Beeindruckender Kongress der Schüler*innengewerkschaft im spanischen Staat
„Obreros y estudiante, Unidos adelante“ ist der langjährige Schlachtruf der Schüler*innengewerkschaft im spanischen Staat: „Arbeiter*innen und Schüler*innen, gemeinsam vorwärts“. Am 23. und 24. Februar fand der neunzehnte Kongress der in den achtziger Jahren von der Schwesterorganisation der SAV gegründeten Organisation in Madrid statt. 200 Jugendliche und Gäste aus dem spanischen Staat und Europa nahmen teil.
von Michael Koschitzki, Teilnehmer aus Berlin
Die Schüler*innengewerkschaft konnte auf zweieinhalb beeindruckende Jahre zurückblicken: mit massenhaften Schüler*innenstreiks schlugen sie die Angriffe der Rajoy Regierung auf das Bildungswesen zurück. In Katalonien beteiligten sie sich mit Streiks und Protesten am Widerstand gegen die nationale Unterdrückung. Nur zwei Tage vor dem Kongress legte ein Generalstreik Katalonien lahm.
Zum Frauenkampftag 2018 organisierten sie Schüler*innenstreiks, die mithalfen am Tag insgesamt acht Millionen Frauen und Männer auf die Straße zu bringen, während die anderen Gewerkschaften nur zögerlich zu Streiks von wenigen Stunden aufriefen. Im November 2018 gab es dank ihnen Streiks für umfassenden Sexualkundeunterricht in Schulen.
Mobilisierungen im März
Auch dieses Jahr mobilisiert die Sindicato de Estudiantes wieder zu Streiks am 8. März mit ihrem Kampagnenbanner „Libres y combativas“ (frei und kämpferisch). Die großen Gewerkschaften rufen dieses Jahr sogar zu 24 Stunden Streiks auf. Und vor dem Hintergrund der Neuwahlen im spanischen Staat, zu denen eine Mehrheit des frauenfeindlichen reakionären Blocks aus PP, Ciudadanos und Vox droht, gibt es eine hohe Bereitschaft, auf die Straße zu gehen.
Doch bei den Regionalversammlungen der Schüler*innengewerkschaft, bei denen vor dem Kongress Delegierte gewählt und der Leitantrag beschlossen wurde, kam noch ein Thema auf: in zahlreichen europäischen Ländern streiken Schüler*innen gegen die klimafeindliche Politik der Herrschenden. Sollen sie im spanischen Staat nicht ebenfalls dazu aufrufen?
So wurde beschlossen, innerhalb einer Woche noch zu einem zweiten Streik aufzurufen und die europäischen Mobilisierungen am 15. März zu unterstützen. Das Plakat dafür wurde binnen eines Tages zum beliebtesten Bild, das die Schüler*innengewerkschaft je auf Instagram hatte. Und obwohl die Umweltbewegung im spanischen Staat sehr schwach ist, unterstützen Jugendliche schnell den Aufruf zum Klimastreik.
Bewegungskongress
Im Ablauf des Kongresses war besonders beeindruckend, wieviele Vertreter*innen von Belegschaften und sozialen Bewegungen Grußworte überbrachten. Die wiedereingestellten Beschäftigten von Coca Cola bedankten sich per Video für die Unterstützung ihrer Kampagne gegen Entlassungen. Zum Kongress direkt sprachen der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft, zwei Beschäftigte von Amazon, der Bürgermeister der lokalen Gemeinde von Unidos Podemos, eine Vertreterin einer Selbstorganisation von Transsexuellen in Sevilla, Vertreter*innen der kämpfenden Taxifahrer*innen, eine Gruppe von Pensionären, die gegen Renteneinschnitte kämpfen, eine Gruppe von Frauen, die gegen einen Pharmakonzern kämpfen, der giftige Verhütungsmittel verbreitete und eine Gruppe von Pensionärinnen, die für die Rechte von Frauen im Alter kämpfen. Ihrer Rednerin standen die Tränen in den Augen, als der Saal klatschend aufstand, um ihnen die Unterstützung auszudrücken.
Besonders gefeiert wurden die Reden der Eltern der Verhafteten von Altasu. In dem Ort im Baskenland gerieten ein paar Jugendliche in eine Schlägerei mit der Polizei. Im Gerichtsverfahren wird ihnen eine Nähe zum Terrorismus vorgeworfen und bis zu 62 Jahre Haft von der Staatsanwaltschaft beantragt, um ein Exempel gegen kämpferische Jugendlichen zu statutieren. Die Schüler*innengewerkschaft hatte zur Solidaritätskampagne einen sehr großen Beitrag geleistet und dafür auch großen Dank der Familien erhalten. Internationale Vertreter*innen des Komitees für eine Arbeiter*inneninternationale (engl. CWI) aus Belgien, Deutschland, England, Frankreich und Portugal hatten ebenfalls die Möglichkeit zum Kongress zu sprechen.
No Pasaran
Höhepunkt des Kongress war die Veranstaltung gegen die rechte Gefahr, die von der bürgerlichen PP, die in Tradition zum Franco-Regime steht, der populistischen Ciudadanos und faschistischen Vox ausgeht. In Madrid gingen ihre Anhänger*innen zuletzt gemeinsam für die Bestrafung der katalanischen Politiker*innen auf die Straße, die im Oktober 2017 das Referendum abhielten.
Zahlreiche Redner*innen der Schülergewerkschaft, der Gäste und der Izquierda Revolucionario, der Schwesterorganisation der SAV im spanischen Staat redeten über die Erfahrungen im Kampf gegen Franco und die Aufgaben heute. Redner*innen der IR riefen außerdem alle auf, die ihr noch nicht beigetreten waren, sich ihr anzuschließen. Ein Spendenappell brachte über 800 Euro ein.
Die Schüler*innengewerkschaft versteht sich als sozialistische und revolutionäre Organisation, wie die zahlreichen Vertreter*innen bei ihren Berichten aus den Regionen bekräftigten. Mit den anstehenden Protesten und der polarisierten Phase im spanischen Staat hat sie einige Herausforderungen zu meistern aber auch riesige Möglichkeiten, sich weiter zu entwickeln und aufzubauen.