Dokumentiert: Stellungnahme des Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di
Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) berichtete am 05. August 2019 darüber, dass der scheidende ver.di-Chef und Grünen-Mitglied Frank Bsirske die Beschäftigten dazu auffordert, sich an den Demonstrationen am globalen Aktionstag am 20. September 2019 zu beteiligen. In ihrem Aufruf gingen öffentliche Personen von Fridays-For-Future einen Schritt weiter und riefen alle „Erwachsenen“ dazu auf, sich ihren Aktionen anzuschließen. Einige verstehen dies als direkten Aufruf, nicht nur die Schulen und Universitäten, sondern auch die Betriebe zu bestreiken. Das ist die Gelegenheit für die Gewerkschaftsbewegung den offenen Schulterschluss mit der politischen Umweltbewegung junger Menschen zu vollziehen. In diesem Sinne ist es auf jeden Fall zu begrüßen, dass ein Gewerkschaftsvorsitzender sich positiv dazu äußert – doch es braucht mehr als das.
Fast schon als radikaler Abschied von jemanden, der nicht mehr viel zu verlieren hat, da er seinen Vorsitz der Gewerlschaft abgibt, wirkt jetzt die Aussage Bsirskes. Ein Blick über die Schlagzeile hinaus zeigt jedoch, wie begrenzt der verbale Radikalismus ist. So sagte er der WAZ: „Wir rufen natürlich nicht zu einem ordentlichen Streik auf, das geht nicht. Es wird auch nicht jeder seine Arbeit unterbrechen können. Aber wer kann, sollte ausstempeln und mitmachen. Ich werde jedenfalls hingehen.“
Es ist klar, dass es einem Gewerkschafts-Funktionär wesentlich leichter fallen dürfte, für die Teilnahme an einer politischen Aktion „auszustempeln“. Mit seiner Aussage schiebt er die Verantwortung für eine gemeinsame Aktion von FFF und Gewerkschaft den einzelnen Kolleg*innen zu. Das birgt die Gefahr, dass dann auch die Nicht-Teilnahme als ein individuelles Verschulden gesehen wird. Wer ausstempeln kann, muss die Zeit nacharbeiten. Die absolute Mehrheit der Arbeiter*innen kann aber nicht einmal das und einfach die Station, das Geschäft, die Fabrik oder gar das Kraftwerk verlassen.
Streik bleibt eine kollektive Angelegenheit und ihn zu organisieren ist die Verantwortung der Gewerkschaft. Gerade in einem Land wie Deutschland, wo Streiks zu politischen Themen so verpöhnt sind und als nicht durchführbar angesehen werden, braucht es den entschlossenen Willen und eine konkrete Kampagne für dessen Vorbereitung und Durchführung von der Bundesebene bis in die Betriebe durch die Gewerkschaften. Gerade weil ein Streik für politische Forderungen immer als undurchführbar abgetan wird (trotz Bekenntnissen einiger Gewerkschaftskongresse dazu), wird er nur durchgesetzt, indem er gemacht wird. In der Geschichte der Bundesrepublik gibt es Beispiele für politische Streiks. Die heute noch existierende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde 1956-57 in einem 114 Tage dauernden politischen Streik durchgesetzt.
Damit dies aber nicht zu einer hausgemachten Katastrophe führt, müssen konkrete Vorbereitungen ergriffen werden. Der Aufruf eines Gewerkschaftsvorsitzenden zur Teilnahme am Klimastreik am 20. September 2019 ist dafür noch lange nicht ausreichend. In der Vorbereitung und Umsetzung eines politischen Streiks muss man sich sowohl mit den Regierenden, als auch mit den Bossen anlegen. Wenn die Unternehmen sich schon bei Tarifkämpfen über die Verluste durch Arbeitskämpfe beklagen, werden sie gegen Streiks für Umweltforderungen Sturm laufen.
Anderthalb Monate mögen für einen erfolgreichen politischen Streik in Deutschland als eine kurze Zeit erscheinen. Es ist jedoch nicht unmöglich, wenn der DGB sein volles Gewicht in eine allumfassende Kampagne dafür werfen würden, statt sich auf wohlmeinende Beschlüsse zu beschränken. Es wäre auf jeden Fall möglich, wenn sie die Gewerkschaften von Anbeginn konsequent und praktisch auf die Seite der Klimabewegung gestellt hätten. Neben dem politischen Streik gibt es viele Ideen, die man umsetzen kann: Es sollten Betriebsversammlungen, Vertrauensleute- und Schulkonferenzen in den Berufsschulen einberufen, aktive Mittagspausen organisiert usw. werden. Dies sind Schritte zur Vorbereitung einer größeren Streikaktion, die das Potential hat, die Klimapolitik und das Land nachhaltig zu verändern. Der Kampf um die Rettung der Erde ist nach dem 20. September 2019 nicht vorbei und so sollte das Thema und die Ausarbeitung einer konkreten Kampfstrategie durch ver.di auch nach dem Bundeskongress im September eine zentrale Rolle spielen.
Dadurch hätte auch ein Gegensatz von Forderungen der Beschäftigten und der Klimabewegung verhindert werden können. Die #fairwandel-Demonstration der IG Metall hat Ende Juni 50.000 Kolleg*innen auf die Straße gebracht, um deutlich zu machen, dass sichere Arbeitsplätze und Qualifizierung der Beschäftigten kein Gegensatz zu Umweltschutz sein dürfen. Wenn die Verantwortlichen für den Klimawandel – die Großkonzerne und deren Politik – klar benannt werden und Maßnahmen wie Fleisch- und CO2-Steuer, die nur die Masse der Beschäftigten belasten, statt die Profiteure, durch ein konkretes Programm zur Durchsetzung einer nachhaltigen Wirtschaft ersetzt werden, kann der wirkliche Schulterschluss zwischen Beschäftigten und Klimastreik-Bewegung gelingen.
Wenn Ihr mit uns disktutieren wollt, wie die Gewerkschaften politisch Kämpfe führen können, kommt zur Strategiekonferenz für kämpferische Gewerkschaften, die von der VKG – Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften organisiert wird!