von Georg Kümmel, Köln
Es reicht! Wer arbeitslos ist, soll jetzt bettelarm werden, wer krank wird, soll jetzt noch mehr zahlen, aber wer Millionär ist, soll weniger Steuern zahlen – so sieht im Kern die „Reformpolitik“ der Bundesregierung aus. Hinter der Agenda 2010 verbirgt sich das größte Sozialabbau-Programm in der Geschichte der Bundesrepublik. In einem Land, in dem die hundert Reichsten ein Vermögen von 250 Milliarden Euro besitzen, soviel wie der gesamte Bundeshaushalt, in einem Land, in dem die Reichen keine Vermögenssteuer zahlen, in dem Großkonzerne wie Daimler-Chrysler keine Steuern zahlen, in dem der Spitzensteuersatz für Spitzenverdiener gesenkt wird, sollen Arbeitslose und Kranke den Haushalt sanieren und die Steuergeschenke an Konzerne und Milliardäre bezahlen. Das Ganze nennt der Bundeskanzler „sozial gerecht“ und „ausgewogen“.
Das Hauptargument von Regierung und Wirtschaft für ihre Kahlschlagpläne: Das seien nötige Reformen, um die Wirtschaft anzukurbeln und dadurch neue Arbeitsplätze zu schaffen. Aber wo sind denn die Arbeitsplätze, die der (T)Euro, die Steuerreform 2000, die Ökosteuer, die Personal-Service-Agenturen, schaffen sollten?
Die Unternehmer-Gewinne von heute seien die Arbeitsplätze von morgen, so argumentierte schon einmal ein SPD-Bundeskanzler. Aber nicht Gerhard Schröder, sondern Helmut Schmidt und nicht heute, sondern vor über 20 Jahren. Die CDU sagt dasselbe. Und mit dieser immer gleichen Begründung jagt seit über 20 Jahren eine sogenannte Reform des Sozialstaates die andere. Immer zu Gunsten der Unternehmer. Und was ist das Ergebnis? Wir haben heute die höchste Arbeitslosigkeit seit der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Seit über 20 Jahren wird die Theorie von der belebenden Kraft des Sozialabbaus Jahr für Jahr durch die Realität widerlegt, und dennoch wird sie frech jeden Tag neu vorgebetet.
Sozialabbau ist Umverteilung von unten nach oben
Die Wahrheit dagegen ist: Sozialabbau ist Umverteilung von unten nach oben. Nie zuvor gab es in der Bundesrepublik so reiche Reiche und gleichzeitig so viele Arme wie heute. Sozialabbau hat nie Arbeitsplätze geschaffen, schafft keine Arbeitsplätze, wird nie Arbeitsplätze schaffen – aber macht die Reichen reicher.
Ein Beispiel: DaimlerChrysler hat letztes Jahr 6,9 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Im Konzern wurden aber nicht zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, sondern 7.000 abgebaut. Stattdessen wurde die Dividende pro Aktie von 1 Euro auf 1,50 Euro erhöht. Die Gesamtbezüge des 13-köpfigen Vorstands wurden mehr als verdoppelt. Sie erhöhten sich um 131 Prozent. Im Durchschnitt bekam jedes Vorstandsmitglied 3,9 Millionen Euro im Jahr. (Geschäftsbericht 2002 und Spiegel-online 9. April 2003) Die wahren Gründe für die Politik der Bundesregierung sind: Getrieben vom kapitalistischen Konkurrenzkampf versuchen die Konzerne, auch in der Krise ihre Profite zu steigern und die Reichen wollen – wie immer – noch reicher werden. Und Schröder ist der Genosse der Bosse. Das ist nicht bloß ein flotter Spruch, das ist sein Programm.
Deshalb ist auch kein Ende des Sozialabbaus in Sicht. Deswegen reicht es dieser Regierung nicht, Arbeitslose zu Sozialhilfeempfängern zu machen. Daher ist bereits geplant, selbst bei der Sozialhilfe noch zu kürzen.
Auch Teile der SPD stellen sich gegen das Kürzungsprogramm. Doch die innerparteiliche Opposition ist völlig kraftlos. Sie hat keine Alternative, nicht zu Schröder und schon gar nicht zur pro-kapitalistischen Politik von Rot-Grün. Sie wird sich am Ende mit kosmetischen Korrekturen abspeisen lassen.
Gewerkschaften in die Offensive!
Es kann nur eine Antwort auf diese Raubritter-Politik geben: Kämpfen, Widerstand organisieren, demonstrieren, streiken. Für den 17. Mai hat die Gewerkschaft ver.di eine bundesweite Demonstration in Berlin angekündigt. Warum bisher nur verdi? Die Bundesregierung hat ihre Kürzungsmaßnahmen nicht nur ver.di-Mitgliedern angedroht sondern allen arbeitenden und arbeitslosen Menschen in diesem Land. Sie alle müssen informiert und mobilisiert werden. Diese Millionen sind stärker als die Millionäre und Milliardäre, für die Schröder seine Politik macht.
Das Sozialabbau-Paket der Bundesregierung stellt vom Unfang und den Auswirkungen alles bisher da gewesene in den Schatten. Deshalb brauchen wir eine Kampagne und eine Bewegung, die alle bisherigen Proteste bei weitem übertrifft. Zuerst muss die Demonstration am 17. Mai in Berlin zu einer Massendemonstration gemacht werden. Aber das muss die Vorbereitung für einen eintägigen Generalstreik sein. Wer glaubt, diese Regierung würde sich von weniger beeindrucken lassen, der irrt. Eine eintägige Arbeitsniederlegung aller Beschäftigten wäre eine Demonstration der Stärke, Geschlossenheit und Entschlossenheit der abhängig Beschäftigten in Deutschland, die der Regierung und den Damen und Herren in den Chefetagen der Konzerne das Fürchten lehren würde.
Wir rufen dazu auf, der Gewerkschaftsführungen Dampf zu machen, damit sie zu einer Massendemonstration am 17. Mai in Berlin mobilisieren, und wir rufen dazu auf, Druck für die Forderung nach einem eintägigen Generalstreik zu machen.