Containern-Veranstaltung und Proteste in München
Zwei junge Frauen aus Olching bei München, Caro und Franzi, wurden letztes Jahr angeklagt, weil sie Lebensmittel aus einem Müllcontainer eines lokalen Edeka „gerettet“ haben. Nachdem die Supermarktkette und die Staatsanwaltschaft die beiden strafrechtlich verfolgte, gab es einen öffentlichen Aufschrei. Vor der Gerichtsverhandlung fanden mehrere öffentliche Proteste statt. Obwohl das Gericht den beiden ehrenwerte Motive zusprach, wurden sie wegen Diebstahl verurteilt.
von Stefan Reifberger, München
Allein in Deutschland werden jährlich 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das ist die Hälfte der gesamten Produktion. Davon wurden laut einer WWF-Studie von 2015 vierzig Prozent bei Verbraucher*innen weggeworfen, der Rest in Industrie, Handel und bei Großverbrauchern, wie zum Beispiel Kantinen. Bei der Lebensmittelproduktion und im Handel liegen auch die größten Einsparpotenziale. Gurken müssten nicht weggeworfen werden, weil sie zu krumm sind.
Kapitalismus = Verschwendung
Supermarktketten wären ohne den Konkurrenzkampf im freien Markt nicht dazu gezwungen, mehr einzukaufen, als nötig. Weil sie aus Druck, dass Kund*innen sonst zur Konkurrenz gehen, bis Ladenschluss alle Waren vorrätig haben müssen, planen die Ketten aneinander vorbei. Ansatzpunkt wäre zum Beispiel eine gesetzliche Regelung, die Unternehmen dazu verpflichtet, genießbare Lebensmittel für vorhandene Verteilstrukturen zur Verfügung zu stellen. Langfristig muss aber die Lebensmittelindustrie nach einem demokratischen Plan produzieren, der nicht profit- sondern bedürfnisorientiert ist.
Um das umzusetzen hat sich aus den Protestkundgebungen vor den Gerichtsverhandlungen heraus das Münchner “Solidaritätsbündnis gegen Lebensmittelverschwendung” gebildet. Es fanden regelmäßige Treffen statt, Arbeitsgruppen wurden gebildet und ein Selbstverständnis geschrieben. Das Bündnis will sowohl die massive Lebensmittelvernichtung einschränken als auch das Containern entkriminalisieren. Solange es für Konzerne legal ist, Lebensmittel aus profitorientierten Gründen zu vernichten, muss es auch legal sein diese aus den Containern zu retten.
Spannende Diskussionen
Auf einer Veranstaltung am 26. April stellte sich das Solidaritätsbündnis gegen Lebensmittelverschwendung vor. Eingeleitet wurde sie von Caro und Franzi, die über ihren Antrag zur Revision im Strafprozess berichteten und den Fortschritt ihrer Petition auf olchiscontainern1.blogsport.de gegen Lebensmittelverschwendung und Legalisierung von Containern bereitstellen. Außerdem referierte der Aachener SAV-Aktivist Christian Walter. Christian ist Buchautor und Containern-Aktivist vom „Aachen Containert“-Blog und er zeigte mit Fakten und Statistiken viele kaum bekannte Aspekte des Ausmaßes der Vernichtung von Lebensmitteln. Essen wird produziert, um Profite zu erzeugen, anstatt Menschen satt zu machen. In der Diskussion mit fünfzig Besucher*innen und vielen Aktivist*innen kamen außerdem viele praktische Containern-Tipps zusammen. Die Petition für eine Gesetzesänderung soll bald medienwirksam überreicht werden. Zusätzlich wollen wir in Zukunft öffentlich Containern-Touren planen und dazu auch die Presse einladen. Die Überproduktion ist ein Grundproblem des Kapitalismus. Mit dem Bündnis gegen Lebensmittelverschwendung ist es möglich mit Menschen in Kontakt zu treten, die sich daran politisieren und sie von der Notwendigkeit einer demokratisch geplanten Wirtschaft und einer sozialistischen Gesellschaft zu überzeugen.