Für eine Rente, von der man gut leben kann
Die SPD legt ihr Konzept einer Grundrente vor, um wieder an Zustimmung zu gewinnen. Doch das gesamte Konzept ist eine Nullnummer. Zwar würden bis zu vier Millionen einen Zuschlag erhalten, aber darunter auch Leute, die schon heute gut gestellt sind. Etwa der Gatte der Zahnärztin, den sie für 15 Stunden in der Woche in ihrer Praxis angestellt hatte. Oder die Ehefrau eines pensionierten Bundesrichters, die selbst Teilzeit gearbeitet hat. Gleichzeitig bleiben hunderttausende in der Grundsicherung, da auch mit den Zuschlägen das Geld nicht zum Leben reicht.
von Holger Dröge, Berlin
Die SAV ist der Meinung, dass die Rente für ein vernünftiges und menschenwürdiges Leben reichen muss. Wer ein Leben lang gearbeitet hat, soll im Alter nicht auf Almosen angewiesen sein.
- Monatliche Mindestrente von 750 Euro plus Warmmiete
- Sofortige Erhöhung des allgemeinen gesetzlichen Rentenniveaus auf 57 Prozent (OECD-Durchschnitt) als erster Schritt hin zu 75 Prozent
Das Versorgungsniveau, das die gesetzliche Rentenversicherung Beschäftigten mit durchschnittlichem oder niedrigem Einkommen bietet, liegt in Deutschland deutlich unter dem Niveau anderer OECD-Länder. So beträgt die Brutto-Ersatzrate, die von der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) für internationale Vergleiche berechnet wird, bei deutschen Durchschnittsverdienern derzeit lediglich 37,5 Prozent, gemessen am durchschnittlichen Einkommen. In Österreich sind es 73,3 Prozent. Im OECD-Durchschnitt erreichen vergleichbare Versicherte hingegen eine Ersatzrate von gut 57 Prozent. Beim Alterssicherungsniveau von GeringverdienerInnen rangiert Deutschland unter den 34 OECD-Mitgliedern sogar an letzter Stelle.
Renteneinstiegsalter senken
Die Rente mit 67 Jahren wird nicht das Ende der Rentenkürzungen sein. Schon jetzt wird vereinzelt über die Rente mit 70 Jahren diskutiert. Die Erhöhung des Renteneinstiegsalters dient nur dazu, die Renten weiter abzusenken. Wer zum Beispiel mit sechzig Jahren in Rente geht, weil er eh arbeitslos war, erhält dann Abzüge (0,3 Prozent weniger Rente pro Monat, den man früher in Rente geht) für sieben statt für fünf Jahre.
Aber vor allem hat der Arbeitsdruck in den Betrieben enorm zugenommen. Durch Arbeitszeitverlängerung auf vierzig oder mehr Stunden wird der Druck weiter erhöht. Schon heute stirbt ein Drittel aller ArbeiterInnen vor Erreichen des Rentenalters. Die Antwort darauf ist nicht länger arbeiten, sondern kürzer.
Frauenrenten verbessern
Vor allem Frauen sind von niedrigen Renten und Armut im Alter betroffen. Zwei Drittel der Bezieher*innen von Grundsicherung sind Frauen, denn sie haben deutlich niedrigere Renten als Männer. Wegen der niedrigeren Löhne, Kindererziehung und Pflege von Angehörigen arbeiten Frauen häufig in Teilzeit oder sind gar nicht berufstätig. Frauen bekommen nur knapp halb so viel Rente wie Männer. Noch größer sind die Unterschiede bei der Betriebsrente.
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit muss die Antwort darauf sein. Wir setzen uns für Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt ein. Das bedeutet: Deutliche Lohnerhöhungen in frauendominierten Branchen. Höhere Löhne bedeuten höhere Renten. Darum ist die Umwandlung von prekären Jobs in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse erforderlich.
Aus Einkommen unter dem Durchschnittslohn sollten sich höhere Rentenansprüche pro hundert Euro Einkommen pro Jahr ergeben, um zumindest die Rente in Richtung der Durchschnittsrente zu erhöhen. Dies nutzt vor allem Frauen und leistet damit einen Beitrag zur Bekämpfung von Frauenarmut.
Kindererziehung ist nach wie vor überwiegend Frauensache. Das muss sich ändern. Unmittelbar gilt es jedoch die ökonomische Benachteiligung auszugleichen. Neben dem Ausbau der Kinderbetreuung gehört dazu auch, dass es höhere Rentenansprüche für Kindererziehung und Pflege und eine Ausweitung der Anrechnung von Erziehungszeiten gibt. Sind beide Eltern erwerbstätig und betreuen Kinder, werden die Ansprüche auf beide aufgeteilt.
Einnahmen der Rentenversicherung
Um dieses Programm zu finanzieren, müssen die Einnahmen der Rentenversicherung steigen. Einnahmesteigerungen zu Lasten der Versicherten sind aber der falsche Weg. Stattdessen müssen die erwirtschafteten Gewinne von Banken und Unternehmen im Interesse der Sicherung des Lebensstandards der Mehrheit eingesetzt werden.
Auch wer Miete kassiert, von Honoraren lebt oder Kapitaleinkünfte bezieht, soll einen Beitrag zur Sozialversicherung leisten. Aber nicht nur die Einnahmen, die mit Sozialversicherungsbeiträgen belegt werden, müssen erweitert werden, sondern auch die Abschaffung von Beitragsbemessungs- und Versichertenpflichtgrenzen ist notwendig. Wobei oberhalb der bisherigen Bemessungsgrenze zusätzliche Rentenansprüche nur noch unterproportional erworben werden sollten.
Das bedeutet: Alle zahlen entsprechend ihrer Einkommen ein. Alle Einkommen werden verbeitragt. Alle sind versichert. Alle bekommen eine gute Absicherung im Alter. Sollten diese Einnahmen nicht reichen, sollte der bereits bestehende allgemeine Bundeszuschuss an die Rentenversicherung ausgebaut werden – finanziert durch eine stärkere Besteuerung von Banken und Konzernen sowie der großen Vermögen. Es darf keine Erhöhung über eine indirekte Besteuerung (wie Mehrwert- und Ökosteuer) geben.
Die Löhne müssen steigen und die Arbeitslosigkeit bekämpft werden. Stattdessen wächst aber der Niedriglohnsektor, gibt es mehr Leiharbeit, Werkverträge und Mini-Jobs und werden damit die Einnahmen der gesetzlichen Sozialversicherung untergraben. Notwendig ist die Umwandlung von Mini-Jobs in voll-sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.