Zusammenfassende Darstellung der Ideen und Methoden des CWI
Das Buch „Marxismus heute“, das der Manifest-Verlag jetzt in deutscher Sprache veröffentlicht, entstand ursprünglich im Herbst 2006 aus einer Reihe von Interviews, die ein italienischer Marxist mit Peter Taaffe, dem Mitbegründer des CWI und langjährigen Generalsekretär der englisch-walisischen Socialist Party, in London führte. Es behandelt eine ganze Bandbreite von Themen, so etwa die neue Weltlage nach den Anschlägen des 11. September 2001, den instabilen Zustand der Weltwirtschaft, die Bedeutung der Arbeiter*innenklasse heute, oder die Auswirkungen des Zusammenbruchs des Stalinismus in Osteuropa ab 1989 auf die politische Linke.
von Daniel Kehl, Dortmund
Ausführlich schildert Peter Taaffe zu Beginn die ökonomische Situation: Nachdem der Kapitalismus nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die 1970er Jahre eine lange Boomphase erlebt hatte und sich später durch die Marktöffnung Chinas und den Zusammenbruch des Stalinismus noch einmal vor einer Krise retten konnte, kehrt er heute wieder in seinen „Normalzustand“ zurück, in dem periodische Wirtschaftseinbrüche auf der Tagesordnung stehen. Schon zwei Jahre vor Beginn der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise des Jahres 2008 nennt der Autor handfeste Anzeichen einer kommenden Krise, zum Beispiel die gewaltigen Immobilienblasen auf dem US-Markt. Auch die steigende Wahrscheinlichkeit von Handelskriegen – „die moderne Form des Krieges“ – beschreibt Taaffe bereits circa zehn Jahre vor dem offenen Ausbruch des Handelskonflikts zwischen den USA unter Präsident Trump und China. Und selbst die wachsende Bedeutung der Umweltfrage wird anhand von Beispielen aus der neokolonialen Welt schon in „Marxismus heute“ angerissen.
Neben den Aufgaben von Marxist*-innen in neokolonialen Ländern, in Staaten mit nationalen Konflikten oder der Einschätzung des komplexen Charakters der heutigen Volksrepublik China geht Peter Taaffe ausgiebig auf die Lage der Arbeiter*innenklasse ein. Auch wenn ihre Zusammensetzung sich in Europa und Nordamerika in Richtung Dienstleistungssektor verschoben hat, ist sie heute nicht weniger kampffähig als früher. Im Transportbereich etwa können Streiks von relativ kleinen Belegschaften ganze Produktionsketten lahmlegen. Die Arbeiter*innenklasse ist heute im Weltmaßstab nicht nur zahlenmäßig größer als je zuvor, sondern durch ihre ökonomische Stellung genauso entscheidend für die Veränderung der Gesellschaft wie eh und je seit Bestehen des Kapitalismus.
Die Bedeutung der Übergangsmethode
Im letzten Kapitel des Buches liefert Taaffe einen Überblick über die Geschichte der britischen Militant-Strömung und des CWI. Besonders herausragend ist hier die Darstellung der Übergangsmethode: Statt sich auf im kapitalistischen Rahmen realisierbare Minimalforderungen zu beschränken oder nur abstrakt die Notwendigkeit von Arbeiter*innenmacht und Sozialismus zu propagieren, legen Marxist*innen ein Programm von Übergangsforderungen vor, das die Überführung der Schlüsselindustrien in öffentliches Eigentum, die Ausarbeitung eines demokratischen Produktionsplans, die Bildung von Komitees in verschiedenen Bereichen und die von unten organisierte Verteidigung dieser Errungenschaften gegen wahrscheinliche Gegenmaßnahmen der Kapitalseite beinhaltet, um Arbeiter*innen Schritt für Schritt zu revolutionären Schlussfolgerungen zu bringen. Die konsequente Anwendung dieser Methode unterschied das CWI immer von anderen Strömungen mit marxistischem Anspruch.
Aktualisierte Vorworte
Die vom Manifest-Verlag vorgelegte Neuausgabe von „Marxismus heute“ glänzt zuletzt auch dadurch, dass sie dem Text mehrere Vorworte, darunter aus den Jahren 2008, 2013 und ein aktuelleres von 2016, beifügt. Dort werden die Entwicklungen seit der Erstveröffentlichung des Buches vor 13 Jahren geschildert und von der Warte des Marxismus aus analysiert. Insgesamt haben sich die in „Marxismus heute“ aufgestellten Perspektiven bestätigt: Die Welt ist 2008/09 in eine massive Krise gestürzt, deren Nachwirkungen das politische Geschehen bis heute prägen. Die von Peter Taaffe dargelegten Ideen und Methoden bleiben ein entscheidender Schlüssel, um aus dieser Krise zu entkommen und den Ausweg des Sozialismus zu finden.