während ver.di höchstwahrscheinlich aus dem Solidarpakt aussteigen wird, befürchten die Funktionäre der GdP und GEW, dass das Beispiel Schule macht. GdP-Chef Andreas Schuster meinte zur sich abzeichnenden Ablehnung bei ver.di: ?Ich sehe einen Rieseneklat auf uns zukommen.? Schnell gaben sie bekannt, dass sie weiterhin zum ausgehandelten Kompromiss ständen. Staatskanzleichef Rainer Speer (SPD) hingegen drohte inzwischen indirekt mit betriebsbedingten Kündigungen: ?Das
ist Wasser auf die Mühlen derer, die der Landesregierung eine zu weiche Gangart vorwerfen?.
Die Basis von ver.di-Brandenburg hat ihr Veto eingelegt und ihrer kompromisslerischen Führung eine empfindliche Niederlage beigebracht. Aber Vorsicht ist geboten! Das zeigt der undemokratische Abbruch des Ostmetallerstreiks der IG Metall. In der Vergangenheit hatte die Führung der größten Vorgängergewerkschaft von ver.di, der ÖTV, die Gewerkschaftsbasis einige Mal mit undemokratischen Methoden ausgebootet.
So brach die ÖTV-Führung den ÖTV-Streik 1992 ab, obwohl eine Mehrheit von 56 Prozent der Mitgliedschaft den ausgehandelten Tarifabschluss abgelehnt und für eine Fortsetzung des Streiks gestimmt hatte.
Es ist daher notwendig, in den Gewerkschaften eine organisierte Opposition aufzubauen, die für kämpferische und demokratische Gewerkschaften eintritt und nicht den jetzigen Gewerkschaftsführungen vertraut, sondern auch inhaltliche und personelle Alternativen formuliert. Denn eine kämpferische Führung ist nötig, wenn die Landesregierung die Finanzkrise notfalls auch mit betriebsbedingten Kündigungen lösen will.