Kampf im Osten um die 35-Stunden-Woche

Seit dem 5. Mai gibt es Warnstreiks in der ostdeutschen Metall- und Stahlindustrie

von Torsten Sting, Rostock

Allen Unkenrufen zum Trotz haben sich die MetallerInnen als mobilisierungsfähig erwiesen. Nachdem sich in der ersten Woche noch 13.500 KollegInnen an den Warnstreiks beteiligten, waren es in der zweiten Woche bereits etwa 20.000. Vor dem Hintergrund, dass der Wirtschaftszweig 300.000 Beschäftigte umfasst und die IG-Metall-Führung wieder die Nadelstichtaktik anwendet, kann dies als Erfolg gewertet werden.
Schwerpunkt der Warnstreiks war Sachsen mit den hochmodernen Automobilfabriken von Opel und VW samt Zulieferindustrie. In diesen Betrieben ist die Gewerkschaft gut organisiert, aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtungen kann hier der größte Druck auf die Arbeitgeber entfaltet werden. Die Kampfbereitschaft ist vorhanden und dafür gibt es gleich mehre Gründe.

Zum einen will ein Großteil der KollegInnen sich das holen, was im Westen längst selbstverständlich ist. Gerade bei den Großbetrieben, die produktiver sind als die Stammwerke in Wolfsburg oder Rüsselsheim, ist die Geduld am Ende.

Hinzu kommt, dass sich bei diesem Anlass der ganze Frust der 90er Jahre mit all den Niederlagen ein wenig Bahn bricht. Nicht zu unterschätzen ist auch die Wut auf Schröders Agenda 2010 und all den Sozialabbau – der gerade den Osten treffen wird.

Doch die Fronten sind hart: Arbeitszeitverkürzung passt den Unternehmern und der Schröder-Regierung gerade überhaupt nicht in den Kram. Der Kampf der MetallerInnen in Ostdeutschland ist ihrem neoliberalen Credo genau entgegengesetzt. Angesichts von Rezession und verschärfter internationaler Konkurrenz sind sie zu einem härteren Kurs gezwungen und bereit.

Strategie

Ein erfolgreicher Kampf der ostdeutschen MetallerInnen wäre in vielfacher Hinsicht von großer Bedeutung. Es wäre ein wichtiger Dämpfer für Schröder und seine Unternehmerfreunde. Er wäre ein wichtiger Anstoß für die Arbeiterbewegung, wieder aus der Defensive zu kommen. Er würde die Debatte zur Arbeitszeitverkürzung wieder neu beleben. Zudem würde er das ramponierte Selbstbewusstsein der ostdeutschen ArbeiterInnen erhöhen und mehr Leute ermutigen für ihre Rechte zu kämpfen. Um dies zu erreichen ist aber eine andere Strategie nötig als jene der IG-Metall-Führung. Diese untergräbt den Kampf dadurch, dass sie bereits im Vorfeld einen „Plan der drei Geschwindigkeiten“ vorschlägt. Abhängig von der wirtschaftlichen Situation der Betriebe soll die Arbeitszeitverkürzung umgesetzt werden. Durch diese Spaltung der Belegschaften und die übliche Verzettelung der Streiks werden die KollegInnen demobilisiert und die Niederlage vorbereitet.

Stattdessen wäre eine offensive Kampagne nötig mit schnellstmöglicher Urabstimmung und Vollstreik. Nötig wären zudem Solidaritätsstreiks der KollegInnen im Westen, um so den Druck noch zu verstärken. Weil von der Gewerkschaftsbürokratie kein freiwilliges Umdenken zu erwarten ist, muss der Druck von unten kommen.