„Wenn wir uns nicht selbst helfen, hilft uns keiner“
Am 15. Juni veröffentlichte der Manifest Verlag Takiji Kobayashis Roman „Das Fabrikschiff“. In dem Buch verfolgen wir das Arbeitsleben der Fischer eines japanischen Krabbenschiffes: Die brutale Ausbeutung und den Weg zum kollektiven Widerstand.
Von Jens Jaschik, Dortmund
Ein Fabrikschiff ist ein Fischereischiff, dass schon auf hoher See beginnt seinen Fang endverbrauchergerecht zu verarbeiten. Nachdem die Krabben gefangen wurden, werden sie aussortiert und in Konserven verpackt. Das Leben auf einem solchen Schiff Ende der 1920er Jahre war grausam und brutal. Bildgewaltig beschreibt Kobayashi das oft kurze Leben der Fischer, das Elend, die grausame Lohnsklaverei und die sozialen Hierarchien.
Kobayashi verzichtet dabei auf eine einzelne Leitfigur. Seine Helden sind die Menschen, die auf Grund der ökonomischen Notwendigkeit auf dem Schiff versammelt sind: alteingesessene Fischer, Neulinge, Studenten und verarmte Saisonarbeiter. Ihre Gegner sind das kapitalistische System und seine Vertreter: Der Kapitän, das Militär, und der mit absoluter Macht ausgestattete Agent des Konzerns, der die Arbeiter mit Gewalt dazu antreibt, damit sich das Unternehmen gegen die Konkurrenz durchzusetzt.
Der Autor orientiert sich an der marxistischen Maxim „Von der Klasse an sich zur Klasse für sich“. Er beschreibt wie die Arbeiter auf dem Schiff in ihrem eigenen Dreck leben, arbeiten und sterben. Sie werden geschlagen und erniedrigt, doch langsam regt sich gemeinsame Gegenwehr. Sie beginnen mit Verlangsamung der Arbeit und organisieren schließlich eine kleine Revolution auf dem Schiff. Notwendig dafür ist die sich entwickelnde Solidarität. Jeder muss sich auf jeden verlassen können. Aber es gibt kein Happy End. Ihre Führer werden ermordet und der Widerstand zerschlagen. Was zählt ist der Versuch und die Erfahrung. Die letzten Worte des Buches geben Hoffnung: „Das nächste Mal werden wir es besser machen.“
Auf nur hundert Seiten schafft es Kobayashi den Leser nicht mehr loszulassen. Sobald man angefangen hat zu lesen, fällt es einem schwer das Buch beiseite zu legen. Dank Kobayashis Stil leidet und hofft man mit den Fischern.
Über Roman und Autor
In Japan wurde Kobayashis Roman 2008 mit über 500.000 verkauften Exemplaren zu einem späten Bestseller. Viele junge Japaner*innen identifizierten sich mit den Fischern und Studenten auf dem Krabbenschiff. Sie konnten die Ausbeutung, Isolation und Entfremdung der Krabbenfischer nachvollziehen. Sie zogen Parallelen mit dem heutigen japanischen Kapitalismus, den hohen Arbeitsdruck, den straffen Hierarchien und der fehlenden Selbstbestimmung.
Das Fabrikschiff wurde 1929 ursprünglich als Episodenroman in dem kommunistischen Literaturmagazin „Senki“ veröffentlicht. Kurz darauf wurde es auch als Theaterstück aufgeführt. Die erste Buchveröffentlichung 1929 erreichte eine Auflage von 15.000, wurde aber noch im selben Jahr von der kaiserlichen Administration verboten. Die drastische Darstellung der Lebensrealität der einfachen Menschen und der Weg zum kollektiven Widerstand reichten aus, um in Kobayashis Roman einen Aufruf zur Revolution zu sehen. Erst 1948 wurde sein Roman wieder unzensiert in Japan aufgelegt.
Der 1903 geborene und in Armut aufgewachsene Kobayashi fühlte sich schon in frühen Jahren mit der Arbeiterbewegung verbunden. Seine Werke beschreiben die konkrete Lebenssituation der Arbeiter und die Notwendigkeit einer sozialistischen Alternative. Für sein Werk „Das Fabrikschiff“ analysierte er Zeitungsberichte und befragte Fischer, um so genau wie möglich ihr Leben darzustellen. Sein Werk ist mehr als ein Roman. Es ist ein Handbuch zum organisieren und kämpfen. Es war aber auch Kobayashis Todesurteil. Nach der Veröffentlichung wurde er verhaftet, gefoltert und im jungen Alter von 29 Jahren hingerichtet. Die deutsche Neuveröffentlichung trägt dazu bei sein Werk weiterzuführen. Denn am Ende war Kobayashi mehr als ein Literat. Er war ein Kämpfer für eine bessere Welt.