Interview mit Helmut Born, Betriebsrat bei Kaufhof in Düsseldorf und Delegierter zum ver.di Bundeskongress im Oktober (Personenangabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person)
Die Bundesregierung hat jetzt die Ladenöffnungszeiten Samstags auf 20.00 Uhr ausgedehnt. Die Arbeitgeber haben die Manteltarifverträge gekündigt. Und seit 1. April gibt es neue Regelungen für die sogenannte geringfügige Beschäftigung und Minijobs. Was bedeutet das alles für die Beschäftigten im Einzelhandel?
Die weitere Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten hat für die Beschäftigten im Einzelhandel erst einmal generell zur Folge, das ihr bisher eh nur sehr kurzes Wochenende noch weiter verkürzt wird. Dies gilt aber vor allem für die Beschäftigten in den Innenstädten, Centern und den SB Warenhäusern.
Durch die Einführung der Minijobs wird im Einzelhandel Vollzeitarbeit weiter zurückgedrängt werden. Die Unternehmer werden bemüht sein bisher voll sozialversicherungspflichtige Arbeit in Mini-Jobs umzuwandeln. Oft werden das ungelernte Beschäftigte sein, die schlechter bezahlt werden.
Am 9. März haben 20.000 KollegInnen aus dem Einzelhandel in Berlin gegen die Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten demonstriert. Für den 5. April wurden die BeamtInnen zu einer Demo für die Übertragung des Tarifabschlusses nach Düsseldorf mobilisiert. Jeder kämpft für sich allein. Wo soll da die Stärke herkommen um Angriffe zu verhindern, die eigentlich alle treffen?
Ja, das ist sicherlich ein großes Problem, dass es kein Zusammenfassung des Widerstandes gibt. Die Gewerkschaftsführung wird das auch nur machen, wenn sie gehörig unter Druck gerät. Das Problem ist aber auch die Schwäche der politischen Linken. Nachdem die PDS sich nicht mehr als Partei der Systemopposition versteht, klafft hier eine große Lücke. Nur vor diesem Hintergrund kann Schröder seine Politik massiven Sozialabbaus betreiben.
Die Gewerkschaftsspitze will trotz sozialem Kahlschlag immer noch nicht gegen die Schröder-Regierung kämpfen geschweige denn mit der SPD brechen. Was denkst Du, was wird sich in den Gewerkschaften in den nächsten Wochen tun?
Ich denke, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Es gibt inzwischen doch eine Menge an Aktivitäten. Wichtig wird sein, dass aus den Betrieben der Druck erhöht wird.
Es gibt ein Eigeninteresse der Gewerkschaftsführung die Kontrolle über den Apparat zu erhalten. Bevor sie die verliert, wird sie auch mit der Politik der SPD-Führung brechen. Das bedeutet aber nicht, dass die Gewerkschaftsspitze mit der SPD als Partei bricht.
Wie sollte denn eine gewerkschaftliche Kampfstrategie gegen Schröders sozialen Kahlschlag aussehen?
Wichtig ist, sich zum Ziel zu setzen, das wirklich zu verhinden. Ich denke wir brauchen dazu massive Demos in den Regionen und eine bundesweite Großdemonstration. Weitere Kampfschritte wie Arbeitsniederlegungen und ein mehrstündiger oder eintägiger Generalstreik müssen diskutiert werden.
Worin siehst Du die Aufgabe des „Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di“, der ver.di- und Gewerkschaftslinken in den nächsten Monaten und vor dem ersten ordentlichen ver.di-Kongress?
Die Aufgabe der Gewerkschaftslinken in den nächsten Monaten wird sein, den Führungen Dampf zu machen bei der Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder. Wir müssen gleichzeitig die Gewerkschaften gegen die Angriffe von Unternehmern und bürgerlichen Parteien verteidigen. Und wir sollten unseren Teil dazu beitragen, dass die vielfältigen Aktionen gebündelt werden. Dazu müssen aber nicht nur die Gewerkschaften gewonnen werden, sondern auch die Arbeitslosen-, Friedens- und Anti-Globalisierungs-Bewegung.