VONOVIA und Co. enteignen

Bundesweiten Mieter*innenaufstand organisieren

Immer mehr Wohnungen werden zum Spekulationsobjekt. Die Mieten explodieren. Mieter*innen werden aus den Städten an den Rand vertrieben oder landen in der Wohnungs- oder sogar Obdachlosigkeit. Erfreulicherweise formiert sich dagegen bundesweit Widerstand. Die Forderung nach Enteignung der Immobilienkonzerne macht die Runde.

Von Ursel Beck, Stuttgart

Mehr als eine Million Wohnungen in Deutschland befinden sich inzwischen unter der direkten Kontrolle von finanzmarktorientierten Fondsgesellschaften und Börsenkonzernen. Der größte Immobilienkonzern ist VONOVIA. Er ist seit 2015 im DAX notiert und hat mehr als 400.000 Wohnungen im Eigentum beziehungsweise in Verwaltung In Dresden gehören VONOVIA 16 Prozent aller Mietwohnungen. Die Wohnungskonzerne sind Ergebnis der Privatisierung von einst öffentlichen Wohnungen beziehungsweise dem Verkauf von Werkswohnungen. Diese Privatisierungen waren Diebstahl an öffentlichem Eigentum und müssen rückgängig gemacht werden. Das erkennen immer mehr Mieter*innen und fordern die Enteignung. In Berlin hat die Initiative für das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co“ enteignen die Forderung nach Enteignung popularisiert. Nach einer repräsentativen Umfrage der Berliner Zeitung „Der Tagessspiegel“ unterstützen 54,8 Prozent das Volksbegehren „Großvermieter gegen Entschädigung zu enteignen“. Dabei startet das Volksbegehren erst im Frühjahr.

Mieter*innen organisieren sich

In vielen Städten haben Miete-r*innen angefangen sich gegen Mietabzocke, Vernachlässigung der Instandhaltung, Umwandlung in Eigentumswohnungen und Vertreibung durch Modernisierung zur Wehr zu setzen. VONOVIA-Mieter*inneninitiativen sind dabei sich bundesweit im „VoNo!via-Mieter*innen-Bündnis“ zu vernetzen. Recht-auf-Stadt-Gruppen und andere Initiativen um das Thema Wohnen sind in vielen Städten aktiv. Immer wieder werden leerstehende Häuser besetzt. Protestaktionen bis hin zu Blockaden gegen Zwangsräumungen werden organisiert. In Berlin hat ein Bündnis aus 256 Gruppen und Initiativen im April 2018 mehr als 25.000 Menschen zu einer stadtweiten Demo gegen den Mietenwahnsinn mobilisiert. In München sind im September 2018 um die 11.000 und in Frankfurt im Oktober 5000 Mieter*innen gegen die Immobilienhaie auf die Straße gegangen. In Stuttgart ist für den 6. April 2019 eine große Demonstration geplant. Die zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Proteste haben die Themen Wohnungsnot, Mietenwahnsinn und Gentrifizierung zum öffentlichen Thema gemacht. Politik und Immobilienunternehmen sind unter Druck. Allerdings gab es bisher nur kosmetische Veränderungen und Absichtserklärungen. Die Mieten steigen weiter, Menschen werden weiter aus ihren Quartieren vertrieben. Häuser mit erhaltenswerter Bausubstanz und noch bezahlbaren Mieten werden zugunsten von Eigentums- oder teueren Mietwohnungen abgerissen. Modernisierungen bleiben für die Vermieter*innen Geldruckmaschinen und Horror für die Mieter*innen. Der Widerstand muss deshalb noch größer, breiter, lauter und entschlossener werden. Nach lokalen und regionalen Demonstrationen wäre eine bundesweite Großdemonstration gegen den Mietenwahnsinn in Berlin ein wichtiger Schritt im weiteren Aufbau einer bundesweiten Mieter*innenbewegung. Derzeit wird in verschiedenen Mieter*inneninitiativen und Bündnissen über den Aufbau einer bundesweiten Mieter*innengewerkschaft diskutiert. Im vergangenen Jahrhundert wurden erfolgreiche Mietenstreiks organisiert. Mieter*innen haben sich gemeinsam geweigert Mieterhöhungen zu bezahlen. Das zeigt, dass Mieter*innen Macht haben, wenn sie sich organisieren und kollektiv handeln.

Gewerkschaften

Die Gewerkschaften nutzen ihre Kampfkraft bislang nicht, um den Unmut der Lohnabhängigen über Wohnungsnot und Mietenwahnsinn in Widerstand zu verwandeln. Hier muss ein Kurswechsel von unten durchgesetzt werden. Wenn dreißig bis fünfzig Prozent der Nettolöhne heute für die Miete draufgehen, sind offensive Tarifforderungen und deren Durchsetzung durch Streiks überfällig. In Städten mit extrem hohen Mieten müsste der Kampf für Ballungsraumzulagen geführt werden. Bei den Wohnungskonzernen sind Zehntausende beschäftigt. Die 8500 Beschäftigten bei VONOVIA haben keinen Tarifvertrag und kriegen tagtäglich den Ärger der Mieter*innen ab. ver.di und die IG BAU sollten deshalb die Forderung der Wohnungskonzerne nach Enteignung unterstützen und mit dem Kampf für tarifliche Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen verbinden. Dort wo sich Gewerkschaften an Bündnissen für Demonstrationen beteiligen, müssen die Gewerkschaften alle ihr Mittel einsetzen, um ihre Mitglieder und Belegschaften zu mobilisieren.

DIE LINKE

Die Partei DIE LINKE hat das Thema Wohnen zu einem Kampagnenschwerpunkt gemacht. Parteimitglieder sollten vor Ort aktiv am Aufbau von Mieter*inneninitiativen und Bündnissen gegen Wohnungsnot und Mietenwahnsinn mitwirken, die Vernetzung vorantreiben sowie auf eine bundesweite Demonstration und eine dauerhafte Organisierung der Mieter*innen hinarbeiten. Die Forderung nach Enteignung von Immobilienspekulant*innen sollte von DIE LINKE bei Mieter*innenversammlungen, Demonstrationen und in den Parlamenten offensiv vertreten werden. Entschädigung darf es nur für Kleinaktionär*innen geben. Öffentlicher Wohnungsbau durch die Kommunen mit maximal fünf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter sollte als Alternative zum kapitalistischen Wohnungsmarkt präsentiert und dafür gekämpft werden. DIE LINKE muss auch deutlich machen, dass Spekulation mit Wohnraum nur abgeschafft werden kann, wenn der Kapitalismus abgeschafft wird. So kann die Mieter*innenbewegung einen beitrag zum Aufbau einer sozialistische Bewegung leisten, die nicht nur das politische Establishment, sondern das gesamte kapitalistische System herausfordert.