Gewerkschaften in die Offensive!
Der DGB ruft dazu auf, die Europäische Bürgerinitiative „Housing for all“ zu unterstützen, die u.a. besseren Zugang zu günstigen Wohnungen und mehr Fördermittel fordert. Das jedoch leider ohne eine Forderung konkret zu machen. Dabei tritt der DGB völlig zurecht für radikalen Wohnungsneubau von 400.000 Wohnungen ein und fordert eine Mietpreisbremse, das Belassen von Baugrundstücken in öffentlicher Hand oder sogar deren Rückkauf, eine Reduzierung der Mieterhöhungen und der Modernisierungsumlagen. Wie das erreicht werden soll, bleibt beim DGB offen.
von Alexandra Arnsburg, stellv. Mitglied im ver.di Landesbezirk Berlin-Brandenburg*
Richtigerweise erkennt der DGB auf seiner Website, dass steigende Mieten erkämpfte Lohnerhöhungen auffressen und möchte, dass maximal dreißig Prozent der Löhne für Mieten draufgehen. Zudem sieht er, dass der Kern des Problems der private Markt ist, dem man stückweise Baugrund entziehen und mit staatlichem Wohnungsbau entgegentreten wolle. ver.di Berlin-Brandenburg geht sogar noch weiter und unterstützt das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“.
Taten statt schöner Worte
Moralische Appelle an die Regierungsparteien helfen wenig, denn dort sitzen diejenigen, die mit der Einführung von Hartz IV und dem Verkauf von staatlichen Wohnungen das Problem mit verursacht haben. Unterschriftensammlungen, wohnungspolitische Kongresse und Volksbegehren können ein erster Schritt sein, auch für die Gewerkschaften, um das Thema Wohnen aufzugreifen und das Problem und Gegenstrategien bekannter zu machen. Jedoch entfalten diese im besten Fall öffentlichen Druck, dem die Politiker*innen nach der Wahl meist mit jahrelangen Diskussionen um Gesetzentwürfe und mit rechtlichen Prüfungen entgehen können.
Wohnen und Arbeit
Viele Beschäftigten müssen bereits jetzt immer höhere Mieten, Umzüge und stundenlanges Pendeln in Kauf nehmen. Das sind alles Faktoren, die neben steigender Arbeitshetze und Überstunden das Risiko erhöhen, einfach auszubrennen, den Job zu verlieren oder nicht die gesetzliche Rente zu erreichen. Auszubildende, junge Beschäftigte, junge Familien oder Studierende müssen zu Hause wohnen bleiben oder ebenfalls lange Wege und schlechte Wohnsituationen akzeptieren. Die Entfernungen zur Arbeit haben in den Jahren 2000 bis 2015 im Durchschnitt für Pendler*innen um zwanzig Prozent zugelegt, in Berlin um über fünfzig Prozent. Das zeigt, dass das Thema Arbeitszeitverkürzung auch aus diesem Grund ein Thema ist, was allen auf den Nägeln brennt, den Wegstrecken nehmen zu und die Wochenarbeitszeit wächst insgesamt auf ein lebensgefährliches Niveau.
Für eine breite Kampagne
Zeit zum Debattieren haben also die meisten nicht. Unterschriften und Bürgerinitiativen hebeln nicht die Profitlogik aus, die in diesem kapitalistischem System verankert ist. Deshalb muss der DGB und seine Einzelgewerkschaften eine effektive Kampagne starten: in den Betrieben und Stadtteilen zum Thema Wohnen Versammlungen durchführen, Mieter*innen organisieren, um Mieterhöhungen mit Mietenstreiks zu beantworten und Zwangsräumungen zu verhindern; Beschäftigte organisieren und eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich, Ballungsraumzulagen und ordentliche Lohnerhöhungen zu erkämpfen. Die Beschäftigten in den Wohnungskonzernen haben oft keinen Tarifvertrag und baden das aus, was die Unternehmer den Mieter*innen aufbürden – auch sie gehören organisiert. Die Forderungen für bezahlbaren Wohnraum, höhere Löhnen und kürzere Arbeitszeiten müssen mit der Forderung nach Enteignung von Wohnungsunternehmen und Baugrund verbunden werden. Das werden die Gewerkschaftsführungen nicht von allein tun, dafür ist ein Kurswechsel nötig.
*=Funktionsangabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person