Zwei Millionern auf der Straße gegen verhasstes „Auslieferungsgesetz“
Der politische Druck, durch die Massenbewegung, darunter eine Demonstration, die auf zwei Millionen Menschen geschätzt wird, zwang die pro-Peking-Exekutive in Hongkong wegen ihres berüchtigten „Auslieferungsgesetzes“ zu einem demütigenden Rückzieher.
Dave Carr, The Socialist (Wochenzeitung der Socialist Party, England & Wales)
Der aktuelle Gesetzentwurf würde es ermöglichen, politische Gegner*innen des chinesischen Staates an das Festland auszuliefern, was die demokratischen Rechte in Hongkong (HK) weiter schwächen würde. Regierungschefin Carrie Lam sagte, sie werde das Gesetz auf unbestimmte Zeit aussetzen, nachdem sie erklärte, dass das Gesetz „viel Spaltung“ verursacht habe. Ihre Tage als Pekings politische Marionette scheinen gezählt.
Das chinesische Regime der “Kommunistischen Partei“ unter Präsident Xi Jinping war zweifellos beunruhigt über die Größe und Entschlossenheit der Massenproteste und insbesondere über ihr Potenzial, die unterdrückte Arbeiter*innenklasse auf dem chinesischen Festland zu radikalisieren.
Viele Demonstrant*innen – die am 12. Juni Tränengas und Gummigeschosse bekämpften, als die Polizei friedliche Demonstrant*innen außerhalb des Regierungsgebäudes (Legco) brutal angriff – fordern die sofortige Streichung des Gesetzes und akzeptieren seine Verschiebung nicht. Die Verschiebung ist offensichtlich eine Verzögerungstaktik von Peking, das hofft, zu einem günstigeren Zeitpunkt wieder eine ähnliche Gesetzgebung einzuführen.
Die Exekutive von Hong Kong und die Hälfte der Legco werden „indirekt gewählt“, das heißt, von Peking eingesetzt. Im Jahr 2017 gelang es Peking, eine Reihe von demokratisch gewählten Legco-Mitgliedern auf gefälschter rechtlicher Grundlage zu entfernen.
Die Aktivist*innen werden sich nun ernsthaft damit befassen, wie die Bewegung weiterentwickelt werden kann, nicht nur, um die wenigen noch bestehenden demokratischen Rechte zu verteidigen, sondern auch, um eine echte Arbeiter*innendemokratie aufzubauen.
Aber viele selbsternannte demokratische Führer*innen in Hongkong verbünden sich mit verkommenen westlichen kapitalistischen Demokratien – deren Regierungen typischerweise von Pro-Establishment und Parteien der Bosse dominiert werden. Die bürgerlichen Demokrat*innen der pandemokratischen Bewegung, die die “Regenschirm-Bewegung” 2014 in Hongkong dominierte, haben seitdem keine Reformen erreicht.
Die Massenproteste vom 12. Juni, die die ehemalige britische Kolonie zum Stillstand brachten, zeigen das Potenzial der Arbeiter*innenklasse, zusammen mit Studierenden und Teilen der Mittelschicht, weiter zu gehen und Aktionsausschüsse zu wählen, um weitere Streiks zu organisieren, die den manipulierten Legco beiseite fegen, die antidemokratischen Maßnahmen der letzten Jahre, die im Namen des chinesischen Regimes verhängt wurden, zurückzudrängen und für eine demokratische revolutionäre verfassungsgebende Versammlung und eine wirklich demokratische, von Arbeiter*innen geführte Regierung zu kämpfen. Eine solche Regierung würde als Leuchtturm für die unterdrückte Arbeiter*innenklasse in China sowie in Taiwan, Macau und im gesamten Pazifikraum dienen, um auch für eine solche Transformation zu kämpfen.
Arbeiter*innenbewegung mit sozialistischem Programm nötig
Neben dem Kampf für die demokratischen Grundfreiheiten muss eine solche Bewegung auch für das Ende des kapitalistischen Systems mit seinen massiven, immer größer werdenden Ungleichgewichten zwischen Superreichen und Arbeiter*innen und Armen in Hongkong kämpfen.
Laut Oxfam erreichte die Vermögensschere in Hongkong im vergangenen Jahr den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen vor 45 Jahren. Ein armer Mensch in Hongkong braucht schätzungsweise drei Jahre und acht Monate, um das zu verdienen, was reiche Haushalte in einem Monat verdienen. In den Jahren 2018 bis 19 waren die Ausgaben der Regierung von Hongkong für Gesundheit, Bildung und Soziales um fast 16 Prozent geringer als 2003.
Um diese Ungleichheit zu beenden, muss eine Bewegung der Arbeiter*innenklasse und eine demokratisch organisierte Massenarbeiter*innenpartei aufgebaut werden, die von Kapitalist*innen und Konzernen unabhängig ist, von denen einige ihren Beschäftigten die Teilnahme an den jüngsten Protesten in der Arbeitszeit gestatteten.
Diese Unternehmen werden normalerweise gerne mit verrotteten repressiven Regimen Geschäfte machen und ihre Arbeitskräfte rücksichtslos ausbeuten, um Gewinne zu erzielen. Ihr Hauptanliegen ist es, einen Rechtsrahmen aufrechtzuerhalten, der ihre Fähigkeit, Märkte und Arbeitskräfte frei zu nutzen, nicht beeinträchtigt. Sollte die US-Regierung jedoch den „Sonderstatus“ von Hongkong beenden, würden die kürzlich von Trump verhängten Handelszölle auf chinesische Waren auch für Unternehmen aus Hongkong gelten. Und das könnte die Geschäftsinteressen Singapurs stärken.
Eine Bewegung der Arbeiter*innenklasse muss auch unabhängig von der Regierung von Trump und anderen westlichen Regierungen sein.
Sie sind gerne dazu bereit, gewinnbringende Handelsbeziehungen mit einer Reihe von Diktaturen auf der ganzen Welt zu unterhalten, inklusive China, werden aber die demokratischen Proteste Hongkongs als nützliche Propaganda in ihrem geopolitischen Kampf gegen das Regime Xis nutzen.
Eine revolutionäre Arbeiter*innenbewegung in Hongkong, bewaffnet mit einem demokratischen sozialistischen Programm zur Beendigung des Kapitalismus und zur demokratischen Planung der Wirtschaft, würde sich auch mit den Arbeitskämpfen in China verbinden, um den Sturz des dort herrschenden brutal repressiven Regimes zu unterstützen.
Aktuelle Infos zur Situation in Hongkong und zur Arbeit der Schwesterorganisation der SAV in der Region findet ihr auf: https://chinaworker.info/en/