Interview mit Rouzbeh Taheri, Mitbegründer der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“
Im April beginnt die Unterschriftensammlung für die Berliner Volksinitiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Die SAV Berlin unterstützt die Initiative und sammelt aktiv Unterschriften. Wir sprachen mit dem langjährigen Mieter- und Stadtaktivisten und Mitbegründer der Initiative Rouzbeh Taheri.
Rouzbeh, warum geht es euch besonders um die Deutsche Wohnen?
Die Deutsche Wohnen (DW) ist mit über 110.000 Wohnungen die größte private Immobilienbesitzerin in Berlin. Der größte Teil des Bestandes besteht aus Wohnungen, die früher im Besitz der Stadt Berlin waren, vor allem die beiden Wohnungsbaugesellschaften GSW und GEHAG, die in den 90er bzw. 2000er Jahren privatisiert worden sind. DW ist bekannt, besser gesagt berüchtigt, dafür, dass sie alle Hebel in Bewegung setzt, um die Mieter*innen auszupressen. Regelmäßige Mieterhöhung, überhöhte Nebenkosten, mangelnde Instandhaltung und überteuerte Modernisierung sind nur einige Beispiele. Sie ist in Berlin durch ihre Geschäftspolitik zum Symbol für den gierigen Miethai geworden.
Ließen sich viele noch vor einigen Jahren mit einer Mietpreisbremse zufriedenstellen, so glaubt heute kaum noch jemand an die Wirksamkeit einer solch windelweichen Regulierung. Die Betroffenen bei den Beratungsgesprächen, die Interessierten an den Informationsständen, aber auch viele nicht direkt betroffene Mieter*innen stellen immer wieder die Frage, warum eigentlich private Immobilienkonzerne sie ungestraft drangsalieren können. Die Forderung nach Enteignung gehört eindeutig nicht zu den radikalsten Lösungsvorschlägen, die wir täglich hören. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die üblichen Protestmethoden nicht mehr ausreichen. Um diese Großkonzerne wirksam zu bekämpfen, brauchen wir eine Änderung der Eigentümerstruktur. Anders gesagt, wir wollen unsere Häuser zurück.
Wie kann so eine Enteignung aussehen?
Nach Artikel 15 des Grundgesetzes kann Grund und Boden, übrigens auch Produktionsmittel, durch ein Gesetz vergesellschaftet und in Gemeineigentum überführt werden. Der Artikel stammt aus den Anfangszeiten der Bundesrepublik, als der Kapitalismus sich als Wirtschaftsform in Westdeutschland noch nicht endgültig durchgesetzt hatte. Bis heute hat sich aber niemand in der Bundesrepublik getraut, diesen Artikel anzuwenden. Das ist interessanterweise nun unsere Chance. Da auf Bundesebene kein Gesetz zu diesem Artikel existiert, kann ein Bundesland, also in diesem Fall Berlin, ein eigenes Gesetz dazu beschließen. Wir wollen mittels direkter Demokratie, also Volksbegehren und Volksentscheid, ein Vergesellschaftungsgesetz durchsetzen, womit alle Immobilienkonzerne mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin vergesellschaftet werden.
Aber laut Grundgesetz muss doch eine Entschädigung gezahlt werden. Wollt ihr der Deutschen Wohnen sogar noch Geld geben?
Eine entschädigungslose Enteignung ist laut Grundgesetz nicht möglich, obwohl viele in unserem Bündnis das gut finden würden. Es kann allerdings eine Entschädigung deutlich unter dem Marktwert erfolgen. Das heißt konkret, dass DW und Co. keine Spekulationsgewinne einstreichen können und ihre Geschäftsstrategie zusammenbricht.
Wie wollt ihr jetzt mobilisieren?
Wir arbeiten zweigleisig: Die Erfahrung zeigt: Lokale Mieter*innen-initiativen sind dann erfolgreich, wenn sie sich gut organisieren und entschlossen gegen Angriffe der Wohnungskonzerne wehren. Deshalb bieten wir Starthilfe für die Neugründung von Initiativen und unterstützen bestehende Gruppen bei ihrer Arbeit. In einem ersten Schritt bieten wir entsprechende Workshops zum Erfahrungsaustausch an. Die meisten Initiativen stehen am Anfang vor denselben Problemen und unsere Schulungen unterstützen sie dabei, diese Herausforderungen zu meistern: Wie gründen wir eine Mieter*inneninitiative? Wie laden wir zu Versammlungen ein? Wie organisieren wir einen Raum, in dem wir uns treffen können? Wie moderieren wir große Gruppen? Wie geht gute Presse- und Öffentlichkeitsarbeit? Wie bleiben wir organisiert? In unseren Workshops vermitteln wir Lösungen für diese wiederkehrenden Probleme, die sich in der Praxis bewährt haben und bieten einen Raum für gegenseitigen Austausch. Zielgruppe sind Betroffene aus allen Berliner Kiezen, die sich gegen die Deutsche Wohnen & Co. wehren wollen. Auf der anderen Seite führen wir ein Volksbegehren durch. Die Mobilisierung läuft sehr gut. Wir bekommen viel Zuspruch aus der Bevölkerung und immer mehr Menschen machen bei uns mit. Die Stärke der Mieter*innenbewegung in Berlin besteht vor allem aus der guten Vernetzung der über 200 Initiativen in der Stadt. Jede dieser Initiativen hat zwar eigene Schwerpunkte, bei großen Kampagnen kommen sie aber meist zusammen und entwickeln eine große Wucht.
Wie geht es danach weiter?
Der Kampf um bezahlbare Mieten geht weiter. Während wir die zweite Stufe der Sammlung vorbereiten, werden wir an weiteren Projekten arbeiten und vor allem unsere Organizing-Arbeit fortsetzen.
Wer ist an eurem Bündnis beteiligt? Wie können sich Mieterinnen und Mieter am besten organisieren?
Unser Bündnis besteht aus Mieter*inneninitiativen, normalen Mieterinnen und Mietern und Aktivist*innen aus politischen Gruppen und Parteien. Wir sind basisdemokratisch organisiert, jede Person, die unsere Ziele teilt, kann mitmachen. Für die längerfristige Arbeit ist aber nötig, dass die Betroffenen sich in den Stadtteilen organisieren. Wir werden den Schwung der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ nutzen und die Organisierung von Betroffenen weiter vorantreiben.