Großbritannien in der Endloskrise

Die Arbeiter*innenklasse muss Widerstand organisieren

In der Woche ab dem 22. Juli wird Großbritannien einen neuen Premierminister haben. Die etwa 100.000 Mitglieder der regierenden Tory-Partei sind verpflichtet, einen der beiden millionenschweren Kandidaten, Boris Johnson oder Jeremy Hunt, als Parteivorsitzenden zu wählen.

von Sarah Sachs-Eldridge, London

Die Tory-Mitgliedschaft ist überwiegend pro-Brexit. Das Einzige, was viele Tory-Mitglieder mehr fürchten, als nicht aus der EU auszusteigen, ist der Sieg des linken Labour-Chefs Jeremy Corbyn bei einer Parlamentswahl.

Theresa May wurde gezwungen, zurückzutreten, weil sie nicht in der Lage war, den Brexit durchzusetzen. Die Tories erhielten bei den Kommunalwahlen im Mai ein historisch niedriges Ergebnis für eine Regierungspartei. Was dahinter steckt, ist die tiefe Krise des Kapitalismus, der sich seit der Krise von 2007/08 nicht erholen konnte. Für Arbeiter*innen und Jugendliche in Großbritannien ist dies das „Zeitalter der Unsicherheit“ – Kürzungen, niedrige Löhne und prekäres Wohnen. Die Lebenserwartung beginnt faktisch zu sinken.

Anti-Establishment Rhetorik

Boris Johnson ist der Favorit, um die Wahl zu gewinnen. Seine „Anti-Establishment“-Rhetorik versucht die Quadratur des Kreises, in dem er den Kapitalismus verteidigt und gleichzeitig den Eindruck erwecken will, außerhalb des gehassten Establishments zu stehen. Im Jahr 2018 rief er „fuck business“, aber das Big Business muss sich keine Sorgen machen, dass Johnson seine Interessen nicht nah am Herzen hat. Er brüstete sich beim Beginn seiner Kampagne damit, dass er als Londoner Bürgermeister der „einzige Politiker war, der bereit sei, sich für Finanzinstitute einzusetzen“.

Jeremy Hunt, der Außenminister und Herausforderer von Johnson, hat sich ebenfalls verpflichtet, die Körperschaftssteuer von 19 Prozent auf nur 12,5 Prozent zu senken. Das einzige was große Wirtschaftsführer befürchten, ist, dass Johnson gezwungen werden könnte, einen chaotischen Brexit gegen ihre Interessen durchzuführen. Denn für sie ist die EU im Grunde genommen ein Chefclub, der die Profite der Kapitalistenklasse sichert, zu dem sie ihren Zugang nicht verlieren wollen.

Gewerkschaftsfeind

Doch welche Rolle Johnson auch immer in Bezug auf den Brexit spielt, es ist seine Klasse, die er vertritt. Das zeigt sich auch in seiner Vergangenheit: Im Jahr 2014 stimmten die Arbeiter*innen der Londoner U-Bahn für einen Streik und als Reaktion darauf plädierten Tory-Mitglieder der Johnson-geführten London Assembly für ein Verbot von Streiks in der U-Bahn. Das liegt daran, dass die Beschäftigten zwischen 2005 und 2011 über dreißig Tage lang Streiks durchgeführt haben, was die Londoner Wirtschaft schätzungsweise hundert Millionen Pfund pro Tag kostete. Doch die kämpferische Aktion der RMT Transportgewerkschaft besiegte die Chefs der Nahverkehrsunternehmen, die Johnson fest auf ihrer Seite hatten. Boris Johnson und der Rest der Tory-Kandidaten sind sich vielleicht nicht einig über den Brexit, aber sie sind sich einig, dass die Arbeiter*innenklasse für die anhaltende Krise ihres Systems bezahlen soll.

Wer auch immer den Tory-Vorsitz gewinnt, die Beschäftigten müssen sich jetzt darauf vorbereiten zu kämpfen. Auf lokaler Ebene werden gerade mehrere Erfolge durch Streiks eingefahren. Die Kampagne zur Vorbereitung einer landesweiten koordinierten Aktion anlässlich der Einführung des neuen Premierministers muss jetzt beginnen. Die Kampagne muss die Verteidigung des Lebensstandards mit der Forderung nach Neuwahlen verbinden, um die Tories loszuwerden.

Corbyns Gegner in Labour

Die prokapitalistischen Elemente in der Labour Party versuchen, Jeremy Corbyn zu untergraben – so wie sie es seit seiner Wahl getan haben. Dies liegt daran, dass eine Parlamentswahl und damit die Möglichkeit einer Corbyn-Regierung – möglicherweise noch dieses Jahr – in der Krise angelegt ist. Was die kapitalistische Klasse am meisten befürchtet, ist, dass ein solches Ergebnis die Arbeiter*innenklasse ermutigen könnte, für noch weitergehendere Maßnahmen zu kämpfen als die von Corbyn vorgeschlagenen.

Die Socialist Party England & Wales, die Schwesterpartei der SAV, schlägt vor, den Kampf aufzunehmen durch die Abwahl aller Parteirechten in Labour, Wiederherstellung der zentralen Rolle der Gewerkschaften in der Parteidemokratie und den Kampf für eine Corbyn-Regierung mit sozialistischem Programm im Interesse der Arbeiter*innenklasse.