Markt ohne Raum

Die EU-Osterweiterung soll die Profite in den führenden EU-Ländern sichern

Nicht zum ersten mal in der Geschichte streckt der deutsche Imperialismus, aber auch die anderen europäischen imperialistischen Mächte, die Hände aus in Richtung Osten. Das Ziel ist ein starker gesamteuropäischer Block von globaler wirtschaftlicher und politischer Bedeutung.

von Hans-Christian Funke, Kassel

 
Bis 2004 sollen zehn weitere Länder (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern) der EU angeschlossen werden. Besonders die führenden Staaten wie Deutschland, Frankreich und Britannien haben ein Interesse an dieser Erweiterung.
Die deutschen Banken und Konzerne erhoffen sich zum Beispiel in Polen einen Markt von etwa 40 Millionen Menschen für den Absatz deutscher Waren. Ausserdem gibt es dort billige Arbeitskräfte, industrielle und natürliche Ressourcen (Betriebe und Bodenschätze).
Doch diese Pläne verlaufen nicht reibungslos. Die nationalen Wirtschaften liegen auf Grund der Weltwirtschaftskrise am Boden. Daher gibt es Spannungen zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten.
Alle wollen neue Märkte, aber keiner will dafür bezahlen. Der EU-Gipfel in Kopenhagen brachte vorläufige Kompromisse. Ob diese eine tiefe Wirtschaftskrise überstehen ist mehr als fraglich.

EuropäerInnen zweiter Klasse

In der Bevölkerung der osteuropäischen Länder gibt es eine große Angst vor der Überschwemmung mit ausländischen Billigprodukten und dem Ausverkauf ihrer Volkswirtschaften.
Diese Angst ist berechtigt: Schon zur Vorbereitung des Beitritts stieg die Mehrwertsteuer, Subventionen in Post, Bildung und Gesundheit wurden gekürzt. Die Regierungen der Beitrittsländer nutzen die EU-Kriterien als Argument für einen radikalen Ausverkauf des öffentlichen Eigentums.
Weitere Benachteiligungen sind geplant: den Menschen der Beitrittsstaaten wird das Zuzugsrecht in die EU zunächst verweigert, die Subvention landwirtschaftlicher Produkte fällt niedriger aus als für bisherige EU-Länder. Ähnliches gilt für die Regelung der Finanzhilfe für ärmere Regionen. Es zeigt sich immer mehr, dass es in der EU ein Recht für die ärmeren und ein anderes, bevorzugendes Recht für die reicheren Länder gibt.
Ein einheitlicher Wirtschaftsraum würde dazu führen, dass sich die starken, westlichen Konzerne in der Regel durchsetzen und die wirtschaftlichen Unterschiede schärfer werden. Das gilt besonders unter Bedingungen der Krise.

Widerstand regt sich

Am 15. Oktober 02 bewarfen 7.500 Gewerkschaftsmitglieder aus Silesia in Polen Regierungsgebäude mit Tränengas, Flaschen und selbstgebastelten Granaten. Sie protestierten damit gegen Fabrikschließungen und die Bedrohung von 40.000 Arbeitsplätzen. Diese sollen Anpassungsmaßnahmen zum EU-Beitritt zum Opfer fallen. Silesia hat eine Arbeitslosenrate von 30 Prozent (Polen insgesamt: 17,4 Prozent).
Diese Radikalität ist ein Vorgeschmack der Kämpfe, die sich bei der Vertiefung der Wirtschaftskrise entfalten werden.
Es gibt jedoch innerhalb der osteuropäischen Bevölkerung noch große Illusionen, die EU bringe Fortschritt und Lebensqualität. Noch nicht alle haben die Schlussfolgerungen dieser polnischen Gewerkschafter-Innen gezogen.
Unsere Aufgabe als SozialistInnen ist es, aufzuzeigen, dass ihre Zukunft nicht mit der EU, sondern mit dem Schicksal der arbeitenden Bevölkerung im Westen verknüpft ist. Gegen die nationalistische Hetze der Rechten setzen wir den gemeinsamen Kampf der arbeitenden Menschen in Europa. Sozialistische Antworten auf Konkurrenz, Krise und Kahlschlag sind notwendig.