Attac darf kein Lobbyverband werden
Das globalisierungs-kritische Netzwerk Attac hat nach wie vor Zulauf. Im Herbst trat das 10.000ste Mitglied ein. Auch bei den Protesten gegen den drohenden Irak-Krieg und dem Widerstand gegen Sozial- und Bildungsk?rzungen wird Attac f?r viele eine gro?e Anziehungskraft haben. Auf der anderen Seite verfestigen sich in der Spitze von Attac die Tendenzen zur Politik von oben herab und zur Anpassung an das Establishment.
von Claus Ludwig, K?ln
Attac beruht auf dem Konsens-Prinzip: Kein gr??erer Teil der Mitgliedschaft soll ?bergangen werden. Das ist manchmal recht l?hmend, wenn es darum geht, schnell zu handeln und Stellung zu beziehen. Die SAV trat in der Vergangenheit daf?r ein, dass Entscheidungen mit Drei-Viertel- oder Zwei-Drittel-Mehrheit getroffen werden k?nnen.
Problematisch ist, dass die Attac-Spitze das Konsens-Prinzip so anwendet, wie es ihr politisch genehm ist: anti-kapitalistische Ideen werden als au?erhalb des Konsenses stehend definiert. Explizit pro-martkwirtschaftliche Forderungen, die innerhalb von Attac ebenso umstritten sind, werden selbstverst?ndlich als Positionen von Attac in alle Welt hinausposaunt.
J?ngstes Beispiel: der bundesweite Koordinierungs-Kreis von Attac hat ein gemeinsames Papier mit mehreren Nicht-Regierungsorganisationen (VENRO) und dem DGB-Bundesvorstand ver?ffentlicht. Dies wurde in s?mtlichen Tageszeitungen berichtet.
Erkl?rung mit DGB-Vorstand
Die Einschr?nkung, dass ?weitergehenden Positionen? von Attac ?keineswegs ?berholt? seien, hilft nicht. Denn in diesem Papier spricht sich Attac deutlich f?r einen ? leicht reformierten ? Kapitalismus aus und daf?r, ein bisschen an WTO und Co herumzubasteln, sowie der Globalisierung ?ein soziales und demokratisches Gesicht? zu verschaffen, sprich die h?ssliche Fratze der Marktwirtschaft h?bsch zu schminken.
Ein Kernpunkt des Papiers ist die absurde Idee, die derzeitige Wirtschaftskrise w?re auf mangelnde internationale Kooperation und fehlende Regelungen in der Finanzsph?re zur?ckzuf?hren und nicht auf grundlegende Widerspr?che des Kapitalismus und k?nnte per Gesetzgebung bek?mpft werden.
Sie fordern, dass bestimmte Dienstleistungen vom Allgemeinen Dienstleistungsabkommen (GATS), was die Privatisierung und Deregelurierung weltweit vorschreibt, ausgenommen werden oder GATS in wirtschaftlichen Krisensituationen ?zeitlich befristet? ausgesetzt wird ? und akzeptieren damit GATS insgesamt.
Privatisierung lehnen sie nur in ?sozialen Dienstleistungsbereichen wie z.B. Bildung, Gesundheit, Umwelt, Wasser? ab. Strom, Telekom, Verkehr ? all das ist ja nicht ?sozial wichtig?, kann also an die Profithaie vertickt werden.
Die verantwortlichen Ko-Kreis-Mitglieder wissen ganz genau, dass solche Positionen keineswegs Konsens sind. Zum Beispiel gab es im Mai 2002 beim Attac-Ratschlag, der Vollversammlung des Netzwerkes, ein langes Ringen um die Formulierungen der Attac-Erkl?rung. Demokratische Diskussions- und Entscheidungsprozesse werden mit F?ssen getreten. Folglich kam in verschiedenen Attac-Regionalgruppen die Forderung auf, die Unterschrift unter dieses Papier zur?ck zu ziehen.
Hartz-Papier
Offiziell gibt es bisher keine Stellungnahme der Attac-F?hrung zu den Hartz-Pl?nen. Einige Ko-Kreis-Mitglieder lehnen das Papier auch nicht in allen Aspekten ab und wollen sich nicht positionieren.
Aber Attac mus sich entscheiden: Steht man zusammen mit der F?hrung des DGB und der Einzelgewerkschaften auf Seiten der Regierung und der Unternehmer, die die Arbeitslosen als Hebel zum Absenkung von L?hnen und Sozialleistungen nutzen wollen, oder zusammen mit kritischen GewerkschafterInnen und Arbeitslosen-Initiativen gegen das Hartz-Paper.
Wohin geht die Reise?
2003 wird ein Jahr der wirtschaflichen Krise und zunehmender sozialer K?mpfe. Regierung und Kapital greifen die sozialen Errungenschaften an allen Fronten an. Viele Menschen setzen Hoffnungen in Attac. Das Vertrauen in SPD und Gr?ne ist aufgebraucht. Attac k?nnte an der Schnittstelle von Anti-Kriegs- und Anti-Globalisierungs-Protesten sowie bei konkreten K?mpfen von Studierenden, Sch?lerInnen und ArbeitnehmerInnen eine wichtige Rolle spielen. Attac k?nnte helfen, diese K?mpfe zusammenzuf?hren und eine breiten Opposition gegen die kapitalistischen Parteien zu formieren.
Dazu bedarf es einer klaren Aktionsorientierung, einer Besch?ftigung mit den ?Brot-und-Butter-Fragen? von Arbeit und Arbeitslosigkeit, einer Zusammenarbeit mit den kritischen und k?mpferischen Teilen der Gewerkschaft und einer deutlichen Positionierung gegen alle Attacken der Herrschenden, gegen jede Art von Privatisierung und Sozialabbau.
Sollten jedoch Kr?fte die Oberhand behalten, denen es vor allem darum geht, aus Attac einen Lobbyverband zu machen, der freundlichen Druck auf Rot-Gr?n und Gewerkschaftsf?hrung aus?bt, droht eine Situation, in der Attac die Entwicklung der sozialen K?mpfe bremst und damit Menschen entmutigt.
Auf dem Attac-Ratschlag vom 17. bis 19. Januar werden sich die SAV-Mitglieder in Attac zusammen mit anderen Linken f?r eine klare Kurskorrektur einsetzen. Wir fordern, dass die Unterschrift unter das DGB-Papier ?ffentlich zur?ckgezogen und klar Stellung gegen die Pl?ne der Hartz-Kommission bezogen wird.
Claus Ludwig ist Mitglied im Attac-Ko-Kreis K?ln