Die Konzerne sparen sich die Gewerbesteuer – die Rechnung bezahlen wir
von Stefan Hammelstein, Köln
Die deutschen Kommunen sind pleite. Sparen im sozialen Bereich – das ist die einzige Antwort, die uns von PolitikerInnen präsentiert wird. Dabei sind es nicht öffentliche Schwimmbäder, die die Städte ausbluten, sondern Banken und die Geschenke für der Großkonzerne.
Betrug das Haushaltsdefizit der deutschen Städte und Gemeinden 2001 noch vier Milliarden Euro, so waren es 2002 schon sieben Milliarden. Dieses Jahr werden zehn Milliarden Euro in den Kassen fehlen. Die Sparmaßnahmen, die uns die Politiker aller Parteien als Wundermedizin präsentieren, zerstören nach und nach die soziale Infrastruktur der Städte.
Ob es die Grünen sind, die in Köln Jugendzentren schließen, oder die PDS, die in Berlin Kinderhortplätze kürzt – sie alle verweisen, sobald sie an die Regierung kommen, auf die „Sachzwänge“ und betreiben dann die gleiche asoziale Politik.
Die wahren Ursachen für die Finanzmisere liegen aber darin, dass die Kommunen seit Jahren regelrecht ausgeblutet werden.
Gewerbesteuer-Tricks
Vor allem die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sinken stetig. Sie ist – neben der Grundsteuer – die einzige bedeutende Steuer, die die Gemeinde selbst erhebt. In der Theorie trifft die Gewerbesteuer auch wirklich die Richtigen, nämlich Großunternehmen, deren Gewinn eine der Grundlagen für die Berechnung ist.
Die Praxis sieht anders aus. So bezahlen die Unternehmen immer weniger Gewerbesteuer – in den Jahren 2001 und 2002 sanken diese Zahlungen um 20 Prozent. Denn es gibt gerade für große Konzerne reichlich Schlupflöcher. Zum Beispiel BMW: Nach dem gescheiterten Abenteuer mit dem britischen Autokonzern Rover gab das Unternehmen fast fünf Milliarden Euro Verlust an. Ein großer Teil dieser Verluste waren nicht real und durch Steuertricks zustandegekommen. Trotzdem nahm BMW dies als Vorwand, um überhaupt keine Gewerbesteuer mehr zu zahlen. Ein Ausfall von 200 Millionen Euro, der die großen BMW-Standorte – München, Regensburg und Landshut – jetzt an den Rand des Ruins bringt.
Der andere Grund ist, dass die Kommunen einen Teil der Einnahmen aus der Gewerbesteuer an Bund und Länder abgeben müssen. Die Unternehmenssteuerreform von 2001 ist dafür verantwortlich, dass diese Umlage jährlich steigt. 2005 wird sie um 30 Prozent höher sein als vier Jahre zuvor. Bund und Land stopfen so ihre Finanzlöcher mit dem Geld der Gemeinden. Einen Ausgleich – Reformen bei der Steuerabschreibung – hatte man den Kommunen zwar versprochen, dann aber wieder gekippt. Begründung: Es schädige die Konjunktur.
Solange die Städte und Gemeinden sich gegenseitig gemäß der Standortlogik Konkurrenz machen, können sie noch nicht einmal die Gewerbesteuern erhöhen. Der Hebesatz, ein weiterer Faktor für ihre Berechnung, ist in Köln immer noch auf dem Stand von 1988. Der Grund dafür: Im benachbarten Hürth ist der Hebesatz noch niedriger. Und RTL, größter Kölner Steuerzahler, droht bereits offen damit, nach Hürth abzuwandern.
Gegen Kürzungsorgien
Glaubt man den Worten der Politiker, dann könnte die Krise abgewendet werden, wenn wir nur alle auf ein paar Sozialleistungen verzichten würden. Allein Köln will so 55 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Dabei reicht dieses Geld keinesfalls aus, um den Zusammenbruch aufzuhalten; das Haushaltsdefizit wird allein in diesem Jahr das Doppelte dieser Summe betragen. Und das Dreifache, 150 Millionen Euro, wirft die Stadt den Banken in den Rachen, als Zinsen für alte Schulden. Auf der anderen Seite bedeuten die Kürzungen das Ende für viele soziale Einrichtungen. Schulsozialarbeit, Stadtteilbibliotheken, ein Drittel aller Kinderspielplätze, Schwangerschaftsberatung, Migrantenzentren… die Liste ist endlos. In manchen Stadtvierteln fällt sogar die Straßenbeleuchtung dem Rotstift zum Opfer. Der Abstieg ganzer Stadtteile zu Slums wird eingeleitet.
Im nächsten Jahr stehen in vielen Städten Kommunalwahlen an. Unsere Forderung kann dort nur sein, diese Kürzungen zurückzunehmen und das Geld dort zu holen, wo es ist. Den Millionären und Großkonzernen müssen die Steuerschlupflöcher gestrichen werden, die Zinszahlungen an die Banken müssen eingestellt werden. Man wirft uns vor, dass viele dieser Forderungen auf kommunaler Ebene nicht machbar sind, weil die Konzerne in andere Städte abwandern würden. Die Antwort darauf lautet: ja, die Kritiker haben recht. Aber gerade deshalb ist es notwendig, weiterzugehen und einen gemeinsamen Kampf zu führen mit dem Ziel die Banken und Konzerne unter demokratische Kontrolle zu stellen und letztlich der Wirtschaft eine sozialistische Grundlage zu geben.