Gegenwehr ist möglich, kämpferische Gewerkschaften sind nötig

Zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung bleiben die MetallerInnen im Osten Beschäftigte zweiter Klasse.

von Aron Amm
 
Der eigenmächtige Abbruch des Streiks durch den IG-Metall-Vorsitzenden Klaus Zwickel kommt einer kampflosen Kapitulation gleich. Mit diesem Sabotageakt fiel die Gewerkschaftsspitze der eigenen streikenden Basis in den Rücken. Diese Niederlage ermutigt die Unternehmer zu noch dreisteren Angriffen – in Ost und West. Eine radikale Kurswende in den Gewerkschaften ist nötig.
Statt eines Vollstreiks im Osten und Solidaritätsstreiks im Westen zu organisieren, bauten Zwickel und Co auf einen Verhandlungskompromiss. Angesichts der Krise ihres Systems sind die Unternehmer jedoch zu keinerlei Zugeständnissen mehr bereit, im Gegenteil.
Statt einer Arbeitszeitangleichung auf 35 Wochenstunden erdreistete sich das Kapital, einen Arbeitszeitkorridor zwischen 35 und 40 Stunden vorzuschlagen. Das hätte sogar auf eine Arbeitszeitverlängerung hinauslaufen können!
Die Bonzen und Bosse sind in Fahrt – ermutigt durch die Gewerkschaftsführung – auf dem Weg ins 19. Jahrhundert. Sie haben Blut geleckt. Mit dem Einknicken des IG-Metall-Vorstandes mitten im Arbeitskampf konnten sie den Flächentarifvertrag in der Metallindustrie Ost beerdigen.
Aber nicht nur die Ost-Beschäftigten werden die Unternehmeroffensive zu spüren bekommen. „Nachdem der Flächentarifvertrag bei uns ausgehebelt ist, werden die Begehrlichkeiten des Kapitals diesbezüglich auch im Westen wachsen“, so Werner Kempter, Mitglied der IG-Metall-Tarifkommission, vor der Sitzung am 29. Juni.
Die Pleite der IG-Metall-Führung wird Schröder und seine Konzernfreunde ermutigen, die Agenda 2010 durchzupeitschen – wenn nicht die Konsequenzen aus dem Streikbetrug gezogen werden und in den Gewerkschaften das Ruder herumgerissen wird.

Kampf statt Co-Management

„So aggressiv, wie einige Unternehmer mit ihren Belegschaften umgegangen sind, das habe ich noch nicht erlebt“, meinte ebenfalls Kempter.
Während die Kapitalisten ihre Profitkrise auf die arbeitende Bevölkerung abwälzen wollen und auf allen Ebenen zur Generaloffensive blasen, will die Gewerkschaftsspitze weiterhin den Klassenkampf von oben mit einem Schmusekurs ihrerseits beantworten – das ist ein Kapitulationskurs.
Auch wenn das Kapital die Gewerkschaftsspitze längst vom Runden Tisch weggekickt hat, kommen diese immer wieder untertänigst angekrabbelt und versucht sich aufs Neue an den Rockzipfeln der Arbeitgeber festzuklammern. Ein Klaus Franz, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Opel, schlug sich, während der Metallerstreik in vollem Gang war, öffentlich auf die andere Seite: „Ich bin dafür, dass alle Streiks ab sofort beendet werden“, polterte Franz in der Welt. Zwickel machte ein Angebot zum Ausverkauf des Streiks nach dem anderen, bis er den Streik selbst für beendet erklärte. Und das, obwohl „die Kampfbereitschaft doch da war“, so Detlev Nagel, Mitglied der IG-Metall-Tarifkommission.
Die Rechte der Streikenden und gewählter GewerkschaftsvertreterInnen werden mit Füßen getreten. Noch bevor die Tarifkommission tagte, erteilte Zwickel einer Fortsetzung des Metaller-Streiks eine Abfuhr. In einem sogar für die Gewerkschaftsbürokratie wohl einmaligen Vorgang wird auch noch die reguläre Urabstimmung nach dem Streikabbruch abgesagt. Höchste Zeit, innerhalb der Gewerkschaften gegen die undemokratischen Machenschaften vorzugehen.
Die Gewerkschaften müssen endlich zu Kampforganisationen der arbeitenden Menschen werden, die sich konsequent und kompromisslos auf die Seite von ArbeiterInnen und Arbeitslosen schlagen. Gewerkschaftslinke Zu programmatischen gehören auch personelle Alternativen. Kämpferische Vertrauensleute und Betriebsräte müssen die Gewerkschaftsführung herausfordern. Alle AktivistInnen auf betrieblicher Ebene, alle Vertreter oppositioneller Strukturen innerhalb der Gewerkschaften müssen gegen die Angriffe der Unternehmerbande und für Veränderungen in den Gewerkschaften selber aktiv werden.
Das Einstellen der Proteste gegen die Agenda 2010 hat die Unternehmer erst ermutigt, so offensiv gegen die streikenden MetallerInnen vorzugehen.
Das Einstellen der Streiks wiederum wird mit Sicherheit als weitere Einladung verstanden, die Kürzungspolitik weiter zu beschleunigen. Darum muss die Wut der MetallerInnen gegen Zwickel und Co in konkrete Oppositionsarbeit innerhalb der IG Metall und in den anderen DGB-Gewerkschaften umgewandelt werden.
Darum muss – anders als im Metallerstreik – die ganze Kampfkraft genutzt werden, um wirksamen Widerstand gegen die Agenda 2010 und gegen alle weiteren geplanten Sozialkürzungen organisiert werden.