Glasgow: Wichtiger Teilsieg im Kampf um Lohngleichheit
Am 7. Februar feierten Beschäftigte der Gewerkschaften Unison und GMB vor dem Glasgower Stadtrat einen historischen Sieg: Nach einem jahrelangen Kampf war der Stadtrat gezwungen, Kompensationszahlungen von 500 Millionen Pfund an die weiblichen Beschäftigten der Stadt zuzustimmen.
von Katharina Doll, Hamburg
Diese Zahlungen sollen sie dafür entschädigen, dass in frauendominierten Berufen über Jahre trotz gleicher Eingruppierung niedrigere Löhne ausgezahlt wurden.
Brian Smith, Gewerkschaftssekretär bei Unison und Mitglied der Socialist Party Schottland (Schwesterorganisation der SAV), sagte dazu: „Diese Vereinbarung bedeutet, dass große Summen an Vermögen an die Arbeiter*innenfamilien der Stadt weitergereicht werden und ist deswegen ein herausragender Sieg für alle Beschäftigten.“
48-Stunden-Streik für Lohngleichheit
Dem ging ein langer Kampf voraus. Im letzten Jahr riefen die Gewerkschaften Unison, GMB, Unite und andere dann zu einem 48-stündigen Streik für Lohngleichheit auf. 8000 überwiegend weibliche Reinigungskräfte und Beschäftigte aus der Pflege folgten dem Aufruf.
Es war ein wichtiger Schritt, dass auch viele männliche Kollegen den Streik der Frauen aktiv unterstützten. Hunderte männliche Angestellte der Stadtreinigung, Straßenarbeiter und Parkplatzwärter weigerten sich, den Streik ihrer Kolleginnen zu brechen und wurden nach Hause geschickt oder schlossen sich den Streikposten an.
Diese Solidarisierung war wichtig, denn die Chefs bei der Stadt haben alles getan, um die Streikenden beim Rest der Bevölkerung zu diffamieren und die Solidarität zu brechen. Sie nutzten repressive Anti-Streik-Gesetze, um die Bewegung zu bekämpfen. Ihre Politiker und Medien versuchten, die öffentliche Stimmung gegen die Streikenden zu drehen. Sie verbreiteten die Lüge, eine bessere Bezahlung der Frauen müsse über Lohnkürzungen der männlichen Kollegen finanziert werden. Andere Blätter berichteten, die Stadt müsse „beliebte öffentliche Gebäude“ verkaufen, sollte es zu Entschädigungszahlungen an die Kolleginnen kommen. Ein Vertreter des Stadtrats beschwerte sich, die Straßen seien verschmutzt und die Mülltonnen würden überquellen.
Schmutzige Straßen und überfüllte Mülltonnen: Das wäre leicht zu verhindern gewesen! Doch das Beispiel beweist, dass Gleichstellung nicht vom Himmel fällt, sondern erkämpft werden muss. Es zeigt auch, dass gleiche Löhne für Frauen kein Ding der Unmöglichkeit sind, sondern dass Entscheidungen der Arbeitgeber für die Lohndiskriminierung verantwortlich sind.
Diese Entscheidungen haben für viele von uns fatale Auswirkungen. Viele alleinstehende Frauen haben einen niedrigen Lebensstandard, alleinerziehende Mütter leben mit ihren Kindern in Armut. Frauen geraten schneller in finanzielle Abhängigkeit, und das macht es schwerer, gewaltsamen und belastenden Umständen zu entkommen. Besonders schlimm ist die Situation bei der Rente: In Deutschland erhalten Frauen im Schnitt die Hälfte der Rente von Männern – für einige ältere Frauen bedeutet das, dass ausgekochte Kohlblätter auf den Tisch kommen und das Geld für die Heizung nicht reicht!
Gemeinsam kämpfen!
Die Gegner*innen des Streiks in Glasgow haben ein altes Märchen wiederholt, mit dem schon immer der Spaltkeil in die Arbeiter*innen-bewegung getrieben werden soll. Sie haben gesagt, dass höhere Löhne für Frauen aus den Löhnen ihrer Kollegen bezahlt werden müssten. Eine dreiste Lüge! Auch männlichen Beschäftigten wird nur ein kleiner Teil von dem ausgezahlt, was sie erarbeiten – der Rest geht als Profit an den Chef. Und auch wenn der Arbeitgeber staatlich ist, wird unter anderem an den Löhnen gespart, um an anderer Stelle Politik für die Reichen zu machen, zum Beispiel durch Steuererleichterungen für Reiche und Konzerne. Die Höhe der Löhne ist letztendlich immer eine Frage der Kräfteverhältnisse. Von der Schlechterstellung der Frauen profitieren nicht die männlichen Kollegen, sondern einzig und allein die Chefs. Allen anderen schadet es nur, wenn Löhne gedrückt werden, indem Frauen oder Migrant*innen als Niedriglohngruppe eingesetzt werden. Genauso wenig nützt uns sexistisches Bewusstsein und respektloses Verhalten gegen Frauen, das gemeinsame Kämpfe erschwert.
Ohne höhere Löhne und Renten, niedrigere Mieten und Lebenshaltungskosten, ein besseres Gesundheits- und Sozialsystem und ein Ende der kapitalistischen Klassengesellschaft kann es nie echte Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern geben. Nichts ist verkehrt daran, am 8. März auch den Haushalt ruhen zu lassen, um sich den Demonstrationen anzuschließen. Aber Veränderungen im eigenen privaten Haushalt reichen nicht. Das öffentliche Leben, Arbeit und Sozialsysteme müssen sich von Grund auf ändern – und auf diese Lebensbereiche müssen wir uns Einfluss erkämpfen. Das Beispiel von Glasgow hat gezeigt: der Streik in den Betrieben ist unser mächtigstes Mittel, um diese Interessen durchzusetzen. Auch in Deutschland müssen wir es nutzen!
Gewerkschaften müssen den Kampf führen
Am 8. März wollen sich in manchen Städten auch Beschäftigte der Krankenhäuser an den Demonstrationen beteiligen. Und um weiter Druck aufzubauen – wie in Glasgow – brauchen wir die Gewerkschaften. Denn stellt euch vor was wäre, wenn Millionen Mitglieder des DGB am 8. März mit uns auf der Straße wären!
Auch männliche Beschäftigte haben ein Interesse an sozialen Verbesserungen und einem Ende von Ausbeutung. Wir wollen nicht den Kampf des einen Geschlechts gegen das andere, sondern Gleichberechtigung und Solidarität. Unser Ziel sind Millionen auf der Straße für ein besseres Leben. Männer von diesen Kämpfen auszuschließen ist nicht nur falsch, sondern aktive Demobilisierung! Die sollten wir – wie in Glasgow – lieber dem Arbeitgeber überlassen, während wir für die Unterstützung jeder Kollegin und jedes Kollegen werben.