Gegen den Willen der Gewerkschaftsspitzen wurden 1996 Massenproteste durchgesetzt
1996 legte die Kohl-Regierung nach 14 Jahren Umverteilung ein weiteres milliardenschweres K?rzungsprogramm auf. Das brachte das Fass des Unmuts zum ?berlaufen. Aber die Gewerkschaftsf?hrung dachte nicht daran entsprechende Gegenwehr zu organisieren. Es war das „B?ndnis Sternmarsch gegen Sozialabbau“ (BSGS), das die Intitiative f?r die bundesweite Gro?demonstration am 15. Juni in Bonn ergriff. Das Sternmarsch-B?ndnis war ein Zusammenschluss von Studierenden- und Sch?lerInnenvertretungen, Arbeitsloseninitiativen, und linken Organisationen. Auch die SAV arbeitete aktiv in diesem B?ndnis mit.
In dem Aufruf f?r eine bundesweite Demonstration am 15. Juni In Bonn hie? es: „Wir haben die Schnauze voll ? wir wehren uns alle gemeinsam“. Dadurch kam die Gewerkschaftsf?hrung unter Zugzwang. Um der Gefahr zu entgehen, dass Gewerkschaftsmitglieder ohne politische Kontrolle der F?hrung massen-weise an der Demonstration teilnehmen rief der DGB schlie?lich mit zu der Demo am 15. Juni auf.
Konkret ging es der Gewerkschaftsf?hrung auch darum, die politische Sto?richtung der Demo zu ?ndern. Das Stern-Marsch-B?ndnis forderte nicht nur R?cknahme aller von Kohl geplanten K?rzungen sondern unter anderem eine bedarfsorientierte soziale Mindestsicherung, menschenw?rdige bezahlbare Wohnungen, weitere Arbeitszeitverk?rzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Die Demo wird ein voller Erfolg. Die 350.000 TeilnehmerInnen am 15. Juni in Bonn zeigen sich kampfbereit. Das war die bisher gr??te Gewerkschaftsdemonstration in der Nachkriegsgeschichte.
Die GewerkschaftsrednerInnen bieten aber keine weitere Steigerung der Kampfmittel an. Sie orientieren auf das „B?ndnis f?r Arbeit“ und die Abwahl der Kohl-Regierung bei der Bundestagswahl zwei Jahre sp?ter. Sie kassierten daf?r Protestpfiffe und konnten nicht verhindern, dass die Bonner Gro?demonstration zu einer weiteren Radikalisierung f?hrt. Weitere Kampfschritte wurden eingefordert. Die Forderung nach einem eint?gigen Generalstreik machte die Runde.
Der Vertrauensk?rper der Gie?erei bei VW Baunatal war mit einem Transparent erschienen mit der Aufschrift „Generalstreik jetzt“ Die Belegschaft von ABB Mannheim hatte schon bei einer Demo der IG Metall in der Woche zuvor Transparente mit dieser Forderung getragen. Die SAV sammelte in Bonn Unterschriften f?r einen eint?gigen Generalstreik. Die DemonstrantInnen standen Schlange zum Unterschreiben.
„Generalstreikm??ige Aktion“
Unter dem Druck dieser Stimmung erkl?rt sogar der damalige Vorsitzende der Gewerkschaft Holz und Kunststoff am 15. Juni: „Was nach der Demo von heute passieren muss, nenne ich generalstreikm??ige Aktionen“. Auch der IG-Medien-Funktion?r Herman Zoller sprach sich f?r politische Streiks aus. Der Druck f?r einen Generalstreik war so gro?, dass Vertreter aller DGB-Gewerkschaften im Juni 1996 in einer Schaltkonferenz die Frage diskutierten, „ob es zu einer fl?chendeckenden, betrieblichen und ?ffentlich erkennbaren gemeinsamen Aktionen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am 27. Juni, dem Tag der 2. / 3. Lesung der Gesetzesvorhaben der Koalition kommen kann“.
Das Wort „Generalstreik“ wurde bewu?t vermieden. Das Ergebnis gab der DGB-Vorstand in einem Brief an die Landesbezirke wie folgt bekannt: „Von allen wird zwar die Zielsetzung bejaht, aber die Umsetzungsm?glichkeit doch nicht so ?berzeugend beschrieben, dass von von einer umfassenden Mobilisierung gesprochen werden k?nnte.“ Mit anderen Worten: Die Gewerkschaftsf?hrer kamen zu der Einsch?tzung, dass der Druck in den Betrieben sie noch nicht zur Organisierung von bundesweiten Arbeitsniederlegungen zwingt. Anstatt die Kampfmittel zu steigern, demobilisiert der DGB mit dezentralen Aktionen. Der DGB-Vorsitzende Schulte damals: „Generalstreik ist eine Sache, wo ich Ihnen ganz deutlich sage, das ist ein politischer Streik. Der ist erst einmal von uns nicht gewollt […]. Wir haben gen?gend Instrumente, um uns zur Wehr zu setzen ? und die werden wir voll nutzen.“ Es gab aber keine weiteren Instrumente. Der DGB blies den Kampf ab. Kohl konnte seine Umverteilungspolitik durchsetzen. Die Reichen wurden reicher, die Armen ?rmer.
Die Bewegung wurden von den Gewerkschaftsspitzen auf die Wahlebene vertr?stet. Das hatte zwar das Ende der Kohl-Regierung 1998 zur Folge ? aber keinen „Politikwechsel“, f?r den die Gewerkschaften im Wahlkampf 98 warben. Die Auseinandersetzung jetzt mit der Schr?der-Regierung ist die Folge daraus. Zeit, die Kampfkraft endlich voll aufzubauen und zu nutzen.