Keiner weiß, welche Gefahren die Gentechnik in der Landwirtschaft birgt – trotzdem werden Mutanten verbreitet
Die Europäische Union trat vor kurzem mit der Forderung hervor, für solche Lebensmittel, die mit bis zu einem Prozent gentechnisch verunreinigt sind, die Kennzeichnungspflicht abzuschaffen. Der Ablehnung der übergossen Mehrheit zum Trotz, ist die gentechnische Manipulation von Tieren und Pflanzen fast überall auf der Welt gängige Praxis. Während biotechnische Konzerne, Großagrarier und die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln sich daran eine goldene Nase verdienen, bleibt für die Masse der VerbraucherInnen ein unkalkulierbares Risiko.
von Marcus Hesse, Heinsberg
Die Anwendung der Gentechnologie in der Landwirtschaft ist sehr vielseitig: Sie reicht von der Manipulation an Pflanzen zur Ertragssteigerung und Haltbarkeitsverlängerung über die Schädlingsbekämpfung bis hin zur gentechnischen Manipulation an Nutztieren, damit diese leichter und schneller zu mästen sind und mehr Fleisch hervorbringen.
Besonders Pflanzenschutz-Unternehmen sind massiv in das neue Geschäft eingestiegen und fahren dabei ungeheure Profite ein.
Hierzu gehört in Deutschland die Hoechst Schering Agrevo GmbH, Berlin. Das Gemeinschaftsunternehmen von Hoechst (Anteil von 60 Prozent) und Schering hat 1995 mit klassischen Mitteln gegen Unkräuter, Pilze und Schädlinge 3,6 Milliarden DM umgesetzt.
Zum Vergleich: Bayer kam in diesem Geschäft auf 3,3 Milliarden, die BASF auf 2,3 Milliarden DM. Doch nur die Agrevo kann für sich in Anspruch nehmen, entschlossen die Gentechnologie für den Pflanzenschutz zu nutzen. Für das Jahr 2005 erwartet das Gemeinschaftsunternehmen von Hoechst und Schering für biotechnische Produkte (Saatgut und Pflanzenschutzmittel) ein Volumen von rund 4,5 Millarden Euro.
Gentechnisch veränderte Pflanzen werden zu Versuchs- und zu kommerziellen Zwecken bereits seit Jahren frei gesetzt. Waren es 1986 nur fünf Feldversuche, so wurden 1995 weltweit bereits 3.647 Freisetzungs-Genehmigungen erteilt.
Monsantos genetisch maipuliert Sojabohne wird in den USA auf einer Fläche von mehr als einer Million Morgen angebaut. Der Mais von Ciba-Geigy auf 470.000 Morgen und Monsantos „pestizidresistente“ Bt-Baumwolle auf etwa 2 Millionen Morgen. Letztere Freisetzung erwies sich als einer der größten Flops: Diese Baumwolle fiel restlos einer Insektenplage zum Opfer.
Schlecht für VerbraucherInnen, gut für den Profit
Betrachtet man die mehr als zweifelhaften Ergebnisse des Einsatzes der Gentechnik in der Landwirtschaft und vergleicht diese mit den nach wie vor unabschätzbaren Gefahren für Natur und Verbraucher, so muss man zu dem Schluss kommen, dass nur die großen Saatgut- Hersteller und Pflanzenschutz-Unternehmen davon profitieren und die Bauern mehr und mehr in ihre Abhängigkeit geraten. (dies gilt insbesondere für die ärmeren Länder).
Wir VerbraucherInnen werden nicht nur einem immensen Risiko ausgesetzt, sondern auch ganz simpel betrogen: So werden –„dank“ Gentechnologie – alte und minderwertige Landwirtschaftsprodukte rein äusserlich auf frisch getrimmt.
Die Wut vieler BäuerInnen und VerbraucherInnen darüber, schutzlos den Gefahren der Genmanipulation ausgesetzt zu sein, führte immer wieder zu energischen Protesten:
So wurden beispielsweise – nach Angaben der FAZ – im Jahre 1996 allein in Deutschland 12 von 33 Freilandversuchen von Gentechnik-GegnerInnen zerstört. Im Zuge der antikapitalistischen Bewegung wurde der Widerstand gegen die Macht der Agrarkonzerne auf eine noch breitere Front verlagert und zunehmend internationalisiert.
Der Widerstand des französischen Bauern-Aktivisten José Bové , der mit radikalen Aktionen und einer überzeugenden Öffentlichkeitsarbeit bekannt wurde, markiert dabei den bisherigen Höhepunkt. Bové gelang es, die öffentliche Meinung massiv zu Ungunsten der Agrarkonzerne zu beeinflussen.
Das ändert allerdings nichts daran, dass der Einsatz von Genmanipulationen in der Landwirtschaft von den Konzernen knallhart fortgesetzt wird.
Für demokratische Kontrolle!
Solange Konkurrenzkampf und Profit die Wirtschaft beherrschen, zählen die Bedürfnisse der übergroßen Mehrheit nur insoweit, wie man mit ihnen Profite machen kann. Solange uns die Besitzer von Banken und Großkonzernen ihre Interessen aufdiktieren können, werden neue Technologien und Verfahren ohne Rücksicht auf die Gesundheit der VerbraucherInnen zur Profitsteigerung benutzt.
Proteste von UmweltschützerInnen und anderen AktivistInnen wie José Bové sind gut und richtig. Die mächtigen Agrarkonzerne können aber nur dann bezwungen werden, wenn der Kampf gegen sie mit dem Kampf gegen das ganze kapitalistische Profitsystem verbunden wird.
Als SozialistInnen sind wir der Meinung, dass nur die Enteignung der Kapitalisten und die Überführung der gesamten Wirtschaft in Gemeineigentum, unter demokratischer Verwaltung der dort arbeitenden und der VerbraucherInnen selbst, eine ökologische, nachhaltige und vorausschauende Landwirtschaft gewährleisten kann, die sich am Wohl von Mensch und Natur orientiert und nicht am Profit weniger.